Lindauer Zeitung

Der Kölner Dom aus der Kanzel des Zeppelins

Sechs Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“dürfen mit dem Zeppelin von Bonn zurück nach Friedrichs­hafen fliegen

- Von Michael Scheyer

Von Bonn den Rhein entlang, über Köln (Foto: Michael Scheyer) und Mainz, vorbei an Stuttgart, über die Alb hinab bis nach Friedrichs­hafen. Sechs Stunden flogen die Gewinner des Preisaussc­hreibens von ZF und „Schwäbisch­er Zeitung“mit dem Zeppelin NT.

BONN/FRIEDRICHS­HAFEN - Braune Äcker, grüne Wiesen, gelbe Felder, grüne und blaue Flüsse, flache und steile Hügel, herbstlich­e Wälder. Aber natürlich ist das nicht alles, was es bei einem Zeppelinfl­ug von Bonn nach Friedrichs­hafen zu sehen gibt. Dazwischen liegen Wohngebiet­e und rauchende Industriea­nlagen, sich schlängeln­de Autobahnen, manchmal mit und manchmal ohne Stau, der Hockenheim­ring, Burgen, Schlösser, Kirchen ohne Ende, und auch mal ein Atomkraftw­erk. Dieser Blick von oben auf Süddeutsch­land ist unbezahlba­r. Und ein Zeppelinfl­ug dieser Länge wäre es auch.

Sechs Stunden dauert der Flug mit dem Zeppelin NT vom Regionalfl­ughafen Hangelar bei Bonn bis zum Zeppelin Hangar in Friedrichs­hafen. Und keine einzige Sekunde davon ist langweilig. Zu viel gibt es zu sehen und zu viel zu verpassen, wenn man nicht unaufhörli­ch nach links und rechts aus den Panoramafe­nstern des Zeppelins blickt. Aus einer Höhe von 300 Meter gesehen ist Deutschlan­d fasziniere­nd schön und facettenre­ich. Kilometer um Kilometer erschließe­n sich die Zusammenhä­nge aller Flächen auf dem Boden. Ein ums andere Mal denkt man sich: „So sieht das also aus!“Landwirtsc­haft, Wohnraum und Freizeitan­gebote in friedliche­r Koexistenz: Reiterhöfe und Golfplätze, Baumärkte und Mülldeponi­en, Schrebergä­rten Windräder, grasende Kühe, galoppiere­nde Pferde und Vögel im Formations­flug.

Sechs Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“dürfen das Privileg genießen, all das von oben zu sehen und zu erleben, in aller Ruhe, ganz gemütlich, an diesem Montag wegen des Rückenwind­es mit gut 80 Kilometer pro Stunde. Dank einer Verlosung der ZF Friedrichs­hafen AG.

Gewinnerin Gabi Pressmann, 56, eine Pfälzerin, die in Kisslegg eine neue Heimat fand, ist noch nie Zeppelin geflogen. „Jede Minute ist traumhaft“, sagt sie, während sie aus dem Fenster blickt und mit dem Handy fotografie­rt. Bei der Verlosung antwortete sie auf die Frage, warum sie den Flug verdient habe, dass sie einen besonders guten ökologisch­en Fußabdruck habe. Abgesehen von einem 30-minütigen Segelflug sei sie noch nie in ihrem Leben geflogen.

Perfekt organisier­t

Nun, der Zeppelinfl­ug wird Gabi Pressmanns Ökobilanz auch nicht ruinieren. „40 Kilogramm Flugzeugtr­eibstoff pro Stunde für alle drei Triebwerke“, erklärt Zeppelin Chefpilot Fritz Günther. „Das kann man nur schlecht mit anderen Fluggeräte­n vergleiche­n, aber in der motorisier­ten Luftfahrt sind wir ökologisch gesehen natürlich top.“Die Motoren sorgen für fünf bis zehn Prozent Auftrieb, den der Zeppelin NT benötigt, um fliegen zu können. Den Rest erledigt das Helium. Nebenbei: Da Auftrieb nötig ist, fliegt der neue Zeppelin und fährt nicht. Das ist eines der ersten Dinge, die Jungfernfl­ieger lernen.

Für den langen Heimflug, den der Zeppelin nach mehreren Wochen Promotionf­lüge in Nordrhein-Westfalen, wie zum Beispiel auch über der Nutzfahrze­ugmesse IAA in Hannover, nun antreten muss, ist jedenfalls genug Treibstoff für insgesamt zwölf Stunden an Bord. Ausgeschöp­ft wird die Menge natürlich nicht, das ist eine reine Sicherheit­smaßnahme. Genauso wie der Mastwagen der Zeppelinwe­rft, der parallel zur Route auf dem Boden unterwegs ist. An diesen Mastwagen wird der Zeppelin auf dem Boden befestigt. Sollte der Zeppelin wegen einer unvorherge­sehenen Wetterlage nicht weiterflie­gen können und landen müssen, wäre der Mastwagen also ganz in der Nähe. „Wer mit dem Zeppelin fliegt, braucht immer einen Plan A, einen Plan B und auch einen Plan C“, sagt der Chefpilot.

Es soll bei Plan A bleiben. Zwar windet es immer mal wieder, weshalb der Zeppelin wie ein Schiff in Wellen umherschau­kelt, aber davon abgesehen ist das Wetter sicher genug für die gesamte Strecke. „Der Unterschie­d zwischen diesem Flug und den kürzeren Routen“, erklärt Günther noch, „ist lediglich, dass meine Co-Pilotin und ich mehr Arbeit mit kontinuier­licher Wetterbeob­achtung und Navigation haben. Jedenfalls dann, wenn wir Wetter umfliegen müssen.“Denn vom Wetter hängt die tatsächlic­he Route ab. Den Rhein entlang, über Mainz und Mannheim, vorbei an Karlsruhe und Stuttgart, über die Alb zum See.

„Eine völlig andere Art des Fliegens“, sagt Josef Nagel begeistert. Der 68-jährige Laupheimer kennt sich aus, weil er als Technische­r Prüfer in der Kurt-Georg-Kiesinger- Kaserne der Luftwaffe viele Jahre Hubschraub­er instand hielt. „Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt er. „Als Soldat bin ich schon alles geflogen, nur nicht Zeppelin.“

Flüge wie diese werden von Zeppelin normalerwe­ise nicht angeboten. Der reguläre 60-Minuten-Touristenr­undflug über Lindau kostet 455 Euro. Die reine Flugzeit vom Flugplatz Hangelar in Sankt Augustin bei Bonn bis zum Zeppelin Hangar in Friedrichs­hafen wird ziemlich genau sechs Stunden betragen. Das wäre also ein Flug im Wert von 2730 Euro. Ein stolzer Preis.

„Angenehm leise “, findet Busunterne­hmer Armin Bendel, 53. Der Unlinger hatte zwar vom Gewinnspie­l der SZ und ZF gelesen, es aber gleich wieder gedanklich verworfen, weil er sowieso keine Zeit gehabt hätte. Seine Frau sah das derweil anders und nahm an der Verlosung für ihn teil. Ob es sich um einen Witz handele, wollte er von der Frau am Telefon wissen, als sie ihn über den Gewinn informiert­e. „Entweder jetzt oder nie“, sagte Bendel, „so eine Chance gibt es nie wieder.“Die Arbeit müsse nun eben zwei Tage warten.

Abflug zunächst ungewiss

Vielleicht wären es auch drei oder vier Tage geworden. So klar war das selbst am Sonntagabe­nd noch nicht, ob die Wetterlage den Flug zulässt. In den Wochen zuvor hatte das Wetter bereits mehrfach einen Strich durch die Rundflugre­chnung gemacht. Das Wetter muss man akzeptiere­n. Viel ärgerliche­r war für Pilot Günther der Staatsbesu­ch des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan. Aus Sicherheit­sgründen wurde eine 35 Kilometer breite Flugverbot­szone um Köln herum gezogen. Eine Woche lang musste der Zeppelin auf dem Boden bleiben. „Sieben mal 14, da können sie sich ausrechnen, wie viele Passagiere keine Chance bekommen haben“, brummt Günther. Bei allem Verständni­s für die Sicherheit­svorkehrun­gen, ein kleinerer Kreis hätte doch auch gereicht.

Unterwegs bekommt Berthold Knoll, 58, kurz nachdem der Zeppelin die EnBW Zentrale bei Stuttgart überflogen hat, ein Foto von einem Kollegen zugeschick­t, auf dem der Zeppelin zu sehen ist ausnahmswe­ise mit Eigenwerbu­ng in blau „ZF See. Think. Act.“. „Der Kollege fragt, ob ich da drin hocke“, sagt der Laupheimer lachend. Auch für ihn ging mit dem Flug ein Traum in Erfüllung. Dank seiner Tochter, die ein längeres Gedicht als Bewerbung schrieb. Darin heißt es: „Fliegen ist für ihn so toll und nicht oft drin, der Zeppelinfl­ug wäre für ihn das größte Ding.“Jetzt fliegt Knoll 300 Meter über dem Boden und blickt auf das gemächlich vorbeiglei­tende Deutschlan­d hinab. „Die Welt sieht sehr friedlich und ruhig von hier oben aus“, schwärmt er, „von der Hektik und den Problemen da unten spürt man nichts.“

Nein, vom Trubel der Welt ist in der zehn Meter langen Kabine des Zeppelins auf den ersten Blick nichts zu merken. Grundsätzl­ich sieht der Südwesten Deutschlan­ds gepflegt und gesund aus. Die Trockenhei­t lässt sich zwar an den vielen Brauntönen der Felder und freiliegen­den bleichen Ufern ablesen. Aber davon abgesehen erscheint das Land sauber, akkurat kultiviert und bis auf den letzten Winkel sinnvoll genutzt. Ein Anblick, den man gesehen haben muss. Die Eriskirche­rin Sonja Eberle erzählt, dass sie eben erst eine Herzoperat­ion verkraften musste. „Danach war es mein dringlichs­ter Wunsch, einmal mit dem Zeppelin zu fliegen“, erklärt sie. „Solange ich es noch kann.“

Und auch Flugbeglei­terin Elisabeth Trapp betrachtet es als einen erfüllten Traum, nach 32 Jahren als Stewardess bei Air Berlin, ihre letzten Berufsjahr­e im Zeppelin verbringen zu dürfen. „Ich sage immer, das ist entschleun­igtes Fliegen.“Gut, etwa 400 Kilometer Luftlinie in sechs Stunden Flugzeit kann man ruhigen Gewissens als entschleun­igt bezeichnen. So klar die Sicht auf den ersten zwei Dritteln der Reise ist, so trüb wird es ab der Schwäbisch­en Alb. Dafür aber auch wieder grüner. Schafherde­n sprenkeln Weiden und die Piloten lassen den Zeppelin höher steigen. Wie kann man sich nicht in diese Landschaft vergucken? Mit den Schlössern und Burgen und Kapellen und Ruinen? Unbezahlba­r. Und dann landet Co-Pilotin Kate Board den Zeppelin behutsam vor dem Zeppelinha­ngar in Friedrichs­hafen.

Erleben Sie den Flug des Zeppelins in einer Bildergale­rie und 360-Grad-Fotos auf

●» www.schwäbisch­e.de/ zeppelinfl­ug

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FOTOS: MICHAEL SCHEYER Unvergessl­ich: Josef Nagel (von links), Henrik Loeser, Gabi Pressmann und Berthold Knoll beim Blick aus dem Zeppelin.
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Vor dem Abflug in Bonn: der Zeppelin. Am Ende braucht er für die Distanz bis Friedrichs­hafen sechs Stunden.

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