Populismus immer populärer
Neue Studie hält fast jeden dritten Wähler für anfällig
GÜTERSLOH (AFP) - Die deutschen Wähler sind einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge vermehrt populistisch eingestellt. Mit 30,4 Prozent sei knapp jeder dritte Wahlberechtigte derart zu verorten, wie die Stiftung am Montag unter Berufung auf zwei von Infratest dimap erstellte Umfragen für ihr „Populismusbarometer 2018“erklärte. Gegenüber 2017 sei das ein Plus von 1,2 Prozentpunkten. Der Anteil der unpopulistischen Wähler habe sich um 4,1 Prozentpunkte auf 32,8 Prozent reduziert, die Gruppe der nicht klar zuzuordnenden Bürger um drei Prozentpunkte auf 36,8 Prozent vergrößert.
„Umfang und Intensität populistischer Einstellungen haben sich vor allem in der politischen Mitte signifikant verschärft. Parteipolitisch profitieren davon die politischen Ränder“, sagte Robert Vehrkamp, Demokratieexperte und Mitautor der Studie. Das zeige vor allem der Erfolg der AfD.
BERLIN - Sie halten die Eliten für korrupt, den Pluralismus für überflüssig: Immer mehr Menschen in Deutschland sind populistisch eingestellt, vor allem in der Mitte. Am meisten profitiert davon die AfD. . Wie erklärt sich der Trend? Petra Sorge beantwortet die wichtigsten Fragen zum Populismus-Barometer 2018:
Wie populistisch sind die Deutschen?
Das Klima wird schleichend populistischer: Knapp jeder dritte Wahlberechtigte (30,4 Prozent) hat entsprechende Einstellungen, zeigt die Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Im Wahljahr 2017 galt das noch für 29,2 Prozent der Befragten. „Umfang und Intensität populistischer Einstellungen haben sich vor allem in der politischen Mitte signifikant verschärft“, sagte Studienautor Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung. So ist etwa jeder achte Wahlberechtigte (12,7 Prozent) populistisch eingestellt und verortet sich selbst in der politischen Mitte. Für die Studie hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap im Mai und August rund 3400 Wahlberechtigte befragt.
Was bedeutet Populismus überhaupt?
Populismus ist die „zentrale Herausforderung für die Zukunft der liberalen Demokratien“geworden, heißt es in der Studie. Definiert ist er als Idee einer Demokratie, in der es eine homogene Gesellschaft und einen allgemeinen Volkswillen gebe. Populisten unterscheiden etwa zwischen dem „wahren Volk“und den „korrupten Eliten“, halten politische Kompromisse schnell für „Verrat“. Die Wissenschaftler haben drei Dimensionen definiert: „Anti-Establishment“, „Pro-Volkssouveränität“und „Anti-Pluralismus“. Nur, wenn bei den Befragten alle drei Einstellungen zusammenkommen, sprechen die Forscher von einem populistischen Demokratie- und Politikverständnis.
Was heißt das für die Parteien?
Vom Aufwind des Populismus profitiert am stärksten die Alternative für Deutschland. „Rechte wählen AfD, weil sie rechts ist. Wähler der Mitte wählen AfD, weil sie populistisch ist“, erklärt der WZB-Demokratieforscher Wolfgang Merkel. Auf der Populismus-Skala – von null (unpopulistisch) bis acht (populistisch) – landet die Partei bei einem hohen Wert von 6,49. Als besonders problematisch erweist sich der Trend für die Union: Sie befindet sich in einer Zangenbewegung zwischen den bürgerlichen Grünen und der rechtspopulistischen AfD. Durch mehr Populismus würden CDU/CSU aber ihren Markenkern aufgeben und noch mehr Wähler verlieren, warnen die Autoren. Abgeschwächt gilt das auch für die FDP. Bei der SPD gibt es deutlich weniger Populisten, am allerwenigsten bei den Grünen.
Wie kann der Trend noch gestoppt werden?
Trotz der hohen Populismus-Werte für die AfD stößt die Partei bei der Wählerrekrutierung irgendwann an Grenzen. Denn 71 Prozent der Deutschen würden die AfD „auf keinen Fall“wählen. Laut der Studie gibt es für die etablierten Parteien sogar Chancen, die Enttäuschten zurückzuholen. Dafür sind zwei Themen zentral. Dies ist erstens der Ruf nach „mehr Europa“: Parteien oder Kandidaten, die eine verstärkte Zusammenarbeit in der EU fordern, können ihre Zustimmungswerte um durchschnittlich 18 Prozent erhöhen – selbst bei Populisten gäbe es da noch ein Plus von sechs Prozent. Zweitens hilft laut der Studie auch die Forderung nach „mehr sozialem Wohnungsbau“: Dadurch erhöht sich die Zustimmung bei beiden Gruppen – Populisten wie Nicht-Populisten – gleichermaßen um 15 Prozent.