Provokante Parolen und bunte Banner
Drei Kundgebungen mit etwa 900 Teilnehmern begleiten den Merkel-Besuch in Ottobeuren
OTTOBEUREN (hkm/raf) - Die beiden Ehepaare aus Lüttich machen gerade Urlaub in Bayern. An diesem Sonntagvormittag sind sie nach Ottobeuren gekommen, um die Basilika zu besichtigen. Doch dann gibt es für die Belgier in der Unterallgäuer Gemeinde noch viel mehr zu sehen. 15 Polizeifahrzeuge stehen auf und neben dem Marktplatz, auf Transparenten stehen Sätze wie „Rechtsruck stoppen“, Schaulustige verfolgen das Geschehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht heute Ottobeuren und gleichzeitig finden drei Kundgebungen statt? „Das wussten wir gar nicht“, sagen die Belgier.
Andere haben sich wochenlang auf diesen Tag vorbereitet. Nachdem bekannt wurde, dass Merkel und Ministerpräsident Markus Söder bei einem Europa-Symposium in der Ottobeurer Abtei sprechen und dann ein Konzert in der Basilika besuchen, meldete der AfD-Kreisverband Unterallgäu/Memmingen eine Kundgebung an. Das blieb nicht ohne Reaktionen: Die Kampagne „Keine Stimme für Rassismus“und Ottobeurer Bürger stellten Gegendemos auf die Beine. Thomas Schropp ist einer der Organisatoren der Kundgebung „Ottobeuren ist und bleibt bunt und menschlich“. „Wir dürfen den Marktplatz nicht einer Partei mit sehr zweifelhaften Ansichten überlassen“, sagt er vor Beginn der Demonstration. In Ottobeuren seien Gäste aus aller Welt willkommen, so erzählt er von Touristen aus Australien und England.
„Herz statt Hetze“
Inzwischen haben die Kundgebungen begonnen, die Ottobeurer bekommen Unterstützung von vielen auswärtigen Demonstranten. Unter ihnen ist Hartmut Betz aus Egg (Unterallgäu). Er hat ein Herz aus Pappe dabei, auf dem mit weißer Farbe geschrieben steht: „Herz statt Hetze“. „Ich bin gegen Rechtsextremismus und für Frieden und Freiheit“, sagt der 68-Jährige. Er sei in Ottobeuren, „um Frau Merkel den Rücken zu stärken“.
Keine 100 Meter weiter werden ganz andere Töne angeschlagen. Bei der AfD-Kundgebung hallen „Merkel muss weg“-Rufe über den Marktplatz. Der Memminger AfD-Direktkandidat Christoph Maier prangert „Masseneinwanderung“und „staatliche Handlungsunfähigkeit“an. Mit Blick auf die Demonstranten bei „Ottobeuren ist bunt“spricht er von „wohlstandssaturiertem Publikum“und „selbstherrlichen Gutmenschen“. Wie unter einem Brennglas spiegelt Ottobeuren an diesem Tag die gesellschaftliche Spaltung in Deutschland wider.
„Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“, wird am anderen Ende des Marktplatzes gerufen. „Keine Stimme für Rassismus“, lautet das Motto der dritten Kundgebung in der Ortsmitte. Auch hier wird Kritik an politischen Entscheidungen laut, allerdings aus ganz anderem Grund als bei der AfD. Es geht um eine stärkere Solidarität mit Flüchtlingen und gegen deren „Internierung, Abschottung und Kriminalisierung“. Unter den Demonstranten ist auch Hans-Martin Steiger (SPD), Dritter Bürgermeister in Memmingen. „Ich will ein Zeichen setzen gegen die zunehmende Radikalisierung, die durch die AfD um sich greift“, sagt er. Bei der Demo der Ottobeurer Bürger steigen derweil 99 bunte Luftballons auf – als Zeichen für den Frieden.
Bei allen inhaltlichen Gegensätzen, es gibt keine Zwischenfälle bei den Kundgebungen. Dies gilt laut Polizei nicht nur für die drei Demonstrationen mit insgesamt etwa 900 Teilnehmern, sondern auch für die gut 400 Beobachter, die sich spontan auf der Anhöhe vor der Basilika versammelt haben. Die Polizei, die laut Präsidiumschef Werner Strößner mehr als 260 Beamte einsetzt und die Lage mit einem Helikopter überwacht, spricht von einem „ruhigen, friedlichen Verlauf“. Das mit Landratsamt und Gemeinde erarbeitete Sicherheits- und Verkehrskonzept habe „reibungslos funktioniert“.