Tanzend zum weichen Brexit
it einer selbstbewussten Rede hat Premierministerin Theresa May am Mittwoch ihren Führungsanspruch bekräftigt. Auf dem Jahrestreffen der britischen Konservativen in Birmingham beschwor die Vorsitzende die Einheit des Landes und appellierte an ihre europa-skeptische Partei, ihren Plan für den EU-Austritt zu unterstützen: „Wenn wir alle auf unterschiedliche Weise nach der perfekten Lösung suchen, riskieren wir, daß wir am Ende gar keinen Brexit haben.“
Der Streit um Mays sogenannten Chequers-Plan hat den viertägigen Parteitag dominiert. Dieser sieht eine vergleichsweise weiche Variante des EU-Austritts Ende März vor: Großbritannien solle einen engen Assoziationsstatus mit dem Brüsseler Club bekommen, im Binnenmarkt für Güter ganz und für Dienstleistungen teilweise verharren. Die Mehrheit der Delegierten dürfte sich einen härteren Brexit samt Austritt aus Binnenmarkt und Zollunion oder sogar den Chaos-Brexit ohne jede Austrittsvereinbarung wünschen. Umjubelt forderte Mays Rivale Boris Johnson am Dienstag vor mehr als 1000 Zuhörern: „Chuck Chequers!“– werft Mays Plan auf den Müll.
May als „Dancing Queen“
Tags darauf flogen ihr die Herzen der Delegierten gleich zu Anfang zu: Die stets etwas hölzern wirkende 62-Jährige kam zu den Klängen des AbbaHits „Dancing Queen“auf die Bühne und deutete einige der Tanzschritte an, mit denen sie kürzlich in Südafrika beeindruckt hatte. Zudem spielte May auf die Pannen bei ihrer Parteitagsrede vor Jahresfrist an. Taktisch geschickt vermied die Regierungschefin in ihrer gut einstündigen Ansprache das Reizwort Chequers. Ihrer Haltung aber blieb sie treu: Alle anderen Ideen für den EU-Austritt würden entweder dem Problem der inneririschen Grenze nicht gerecht oder stellten eine Mißachtung des knappen Referendumsergebnisses (52:48) dar. Ohne die Namen Johnsons oder der anderen Brexit-Galionsfigur Jacob Rees-Mogg zu nennen, distanzierte sich May von deren ideologischen Reinheitsgeboten. „Wenn wir erst in 50 Jahren besser dran sind, nützt das den Leuten heute wenig“, sagte May. Hinter den Kulissen arbeitet ihr Team an einer Fortentwicklung ihres Chequers-Papiers („Chequers 2.0“) für den EU-Gipfel in vierzehn Tagen. Intensiv pflegten zudem Minister und Beamte den Austausch mit internationalen Besuchern, nicht zuletzt um Kommunikationspannen wie zuletzt beim Salzburger EU-Treffen zu vermeiden.
So nahm sich Mays Vize David Lidington 40 Minuten Zeit für ein Treffen mit Detlef Seif, dem Brexit-Obmann der CDU-Fraktion im Bundestag. Angesichts der Detailprobleme und zunehmender Zeitnot stecke keiner seiner Gesprächspartner „den Kopf in den Sand“, sagte Seif der „Schwäbischen Zeitung“. Das Chequers-Papier sei zwar verbesserungsbedürftig, stelle aber eine gute Verhandlungsbasis dar. Anderslautende Einlassungen aus Brüssel und Paris wollte Seif ebenso wenig bewerten wie Aussenminister Jeremy Hunts Vergleich der EU mit der früheren Sowjetunion. Aus deutscher Sicht gelte: „Wir sollten die Kirche im Dorf lassen.“