Vom ungebrochenen Willen zur Verdrängung
„Waldheims Walzer“rekonstruiert die Affäre um den österreichischen Politiker
er Dokumentarfilm „Waldheims Walzer“rekonstruiert die Affäre um den österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim und seine Rolle im NS-Regime. Aus Sicht Waldheims war es die größte Verleumdungskampagne, die Österreich nach dem Krieg erlebt hat. Für einen anderen Teil der Öffentlichkeit bewirkte die Causa Waldheim den längst fälligen Bruch mit dem Mythos, dass Österreich das erste Opfer des Nationalsozialismus gewesen sei.
Ruth Beckermann, Tochter von Holocaust-Überlebenden, rekonstruiert die Affäre entlang von Archivaufnahmen, ORF-Material und Ausschnitten ausländischer Sender, die überwiegend von 1986 stammen. Ergänzt wird dies mit Filmbildern, die Beckermann als junge Aktivistin drehte, als sie das Geschehen aufseiten der Kritiker dokumentierte, sich aber auch ins demonstrierende Lager der Waldheim-Anhänger begab.
Der frühere Wehrmachtoffizier Waldheim kommt in Fernsehinterviews ausführlich zu Wort. Er betont unablässig, dass er sich nicht mehr erinnern könne, und lächelt beinahe mitleiderregend. Seine Antworten umschiffen den Kern der Fragen; er weicht aus, relativiert oder schlüpft in die Rolle des aggressiv Trauernden, wenn ihm die Argumente ausgehen. Man sieht Waldheim als UN-Generalsekretär bei Besuchen in Israel und Auschwitz, sieht ihn die Hände von Jassir Arafat und Saddam Hussein schütteln, Blaskapellen anfeuern und von christlichen Werten reden.
Man hört aber auch die entsetzten Stimmen von Holocaust-Überlebenden, die eine andere Version der Geschichte erlebt haben. Obwohl österreichischer Bundespräsident, erlebte Waldheim nach den Enthüllungen eine beispiellose internationale Ächtung. 1987 kam er als potenzieller Kriegsverbrecher auf die „Watchlist“der USA. Trotzdem blieb er bis 1992 im Amt. Immer wieder wundert sich die aus dem Off den Bilderreigen kommentierende Regisseurin, warum Waldheims auffällig lückenhafte Biografie nicht schon vor dem Präsidentschaftswahlkampf durchleuchtet wurde. Und tatsächlich wundert sich der Zuschauer mit ihr.
Der Filmessay ist eine glänzende Lehrstunde politischer Verantwortungsabwehr, die jede Schuld von sich weist, selbst wenn die jedermann zugänglichen Beweise noch so zwingend sind. Der Wille zur Verdrängung ist beinahe körperlich spürbar; nie zeigt Waldheims Gesicht irgendeinen Anflug von Zweifel. Diese Abwesenheit von Selbstkritik hält die Wunde offen, an der sich Beckermann in nach rechts rückenden Zeiten abarbeitet. (KNA)