350 Demonstranten markieren „rote Linie“
Bei Kundgebung gegen die AfD in Lindenberg fordern Westallgäuer eine bunte und tolerante Gesellschaft
LINDENBERG - Und wieder sind die Gegner in der Überzahl gewesen: Während am Montagabend im Lindenberger Löwensaal der AfD-Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio vor gut 200 Interessierten sprach, protestierten auf dem Stadtplatz 350 Westallgäuer gegen seine Partei und das von ihr verbreitete Gedankengut. Sie folgten dem Aufruf von SPD und Grünen, die unter dem Motto „Das Allgäu ist bunt“kurzfristig eine Kundgebung gegen die AfDWahlveranstaltung organisiert hatten. Es war das zweite Mal, dass die rechte Partei in Lindenberg die Menschen auf die Straße brachte. Beim Besuch der damaligen Vorsitzenden Frauke Petry zogen im Juni 2016 gut 600 Demonstranten durch die Stadt.
Verglichen mit dieser ersten großen Demonstration in Lindenberg bleibt der Protest am Montag recht ruhig. Die Polizei schirmt den Zugang des Löwensaals ab, um den Veranstaltungsbesuchern einen Gang durch ein lautstarkes Spalier zu ersparen. Die Redner am Stadtplatz verzichten weitgehend auf einen aggressiven Tonfall – ihre Besorgnis und Empörung über die fremdenfeindliche Haltung der AfD drücken sie indes unmissverständlich aus.
„Neonazis sind inzwischen die Strippenzieher in dieser Partei“, sagt der Hauptredner der Veranstaltung, der grüne Landtagsabgeordnete Thomas Gehring. „Es kann nicht sein, dass rechte Hetze wieder salonfähig ist. Und der Herr dort drin hat die schlimmste Hetzrede gehalten, die der Bundestag je erlebt hat“, ergänzt er in Anspielung auf Gottfried Curio. Für Gehring zeigt sich an der Flüchtlingsfrage, „ob wir eine menschliche Gesellschaft sind“. Er erinnert an den ersten Artikel des Grundgesetzes, der die Würde jedes Menschen garantiert. Und SPD-Landtagskandidat Michael Maffenbeier betont, es gelte, den Gegnern von Demokratie und Freiheit Grenzen aufzuzeigen. „Wir müssen klar machen: Hier ist die rote Linie. Unsere Freiheit nehmt ihr uns nicht“, sagt der 32-Jährige.
Von Jugendlichen bis zu Senioren
Die Altersspanne der Kundgebungsteilnehmer ist groß. Von Jugendlichen bis zu Senioren haben sich am Stadtplatz eingefunden. Spontan treten Vertreter der Kirchen ans Rednerpult. Der katholische Diakon Wolfgang Dirscherl, der mit einer Gruppe Pfadfinder da ist, empört sich über den AfD-Slogan „Christliches Abendland gegen die Islamisierung“. In seinen Augen ist er absurd. „Man kann nicht für das christliche Abendland einstehen und gleichzeitig sagen, der Islam ist nicht zugelassen“, betont er und verweist auf ein Zitat Jesu: „Wer einen Menschen aufnimmt, der nimmt mich auf.“Dirscherls Appell zur Landtagswahl: „Setzt euer Kreuz christlich. Alle Parteien sind christlicher als diejenige, die vorgibt, sich für ein christliches Abendland einzusetzen.“Eine Metapher führt Pfarrer Martin Strauß von der evangelischen Kirchengemeinde an: „Der Schöpfer hat sich ausgedacht, dass die Reben vielfältig und bunt sind“, sagt er und fordert die Versammelten auf, sich überall für diese Buntheit stark zu machen.
Lindenbergs Bürgermeister Eric Ballerstedt, der vor zwei Jahren darauf verzichtete, bei der Demonstration gegen Frauke Petry zu sprechen (er feierte an diesem Tag den Polterabend), begrüßt die Menschen jetzt vor seinem Rathaus. „Der frostige Empfang gilt nicht Euch“, sagt er in Anspielung auf das nasskalte Wetter. Was er von der AfD hält, ist seiner knappen Analyse der Lage Deutschlands zu entnehmen, die er mit der Feststellung schließt: „Es geht uns so gut wie noch nie – und dafür kann die AfD überhaupt nichts.“
Wie sich die Demonstranten Deutschland und das Allgäu wünschen, drücken sie auf Tafeln aus. „Menschenrecht statt rechte Menschen“, steht da, „Vielfalt statt Einfalt“und „Das Allgäu ist bunt – braun sind hier nur die Kühe“. Als sich die Kundgebung am Stadtplatz nach einer Stunde auflöst, zieht eine Gruppe überwiegend junger Demonstranten Richtung Löwen.
Bei der Löwenstraße hält die Polizei sie auf. Damit die Menschen nicht auf der Hauptstraße stehen bleiben, rücken die Beamten dann doch einige Meter zurück. „Können wir Musik machen“, fragt ein junger Mann einen Polizisten. „Wenn sie nicht indiziert ist“, antwortet der. „Wollt ihr Jimi Hendrix?“, ruft der junge Mann in die Menge. Von der Rockmusik, mit der die Gruppe ihren ausdauernden Protest auflockert, hören die AfDAnhänger im Löwen wohl nichts.
40 Polizisten sorgen laut Einsatzleiter Christian Wucher am Montagabend dafür, dass beide Veranstaltungen über die Bühne gehen können.
„Es geht uns so gut wie noch nie – und dafür kann die AfD überhaupt nichts.“Lindenbergs Bürgermeister Eric Ballerstedt