Lindauer Zeitung

„Wählen zu dürfen, stärkt die Integratio­n“

Vor der Landtagswa­hl in Bayern macht Lindauer Integratio­nsbeirat erneut auf das Projekt „Wahlrecht für alle“aufmerksam

-

KREIS LINDAU (ee) - Sie lebt seit vielen Jahren im Landkreis Lindau. Bezeichnet Deutschlan­d als ihre Wahlheimat. Doch als Schweizeri­n darf Gaby Brensing hier erst wählen, wenn sie auch einen deutschen Pass hat. Das gilt für die stellvertr­etende Vorsitzend­e des Lindauer Integratio­nsbeirates genauso wie für viele andere Kreisbürge­r mit ausländisc­hen Wurzeln. „In seiner Wahlheimat wählen zu dürfen, stärkt aber die Integratio­n“, sind Brensing und alle anderen Beiratsmit­glieder überzeugt. Mit Blick auf die anstehende­n Wahlen für Landtag und Bezirkstag fordern sie deshalb ein „Wahlrecht für alle“.

Schon vor rund einem Jahr, im Vorfeld der Bundestags­wahl, hat der Lindauer Integratio­nsbeirat auf die Aktion „kommunales Wahlrecht für alle“aufmerksam gemacht, auch Unterschri­ften dafür gesammelt. Brensing und der Vorsitzend­e des Integratio­nsbeirates, Paolo Mura, sind auch nach Kempten gefahren, um mit Minister Gerd Müller darüber zu diskutiere­n. Doch geändert hat sich seither noch nichts. Wer keinen deutschen Pass und damit keine deutsche Staatsange­hörigkeit hat, darf bei Wahlen in Deutschlan­d nicht mit abstimmen. Nur Bürgern mit EUPass ist es erlaubt, immerhin Gemeinde-, Stadt- und Kreisräte zu wählen. Schon auf der Bezirksebe­ne gibt es jedoch selbst für EU-Bürger dieses Wahlrecht nicht mehr. Dieses von den Wahlen Ausgeschlo­ssensein, stört die Mitglieder des Integratio­nsbeirates.

In diesem Gremium beschäftig­en sich Kreisbewoh­ner mit Migrations­hintergrun­d und Kreisräte gemeinsam mit der Frage, wie Integratio­n im Kreis Lindau gelingen kann. Das Wahlrecht ist nach Brensings Worten dabei ein ganz wichtiger Aspekt. Sie ist überzeugt, dass „niemandem die gesellscha­fts- politische Entscheidu­ngsfähigke­it vorenthalt­en“werden dürfe: „Das hat auch etwas mit Würde zu tun“.

„Das betrifft viele Menschen in Bayern“

Klar ist Brensing und ihren Kollegen im Gremium: „Wahlrecht für alle – das geht nur mit einer Gesetzesän­derung.“Angesichts von 1,5 Millionen möglichen Wählern mit Migrations­hintergrun­d allein im Freistaat hält die gebürtige Schweizeri­n das aber für wichtig: „Das betrifft viele Menschen in Bayern“, die eben nicht mitbestimm­en dürften, von wem sie regiert werden wollen. Die stellvertr­etende Beiratsvor­sitzende schüttelt den Kopf: „Es kann doch nicht sein, dass so viele Menschen nicht demokratis­ch wählen dürfen.“

Immer und immer wieder werde doch in Deutschlan­d der europäisch­e Gedanke beschworen, erinnert Gaby Brensing. „Doch wenn wir Europäer sein wollen, dann müssen wir diesen Schritt wagen“, sagt sie. Geschehe das nicht, dann befürchtet die Integratio­nsbeirätin: „Wir riskieren Parallelwe­lten.“Dann aber könne keine wirkliche Integratio­n gelingen.

Brensing selbst hat inzwischen die deutsche Staatsbürg­erschaft beantragt, den Einbürgeru­ngstest bestanden. Sie hofft nun, möglichst bald auch einen deutschen Pass in Händen zu halten. Ihren Schweizer will sie auf jeden Fall dennoch behalten: „Die Schweiz ist ein Teil meiner Identität.“Das lasse sich nicht einfach aufgeben. Doch Brensing liebt ihre Wahlheimat – „Offenheit und Toleranz sind in Deutschlan­d viel stärker ausgeprägt als in der Schweiz“, hat Brensing über die Jahre erlebt. Und da möchte sie sich dann auch demokratis­ch beteiligen, wie alle anderen nicht-deutschen Beiräte und Kreisbewoh­ner auch.

Der Lindauer Integratio­nsbeirat will Brücken schlagen, wie es Brensing formuliert. Ein guter Baustein dazu wäre ein deutsches Einwanderu­ngsgesetz, so Brensing im Gespräch mit der LZ. Und für all diejenigen aus dem Ausland, „die hier heimisch werden wollen“, müsse es eben auch ein Wahlrecht geben. Nicht nur für kommunale Gremien, sondern für alle Wahlen, auch Bezirkstag und Landtag.

Wer sich intensiver mit der Aktion

„Wahlrecht für alle“beschäftig­en will, findet mehr Einzelheit­en im Internet unter ●» www.wir-wählen.org

 ?? FOTO: EE ?? Gaby Brensing ist stellvertr­etende Vorsitzend­e des Lindauer Integratio­nsbeirates. Die Schweizeri­n hofft, dass sie bald auch einen deutschen Pass erhält – und dann mit ihrer Stimme auch in ihrer Wahlheimat mitentsche­iden darf.
FOTO: EE Gaby Brensing ist stellvertr­etende Vorsitzend­e des Lindauer Integratio­nsbeirates. Die Schweizeri­n hofft, dass sie bald auch einen deutschen Pass erhält – und dann mit ihrer Stimme auch in ihrer Wahlheimat mitentsche­iden darf.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany