Der tägliche Verkehrswahnsinn
Zum Bericht „Autofahrer sind die schlechteren Kunden“, LZ vom 25. September, und zum Leserbrief „Autofreie Insel ist nicht umsetzbar“vom 27. September:
Wer erinnert sich noch daran, dass es bis 1959 die aufgestellten Parkuhren durch die „Hauptstraße“gab, welche 1979 in „Maximilianstraße“umgetauft wurde? Und es war keine Seltenheit, dass Reisebusse durchfuhren, und mit Handzeichen während der Fahrt wurden dann den Fahrgästen beidseitig im Bus die Sehenswürdigkeiten gezeigt. Eine Verkehrszählung am 4. Juli 1954 erbrachte, dass zwischen 9 und 17 Uhr damals schon 6000 Motorfahrzeuge einfuhren. 1955 wurde sogar ein teilweises Fahrverbot auf der Insel ausgesprochen. 1965 ergab eine Verkehrszählung, dass es auf der Insel 1350 Autoparkplätze gab, aber täglich 15 000 Fahrzeuge auf die Insel fuhren. Deshalb wurde 1967 mit der Aufschüttung von einer Fläche von circa vier Hektar auf der Hinteren Insel begonnen für Auffangparkplätze. Es gibt zwischenzeitlich neue Parkplätze bei der Spielbank, auf der Schanze und im Schanzeninneren. Und es gibt das neue Parkhaus.
Wer den täglichen Wahnsinn erlebt, wie sich der Verkehr quält, um auf die oder von der Insel zu kommen, kann es doch nur gutheißen, wenn auf dem Festland – und zwar weiter weg – Auffangparkplätze geschaffen werden mit Bus-Cityverbindung auf die Insel. Die Besucher der Stadt kommen doch nur angereist bis von weit her, um das mittelalterliche Flair der Insel zu erleben und um in Ruhe bummeln und einkaufen zu gehen.
Bereits zu den Stadtratswahlen 1996 hat es sich eine Partei auf die Fahne geschrieben, den Blechrosenkranz um die Kirchen auf der Insel zu entfernen. Bis heute kann man für einen freien Parkplatz dort beten. Und als der IHK-Präsident aus Ravensburg ein Referat in der IHK Lin- dau hielt, als es noch die Räume oberhalb vom Gasthof Sünfzen dafür gab, sagte er: „Solange sich Lindau ihrer Attraktivität und Lage nicht bewusst ist, räubern wir gnadenlos.“Die Metropolen in Schwaben und Allgäu plakatieren in Lindau auf Litfaßsäulen, als „Einkaufsparadies“, aber ich habe noch keine Plakate von Lindau in den genannten Städten gesehen.
Und es genügt auch nicht, wie einmal für eine Saison, dass die Geschäftsleute auf der Insel den roten Teppich vor ihrem Geschäft ausrollen, um zu zeigen, dass der Kunde König ist. Es gilt auch hinter dem Ladentisch, ihm das Gefühl zu geben, dass es so sei. Himmel noch mal, verkauft doch die Lage und den See mit, die Ausflugsmöglichkeit mit Tretboot und Schiff, das Flair am Seehafen, die Einmaligkeit der Insel mit ihren Gässchen und historischen Häusern.
Inge Graf, Lindau