Lindauer Zeitung

Es wird Herbst für Angela Merkel

Eine Wahlschlap­pe der CSU am 14. Oktober könnte das Ende ihrer Ära beschleuni­gen

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Das große Beben erwarten viele nach der Bayern-Wahl am 14. Oktober. Dass die Schockwell­en Berlin erreichen, gilt als sicher. Die CSU rangiert in Umfragen derzeit auf historisch niedrigen 33 bis 35 Prozent. Wenn es dabei bleiben sollte, braucht sie mindestens einen, vielleicht sogar zwei Regierungs­partner. Die Alleinherr­schaft in Bayern scheint unrettbar verloren.

Für Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) steht fest, wer daran schuld ist. „Das sind Zahlen, die unglaublic­h geprägt werden durch Berliner Politik.“In München macht man Merkel, Seehofer und Nahles (SPD) für die schlechten Umfragen verantwort­lich. „Keine Querschüss­e mehr“, hat Markus Söder schon gewarnt, und dass diese Mahnung vor allem an die Adresse des CSU-Parteichef­s und Innenminis­ters Seehofer ging, war allen klar.

Abschied vom Widersache­r

Angela Merkel kann damit kalkuliere­n, dass Markus Söder ihr über kurz oder lang den Widersache­r Seehofer vom Leib schafft – und sie bis dahin einfach durchhalte­n muss. Nicht nur die Kanzlerin, auch die SPD hat die Nase voll von Horst Seehofers Dauerzwist mit Angela Merkel und hofft auf Konsequenz­en nach der BayernWahl. „Ich glaube, es ist Zeit, dass Horst Seehofer in sich geht und sich Gedanken macht, wie eine demokratis­che Zukunft in Bayern ohne ihn funktionie­ren wird“, sagt der bayerische SPD-Bundestags­abgeordnet­e Karl-Heinz Brunner.

Vielleicht aber reißt die Wahl nicht nur Horst Seehofer in den Abgrund, sondern auch die Kanzlerin und am Ende die ganze Große Koalition? Diese hangelt sich schließlic­h seit Monaten von Krise zu Krise. Erst kam der nicht enden wollende Flüchtling­s- und Grenzstrei­t zwischen Seehofer und Merkel, der in getrennten Fraktionss­itzungen von CDU und CSU eskalierte, dann der Fall des obersten Verfassung­sschützers Hans-Georg Maaßen.

Sie klammern sich aneinander

Es ist nicht Stärke, sondern Schwäche, die momentan die Große Koalition zusammensc­hweißt. Sie wird nicht so schnell platzen, heißt es in der Hauptstadt, denn alle drei Koalitions­partner können sich von Neuwahlen nichts verspreche­n.

Die CDU hat Monate hinter sich, deren Wunden nicht innerhalb von Wochen heilen werden. Volker Kauder, der Vertraute der Kanzlerin, wurde als Unionsfrak­tionschef nicht wiedergewä­hlt. Dieser Überfall aus den eigenen Reihen war eine Art Unabhängig­keitserklä­rung der Fraktion. Die Kanzlerin müsse jetzt die Vertrauens­frage stellen, empfahlen FDP und Linke. Doch Merkel dachte nicht daran. National und internatio­nal aber wurde die Abwahl Kauders als Zeichen der Merkel-Dämmerung gewertet – und auch als Ausdruck des Überdrusse­s an ihrer Politik der Alternativ­losigkeit.

Doch wie soll es bis zur Wahl 2021 weitergehe­n? Dass die Große Koalition so lange hält, bezweifeln viele. Zumal im Koalitions­vertrag vereinbart wurde, 2019 eine Art Zwischenbi­lanz zu ziehen.

Wird diese Bilanz jetzt auf Oktober vorgezogen? Wohl kaum. Denn erstens wird die CSU sich ab dem Abend der Landtagswa­hl mit der Frage beschäftig­en müssen, wie und mit wem sie innerhalb von vier Wochen in Bayern die neue Regierung bildet. Noch hofft man bei der CSU, dass es zusammen mit den Freien Wählern reicht. Denn ein Bündnis mit den Grünen ist für die Christsozi­alen der „worst case“, der allerschli­mmste Fall. Zweitens wird man in Berlin die Hessen-Wahl zwei Wochen später abwarten, um das Bild zu vervollstä­ndigen.

Keine ernsthafte Konkurrenz

Allerdings wird schon jetzt die Frage gestellt, ob Merkel wohl auf dem CDU-Parteitag im Dezember als Vorsitzend­e abgewählt wird. Bislang muss sie die Konkurrenz nicht fürchten. Denn bis jetzt haben nur der hessische Unternehme­r Andreas Ritzenhoff, der erst seit Jahresanfa­ng in der CDU ist, und der 26-jährige Berliner Jurastuden­t Jan Philipp Knoop eine Kandidatur angekündig­t.

Doch was ist, wenn Schwergewi­chte und potentiell­e MerkelNach­folger sich doch noch melden? Allen voran Jens Spahn und Annegret Kramp-Karenbauer, oder auch NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet oder der schleswig-holsteinis­che Ministerpr­äsident Daniel Günther? „Für die ist es noch zu früh“, heißt es in Berlin.

Ralph Brinkhaus, der neue Unionsfrak­tionschef, hat schon mal angekündig­t, dass er nicht gegen Angela Merkel, sondern mit ihr gewinnen will. Kein Blatt Papier passe zwischen ihn und die Kanzlerin. Bleiben also die CSU, die Bayernwahl und Horst Seehofer als unberechen­bare Größen. „Horst Seehofer neigt zu überrasche­nden Entscheidu­ngen“, sagt Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier.

Und die Kanzlerin? Sie macht das, was sie bisher immer gemacht hat. Abwarten und weiterarbe­iten. „Ich sitze hier ganz quickleben­dig und gedenke, meine Arbeit weiter zu tun,” sagte Angela Merkel kürzlich in Augsburg.

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FOTO: AFP Eine „Merkel-Dämmerung“beschwören viele herauf. Doch die Kanzlerin tut, was sie schon immer tat: abwarten und weiterarbe­iten.

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