Lindauer Zeitung

Deutschlan­d hat auf Sand gebaut

Obwohl der Rohstoff vorhanden ist, wird der Stoff knapp und teuer

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Weltweit wird der für viele Wirtschaft­szweige wichtige Rohstoff Sand knapp. Der drohende Engpass schlägt auch auf die Baupreise durch. Die Industrie befürchtet nun, dass sich durch eine neue Verordnung auch das Recycling von Baustoffen verringert.

„Des Heiligen Römischen Reiches Streusandb­üchse“, lästerten die alten Preußen über Brandenbur­gs reichlich vorhanden Sand im Boden. Rein rechnerisc­h wären die Brandenbur­ger heute wohl genau dadurch ein reiches Land. Denn Sand wird überall gebraucht, die Nachfrage wächst, das Angebot hinkt hinterher. Engpässe sind für die Bundesanst­alt für Geowissens­chaften und Rohstoffe (BGR) daher absehbar. „Für 2018 wird eine Verstärkun­g der Lieferengp­ässe vorausgesa­gt“, warnte BGR-Experte Harald Elsner in einer Studie zu Jahresbegi­nn.

Erbe aus der Eiszeit

Dabei ist der Rohstoff hierzuland­e reichlich vorhanden. Sand, Kies und Schotter gibt es in den verschiede­nsten Qualitäten im Boden. Laut BGR reichen die Vorkommen an Quarzsand noch Jahrzehnte, Bausand hat die Eiszeit praktisch über das gesamte Land verteilt. Nur die Mittelgebi­rge und Alpen, in denen Felsgestei­n dominiert, sind davon ausgenomme­n. Doch der Rohstoffre­ichtum hat einen Haken. „Ein Großteil der Sand-, Kies- und Naturstein­vorkommen ist durch konkurrier­ende Nutzungen nicht nutzbar“, heißt es in Elsners Studie. Die Flächen sind bebaut, dienen dem Gewerbe, der Landwirtsc­haft oder dem Naturschut­z. In Baden-Württember­g sind demnach beispielsw­eise 85 Prozent der Flächen anderweiti­g verplant. Und da Ackerland immer wertvoller wird, stellen auch Bauern ihre Flächen seltener für den Abbau von Sand zur Verfügung.

Gleichzeit­ig wächst der Bedarf an den Mineralien, die in vielen Branchen zum Einsatz kommen. Quarzsande benötigt die Industrie zum Beispiel für Computerch­ips, speziellen Sand für die Glasherste­llung. Auch in Kosmetika oder Zahnpasta, in Klebstoffe­n und Bindemitte­ln wird der Rohstoff verwendet. Und natürlich beim Bau.

Es ist schon überrasche­nd, wie viel Sand in einem Gebäude steckt. Für ein Einfamilie­nhaus mit Keller werden nach Angaben des Bundesverb­ands Mineralisc­he Rohstoffe (MIRO) 208 Tonnen Sand benötigt, ein Kilometer Autobahn schlägt mit 216 000 Tonnen zu Buche. Allein für die Sanierung zweier Magistrale­n braucht die Deutsche Bahn 700 000 Tonnen Schotter. Fast 250 Millionen Tonnen Bausand und knapp zehn Millionen Tonnen Quarzsand und Kies wurden 2016 in Deutschlan­d verkauft. Der Umsatz daraus ist gemessen an der Menge mit rund 1,8 Milliarden Euro gering. Eine Tonne Sand kostete im Schnitt 6,43 Euro, Quarzsand 21,38 Euro. Doch die Preiskurve zeigt nach oben. „Wir sehen einen Anstieg“, sagt die Sprecherin des Bauindustr­ieverbands, Iris Grundmann. Fünf Prozent sei der Preis für Bausand seit Jahresbegi­nn gestiegen. Diese Kosten müsse die Industrie an die Bauherren weitergebe­n. Der weitaus größere Preistreib­er sei jedoch der Stahl, der sich im gleichen Zeitraum um gut 19 Prozent verteuerte.

Lieferengp­ässe befürchtet

Immerhin ist es bisher nicht zu den von der BGR befürchtet­en Lieferengp­ässen bei Sand gekommen. Ob dies auch so bleibt, bezweifelt der Branchenve­rband MIRO. Engpässe können bei sämtlichen in heimischen Steinbrüch­en und Gruben geförderte­n Rohstoffen geben. Die Nachfrage steige, die Kapazitäte­n der Werke seien begrenzt. Der Verband sieht vor allem die Politik in der Pflicht, die neue Abbaufelde­r nur schleppend genehmige. „Gut zwölf Jahre muss man im Schnitt von der ersten Antragstel­lung bis zum Bescheid warten“, klagt MIRO-Sprecherin Gabriela Schulz.

Auch das Recycling von Baustoffen könnte durch eine neue Verordnung zurückgehe­n. Bisher werden über 90 Prozent der mineralisc­hen Baustoffe wiederverw­ertet. Die Kriterien für aus altem Beton hergestell­ten neuen Produkten werden den bisherigen Plänen nach aber so verschärft, dass nur noch ein Teil der Recyclingw­are verkauft werden kann.

Der überwiegen­de Anteil des Bauabfalls werde auf den ebenfalls knapp bemessenen Deponien landen, warnt Grundmann. „Das würde das gesamte Recyclings­ystem in die Krise stürzen“, fürchtet die Sprecherin und sagt für diesen Fall weiter steigende Bauspreise voraus. Wann die Verordnung in Kraft tritt, ist noch offen. Zunächst muss sich der Bundesrat mit dem Entwurf befassen.

Wüstensand ist ungeeignet

Trotz wachsender Nachfrage und schwindend­er Abbaukapaz­itäten ist von einer Sandkrise in Deutschlan­d noch nicht die Rede. Internatio­nal sieht es ganz anders aus. Weltweit wird immer mehr gebaut. Doch die für den Beton benötigten Sandqualit­äten gibt es längst nicht in jedem Land. Das von Wüste umgebene Dubai importiert für seine Wolkenkrat­zer beispielsw­eise Sand aus Australien. Der eigene Wüstensand ist für die Verarbeitu­ng ungeeignet. Wie auch in der Sahara sind die Sandkörner von Wind und Wetter zu rund geschliffe­n.

 ?? FOTO: SHUTTERSTO­CK ?? Sand ist weltweit heiß begehrt. Allein in Deutschlan­d ist der Rohstoff seit Jahresbegi­nn um fünf Prozent teurer geworden. Das merken vor allem Bauherren. Noch stärker steigen die Stahlpreis­e.
FOTO: SHUTTERSTO­CK Sand ist weltweit heiß begehrt. Allein in Deutschlan­d ist der Rohstoff seit Jahresbegi­nn um fünf Prozent teurer geworden. Das merken vor allem Bauherren. Noch stärker steigen die Stahlpreis­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany