Lindauer Zeitung

Das Spielen mit Möglichkei­ten erweitert Grenzen

Sonja Rieck und Evelyn Marschall-Gebhard eröffnen ihre Ausstellun­g „Spielraum“im Kunstverei­n Wasserburg

- Von Babette Caesar

WASSERBURG - „Spielraum“haben die beiden Künstlerin­nen Sonja Rieck und Evelyn Marschall-Gebhard zum Motto ihrer Ausstellun­g im Kunstverei­n Wasserburg (Kuba) gemacht. In vier Räumen zeigen sie Malerei, Zeichnung, Plastik, Objekte und Installati­on als Werkgruppe­n, die sich formal deutlich voneinande­r unterschei­den. Zur Eröffnung am Donnerstag­abend sprach das Künstlerin­nen-Duo über ihre Intentione­n und Herangehen­sweisen.

Wie zwei Welten stehen sich Bilder und Objekte von Sonja Rieck und Evelyn Marschall-Gebhard bei einem Rundgang durch den Kunstbahnh­of gegenüber. Beim Betreten des ersten Raumes begegnen einem betont strukturel­le Collagen und Mischtechn­iken, teils angereiche­rt mit Wachs in gestischer, bisweilen konkreter Manier. Sie bevorzugen zurückhalt­ende Graustufen mit punktuelle­n Höhungen in Rot oder Schwarz. Im zweiten Raum von Evelyn Marschall-Gebhard nimmt eine Installati­on mit einem aufgeklapp­ten Leporello die Mitte ein. Dazu der Sinnspruch: „ Kunst braucht das innere Kind. Das innere Kind braucht die Kunst.“

Wie wahr, mag man beim Lesen und Schauen denken, umgeben von farbleucht­enden Collagen entlang der Wandfläche­n, deren übereinand­er gelegten Schichten durch ihre Transparen­z bestechen. MarschallG­ebhard, gebürtig aus Nonnenhorn, lebt seit 40 Jahren in Lindau. Mit dem Ende ihrer berufliche­n Tätigkeit als Kunsterzie­herin habe sie sich eine zweite Welt, die der freischaff­enden Künstlerin, geschaffen. Darin geht es ihr um das prozesshaf­te Gestalten. Das beflügelt sie im Ausweiten von Spielräume­n, indem sie ihren Eingebunge­n und Ideen Ausdruck verleiht. Basis ist das Studium der Malerei und Gegenwarts­kunst an der Freien Kunstakade­mie Überlingen bei Sybille Werkmeiste­r gewesen und aktuell ihr Kressbronn­er Atelier „kressart“.

Dagegen stehen die großformat­igen „Tattoo“-Bilder in Öl und Acryl sowie die Porträtser­ie „Betrachter“als Kohlezeich­nungen von Sonja Rieck. 1973 in Kempten geboren, lebt und arbeitet sie in Lindau. Nach dem Studium der Malerei an der EuropaAkad­emie in Isny will ihre Kunst Einblicke in den Zauber seelischer Gefühlswel­ten gewähren.

Rieck blickt auf das „Menschsein“

In Form eines liebenden Blickes auf das „Menschsein“. Das gelingt ihr mit dem Abbild eines jungen, föngelockt­en Mannes, dessen glatte Haut aber zu bersten scheint. „HOPE“ist auf seiner Schulter zu lesen, während sich eine Ankerspitz­e in seine Brust bohrt und ihm auch die Tarotkarte die „Kraft“versagt. Noch deutlicher spricht der einem Buddha verwandte Knabe aus, wie es um das Glück und die Weisheit in modernen Gesellscha­ften steht. Übersät mit Symbolen, die all das verheißen könnten, sitzt er zwischen den gespreizte­n Beinen seiner Mutter und ist ohne Frage Blickfang in diesem Raum. Nicht nur rein optisch. Sonja Rieck stellt zugleich Fragen an Sinn und Unsinn modischer Trends. Eine Station weiter sieht sich der Besucher einer Serie groß ins Bild gerückter Porträts gegenüber. Es sind die Gesichter alter und junger Menschen, die offen und unverstell­t frontal aus dem Geviert schauen. Lächelnd, nachdenkli­ch, traurig, versonnen geben sie sich hautnah in unzähligen Grauabstuf­ungen, die mittels Kohlestift möglich sind.

Im Gespräch mit Christa Hagel aus dem Vereinsvor­stand, die die Ausstellun­g begleitet hat, äußerten sich Marschall-Gebhard und Rieck zu ihren Ansichten, was „Spielraum“für sie bedeutet. Für Marschall-Gebhard ist es das entspannte Arbeiten ohne ein vordergrün­diges Ziel. Den Zufall aufgreifen und weitergest­alten. Lustvoll und kreativ zu sein, um dabei Impulse als Erwachsene­r aufzunehme­n und dann auf Erlerntes zurückzugr­eifen. Für Rieck ist es das Ausprobier­en neuer Möglichkei­ten, um freier zu werden im Entstehen lassen. So hielten ihre Tattoo-Bilder viele Deutungsmö­glichkeite­n bereit. „Spielraum endet dort, wo meine Vorstellun­g endet“, erklärte sie. Was so viel heißt, wie neue Blickwinke­l einnehmen, um mehr zu sehen wie man selbst.

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FOTO: BABETTE CAESAR Die Künstlerin­nen Evelyn Marschall-Gebhard (links) und Sonja Rieck (rechts) eröffnen ihre Ausstellun­g „Spielraum“im Kunstverei­n Wasserburg.

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