Das tapfere Schneiderlein
Josef Madersperger war ein Tüftler vor dem Herrn – Vor 250 Jahren wurde der Erfinder der „Nähhand“in Kufstein in Tirol geboren
BONN (KNA) - Damit wir nicht gleich am Anfang den Faden verlieren: Was haben die ehrenamtliche Gewandmeisterin der Sternsingergruppe und Mode-Ikone Karl Lagerfeld gemeinsam? Ohne Nähmaschine könnten beide ihre Kundschaft nicht so rasch einkleiden. Die „eiserne Mamsell“hat viele Väter. Einer von ihnen ist der österreichische Schneider Josef Madersperger. Vor 250 Jahren, am 6. Oktober 1768, kam er in Kufstein in Tirol zur Welt.
Dort verbrachte Madersperger Kindheit und Jugend – bevor er mit seinem Vater, ebenfalls ein Schneider, nach Wien zog. Hier widmete er sich offenbar über Jahre hinweg der Konstruktion einer Apparatur, die das Nähen von Hand maschinell nachahmen und damit erleichtern sollte. Im Laufe der Zeit verfeinerte der Tüftler seinen Ansatz und verlegte in diesem Zusammenhang das Öhr von der Mitte an die Spitze der Nadel – bis heute ein Grundprinzip der modernen Nähmaschine.
Die „Wiener Zeitung“fand 1817 lobende Worte über Maderspergers Erfindung. Die „in einem niedlichen Kasten“eingeschlossene Maschine verrichte „alle Arbeiten der Nähterey mit einer die menschliche Handarbeit bey weitem übertreffenden Schnelligkeit und Genauigkeit“.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Madersperger bereits ein Patent beantragt. Aber aus ungeklärten Gründen versäumte er es, rechtzeitig die erforderlichen Gebühren zu bezahlen. Das beantragte Privileg erlosch 1818, Madersperger aber befasste sich weiter mit der Kunst des Nähens. 1838 schenkte er eine seiner Maschinen dem Polytechnischen Institut, heute ist diese „Nähhand“im Technischen Museum Wien zu sehen.Die wenigen verfügbaren Quellen geben keinen Aufschluss darüber, wie er seinen Lebensunterhalt bestritt; belegt ist, dass er eine Zulassung als Obsthändler beantragte. Am 2. Oktober 1850 starb Madersperger im Versorgungshaus Sankt Marx bei Wien. Die Legende will, dass der Schneider seine letzten Jahre in Armut verbrachte. Hubert Weitensfelder vom Technischen Museum Wien hält es in seinem Buch „Die großen Erfinder“jedoch für weitaus plausibler, dass sich der über 80-Jährige aufgrund seines Alters in die Fürsorgeeinrichtung begab.
Gleichwohl blieb die einzige öffentliche Ehrung zu seinen Lebzeiten eine Bronzemedaille des niederösterreichischen Gewerbevereins. Den besseren Schnitt machten andere, zum Beispiel die beiden US-Unternehmer Elias Howe und Isaac Merrit Singer oder die Kaiserslauterer Familie Pfaff.
Die Nähmaschine, so urteilt der in London lehrende Historiker Frank Trentmann, gehörte zu den Treibern der „Haushaltsrevolution“, die vom 18. Jahrhundert an den Konsum in neue Bahnen lenkten, und ihn „produktiver“machten. „Mit der Nähmaschine konnte man nicht nur mit geringerer Anstrengung Kleidung nähen, sie regte auch dazu an, mehr Kleider zu schneidern und sie durch verschiedene Muster, mehr Rüschen, Abnäher, Borten zu personalisieren.“
Madersperger sei „einer der Pioniere der modernen Nähmaschine“gewesen, erklärt Experte Weitensfelder. Einer der Konstrukteure, die vielleicht nicht im Zentrum der Entwicklung standen, aber der Technik gleichwohl zum Durchbruch verhalfen. Ähnlich wie der aus Mayen in der Eifel stammende Strumpfwirker Balthasar Krems (1760-1813), der sich nach der Französischen Revolution auf die Massenfertigung der schlumpfartigen Jakobiner-Mützen verlegte und dafür einen Apparat ersann.
An seinen österreichischen Kollegen erinnert in dessen Geburtsstadt Kufstein ein kleines Museum. Derweil rattern und surren in aller Welt die Nähmaschinen weiter. Alte und ausgefallene Exemplare sind längst zu wahren Sammlerobjekten geworden. Eine Auswahl von rund 380 „liebevoll restaurierten Maschinen“ist beispielsweise im oberbayerischen Benediktinerkloster Sankt Ottilien zu sehen. Madersperger, als Erfinder ohne rechte Fortune, hätte daran wohl seine Freude gehabt.