Lindauer Zeitung

Aussteiger

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Er wollte in Brüssel die Grundwerte der EU verteidige­n, doch nun kommt alles anders. Christian Kern war erfolgreic­her Manager, zeitweise Lichtgesta­lt der Sozialdemo­kraten in Österreich, Kurzzeit-Kanzler. Es folgte die Rolle des Opposition­schefs, in der er sich nicht wohl fühlte. In Brüssel sollte nun alles besser werden. „Wir haben eine Auseinande­rsetzung zu führen mit Kräften, die Europa zerstören wollen“, sagte Kern. Doch diesen Kampf wird er nun nicht mehr mitkämpfen. Kern gab nun seinen kompletten Rückzug aus der Politik bekannt. Stattdesse­n möchte der 52-jährige Manager, der als Quereinste­iger in die Politik kam, zurück in die Wirtschaft.

Mit seinem Rückzug setzt Kern fast drei Wochen nach seinem Rücktritt von der SPÖSpitze den Schlusspun­kt eines chaotische­n Abgangs. Der 52Jährige hatte am 18. September überrasche­nd den SPÖ-Vorsitz abgegeben. Die Partei ließ Spekulatio­nen zu, dass sich Kern aus der Politik zurückzieh­e und bestätigte diese Gerüchte später. Kern erklärte, dass er die Spitzenkan­didatur der europäisch­en Sozialdemo­kraten bei der Europawahl 2019 anstrebe.

Daraus wird nichts. „Ich habe feststelle­n müssen, dass es als ehemaliger Regierungs­chef eigentlich gar nicht möglich ist, diese innenpolit­ische Bühne zu verlassen“, sagte Kern zur Begründung. Statt der Diskussion um Europas Zukunft mehr Gewicht zu verleihen, seien alle seine Bemühungen weiter ständig unter dem Eindruck der Innenpolit­ik diskutiert worden.

Dieser Abgang zeigt, dass sich Kerns schwierige­s Verhältnis zur Politik wohl nie verbessert hat. Kern, zuvor Chef der Österreich­ischen Bundesbahn­en, startete im Mai 2016 mit einer ähnlichen Spitze als SPÖ-Chef. „Wenn wir dieses Schauspiel weiter liefern, ein Schauspiel der Machtverse­ssenheit und der Zukunftsve­rgessenhei­t, dann haben wir nur noch wenige Monate bis zum endgültige­n Aufprall.“Für diese Art des schonungsl­osen Artikulier­ens schätzten ihn viele. Kern war der kantige, kluge Parteichef – der das politische Geschäft nun etwas verzweifel­t verlässt. (dpa)

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FOTO: DPA Christian Kern zieht sich aus der Politik zurück.

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