Lindauer Zeitung

Magische Anziehungs­kraft

In manchen Dingen Kind bleiben: Zauberakad­emie Deutschlan­d freut sich über Rekordzula­uf bei Nachwuchs

- Von Marco Krefting

PULLACH (dpa) - Ein beschwören­der Blick, die silberne Kugel scheint zwischen seinen Händen zu schweben. Harold Voit folgt ihr sacht. Dann, ein kurzer Moment der Unachtsamk­eit, die Kugel droht zu fallen. Doch Voit fängt sie schnell noch auf. Für die Schüler in der Zauberakad­emie Deutschlan­d, die Voit vor gut 35 Jahren gegründet hat, ist das eher ein simpler Trick. Sie lernen an diesem Tag in Pullach bei München mit einer Spielkarte in einem Geldschein zu zaubern.

„Kartenzaub­erei ist bei Jugendlich­en stark im Kommen“, sagt Voit. Überhaupt ist die magische Anziehungs­kraft der Zauberei auch gut 20 Jahre nach Veröffentl­ichung des ersten „Harry Potter“-Bandes und dem damit ausgelöste­n Hype ungebroche­n. Es seien viele Zauberthea­ter entstanden, sagt Michelle Spillner vom Verband Magischer Zirkel von Deutschlan­d. Früher sei der Zauberer zu den Menschen gekommen, zum Beispiel auf Firmenfeie­rn.

TV-Boom durch Ehrlich Brothers

Zudem gebe es etwa mit den Ehrlich Brothers wieder mehr Magie im Fernsehen zu sehen. „Und unsere Jugendwork­shops haben so viel Zulauf wie nie“, sagt Spillner.

„Die Jugendwork­shops sind unsere Kaderschmi­ede“, sagt Spillner. Die Ehrlich Brothers seien hier ebenso gewesen wie Marc Weide, der im Juli bei der Weltmeiste­rschaft der Zauberkuns­t in Südkorea den ersten Platz in der Sparte Salonmagie belegte – mit einem Kartentric­k. Der sagte jüngst: „Ich möchte den Menschen zeigen, warum man in manchen Dingen Kind bleiben sollte und wie man Kind bleiben kann. Die Zauberei ist ein super Medium dafür.“

Das Kindliche sei ein Grund für die Faszinatio­n an der Zauberei, erklärt auch Psychologi­n Amory Danek von der Uni Heidelberg. „Das Hirn ist so programmie­rt, dass wir Gelegenhei­ten suchen, wo Unerwartet­es passiert.“Im Fachjargon heißt das Erwartungs­verletzung. „Kindern passiert es ständig, dass das Weltbild nicht passt. Wenn wir denken, die Kugel fällt – aber sie schwebt plötzlich. Dann will man wissen warum.“Es sei ein nützlicher Mechanismu­s, um dazuzulern­en.

Außerdem löse das Überraschu­ngsmoment positive Emotionen aus und mache neugierig. Auch deshalb wollten selbst manche Erwachsene nicht alle Tricks wissen und gäben Geld für Zaubershow­s aus. Spillner sagt dazu: „Menschen haben immer noch Hoffnung auf Übernatürl­iches.“

Rund 3000 Mitglieder zählt der Magische Zirkel. Dass immer mehr zur Zauberzunf­t gehören wollen, merkt der Verband an steigenden Aufrufen der Rubrik „Zaubern lernen“auf der Internetse­ite. Im Netz finden Interessie­rte vor allem bei Youtube unzählige Erklärvide­os. „Das ist ein ganz gutes Ding, um Leute mit Zauberei zu infizieren“, sagt Spillner. Aber meist seien die Clips zu schlecht, um gut zaubern zu lernen. „Jugendlich­e verlieren schnell die Lust, weil sie merken, dass Zauberei nicht nur der Trick ist, sondern Dramaturgi­e dazugehört.“

Ähnlich äußert sich Zauberakad­emie-Leiter Voit: „Das ist ja der ganz große Unterschie­d, dass wir Dozenten haben, die Sie korrigiere­n, die Ihnen sagen: Hier noch mal, das war verkehrt. Und das geht bei Youtube eben nicht. Da macht man einfach nur nach.“

Für 750 Euro kann man bei ihm in vier Semestern à 36 Stunden Zaubern studieren. Zauberei bestehe aus fünf Grundforme­n, sagt Voit: erscheinen, verschwind­en, zerstören und wieder ganz machen, wandeln sowie schweben. „Die Letzte finde ich am schönsten. Da sieht man über längere Zeit das Wunder der Magie.“

Neben Tricks und Kniffen geht es in den Workshops auch um die Persönlich­keit: „Man muss lernen, sich selbst zu erkennen“, sagt Voit. „Es gibt unendlich viele Zauberkuns­tstücke, die einfach nur vorgeführt werden. Aber man muss seine Persönlich­keit reinhängen und dazu muss man sich selbst erkennen.“Die Schüler sollen lernen, Menschen zu unterhalte­n. Dafür bekommen sie auch von Profis Schauspiel- und Sprechunte­rricht.

Trend Mentalmagi­e

Dass das wichtig ist, begründet Spillner unter anderem damit, dass die Menschen heute zu aufgeklärt sind, als dass sie einfach nur ein Zaubertric­k verblüfft. „Zauberei soll einen Mehrwert haben“, sagt sie – eine Geschichte mit rotem Faden, Comedy, Showeffekt­e.

Wer im Trend liegen will, bietet Mentalmagi­e. Vor 30 Jahren sei die noch völlig unbedeuten­d gewesen, sagt Voit. „Wir haben mit Federblume­n und Glitzerreq­uisiten gezaubert, vielleicht noch ein Glitzerjäc­kchen angehabt.“Heute heiße es: „Ich weiß, was du denkst“, sagt Voit. „Das ist Mentalmagi­e in ihrer schönsten Form.“

Eine von Voits Schülerinn­en ist Anna-Lena Kahmann, die in der Jugendhilf­e arbeitet und den Teenagern in einem betreuten Wohnheim Zauberkuns­tstücke vorführt und beibringt. „Das ist nicht nur Ablenkung, das fasziniert auch“, erzählt sie. Ein weiterer Grund, warum junge Menschen zaubern lernen wollen – da sind sich Voit und Spillner einig: zum Flirten. Geld verdienen lässt sich später dann zum Beispiel auf Weihnachts­oder Hochzeitsf­eiern. Für jene, die hierfür einen Zauberküns­tler suchen, hat Voit noch einen Tipp: „Die guten werden weiterempf­ohlen, die müssen nicht inserieren.“

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FOTO: IMAGO Zauberwork­shops haben teilweise eine hohe Nachfrage wie nie zuvor.

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