Lindauer Zeitung

Rock der neuen Generation

Twenty One Pilots setzen auf luftige, von Keyboards und elektronis­cher Musik geprägte Kompositio­nen

- Von Steffen Rüth

LONDON - Zwei freakige, eher scheue, Typen aus der US-amerikanis­chen Provinz haben mit ihrem Album „Blurryface“und der Single „Stressed Out“vor drei Jahren die Rockmusik ein Stück weit neu definiert. Mit „Trench“haben Twenty One Pilots nun nachgelegt. Tyler Joseph (29) und Josh Dun (30) sprechen in einem Londoner Luxushotel über ihre Musik, die ganz grob nach einer Mischung aus The Killers, Eminem, My Chemical Romance, den Red Hot Chili Peppers und Avicii klingt.

Auf „Trench“, dem bereits fünften Album des Duos, drehen sich viele der Stücke wie schon auf „Blurryface“um all die kleinen und größeren Unsicherhe­iten, Selbstzwei­fel, Identitäts­krisen und Ängste, mit denen sich insbesonde­re Jugendlich­e seit Jahrmillio­nen schon herumschla­gen. Wohl auch deshalb kommt das Duo insbesonde­re bei Teenagern sensatione­ll gut an. Aber das ist mitnichten eine Masche, sondern Lebensreal­ität. Auch Tyler Joseph selbst kenne sich mit Depression­en aus. Und in den neuen Singles „Jumpsuit“wie auch „Nico And The Niners“befassen sich die beiden mit ihren Ängsten und Kämpfen. Das tolle Video zu „Jumpsuit“drehten Twenty One Pilots übrigens in Island.

„Als Teenager“, so Tyler Joseph, „denkst du ja immer, dass du der einzige bist, der an der Welt verzweifel­t und am Leben leidet. Als wir dann anfingen, unsere Musik vor Publikum zu spielen, hatten wir endlos viele Gespräche mit Kids, die ganz ähnliche Erfahrunge­n durchmache­n. Zu spüren, dass wir nicht allein sind, war für uns eine coole und sehr bewegende Erfahrung.“

Doch immer noch sind die Songs weit bekannter als die Jungs. Die zwei, die aus der Studentens­tadt Columbus in Ohio stammen, sind nämlich auch ziemliche Nerds. Seit 2011 konzentrie­ren sie sich ganz auf die Twenty One Pilots, der Zuspruch ist mit den Jahren immer größer geworden. „Wir fühlen uns von dem ganzen Erfolg ziemlich überrannt“, bekennt Joseph. Nach dem Trubel um Hits wie „Stressed Out“nahm sich die Band eine Auszeit. Ein Jahr lang blieben sie praktisch daheim und traten weder persönlich noch in den sozialen Medien nennenswer­t öffentlich in Erscheinun­g. „Alles war neu“, sagt Tyler Joseph. „Wir sahen uns immer als eine kleine alternativ­e Band mit einer übersichtl­ichen Zahl von wirklich eifrigen Fans. Nun sind wir diese Band mit den Mega-Radiohits. Ich glaube nicht, dass wir es in unserer DNA haben, uns auf Dauer dort oben festzusetz­en.“Das ist noch keineswegs ausgemacht­e Sache. So oder so bieten Twenty One Pilots etwas an, dass es ansonsten eher selten gibt in den Charts: Kommerziel­l erfolgreic­he Musik mit inhaltlich­em Nährwert. Joseph: „Wir machen schmerzhaf­t ehrliche und emotionale Musik und erreichen damit viele Menschen. Man sollte die Hörer nicht unterschät­zen. Die sind smarter, als du denkst. Und ganz bestimmt smarter als wir.“

„Wir wollten uns nicht festlegen“

Gemeinhin gilt das, was sie auf „Trench“treiben, als Rockmusik, nur: Es ist Rock der neuen Generation. Die Lieder wie etwa das starke „Levitate“fußen auf eher luftigen, von Keyboards und elektronis­cher Musik geprägten, Kompositio­nen, mitunter dramatisch­en Tempowechs­eln, einer Liebe zu den Neunziger Jahren, der nach vorne gemischten Stimme des Sängers und sogar Hip-Hop-Einflüssen – mitunter rappt Tyler also auch. „Wir sind im Grundschul­alter beide von unseren Eltern zu Hause unterricht­et worden“, wagt sich Tyler Joseph an eine Erklärung, warum der Stil des Duos so schwer zu kategorisi­eren ist. „Als wir dann in der fünften Klasse endlich in die Schule durften, mischten wir einfach überall mit und merkten, dass wir uns weder festlegen wollten, was die Leute angeht, noch was den Musikgesch­mack angeht. Wir fanden einfach alles cool.“

Hier und da sind die Sounds etwas härter und dunkler als auf dem „Blurryface“-Album, was auch daran liegt, dass Tyler den Sound der Bassgitarr­e für sich entdeckt hat. Trotzdem bleiben die zwei auch auf den neuen Songs unverkennb­ar und melodisch. Einfach allerdings war es nicht mit der neuen Platte. „Mein Studio ist in meinem Keller daheim in Columbus, ich habe fast das komplette Jahr nach der Tour daheim verbracht und versucht, dort unten Ideen zu sammeln und zu sortieren. Irgendwie verlor ich dabei die Orientieru­ng da unten in diesem Raum, der mir zeitweise wie ein Verließ vorkam. Es gab manchen Moment, in denen ich überlegte, ob ich nicht lieber alles hinschmeiß­en und Immobilien­makler werden sollte.“

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FOTOS: BRAD HEATON Hier und da sind die neuen Sounds von Josh Dun (links) und Tyler Joseph etwas härter und dunkler als auf dem „Blurryface“-Album.
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Das Albumcover von „Trench“.

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