Von großen Erfolgen und grausamen Zeiten
1979 wurde das Museum im Malhaus eröffnet – Seitdem finden dort viele Wasserburger Geschichten ihren Platz
WASSERBURG - Früher wurden im Malhaus Wasserburg Bürger zum Tode verurteilt, gefoltert oder erhängt. Heute hütet das Haus Geschichten aller Art. Seit 1979 wurden hier schon über 50 Sonderausstellungen gezeigt. Vom heimischen Obstbau über Kinderspielzeug bis hin zur diesjährigen Ausstellung über die kaiserlichen Werften werden im Malhaus jährlich unterschiedlichste Themen aufgearbeitet. Doch ein Mann ist nun schon mehrere Jahre fester Bestandteil des Museums: Martin Walser.
Fast die komplette dritte Etage des Malhauses ist dem Schriftsteller gewidmet. Vor 91 Jahren wurde Walser in Wasserburg geboren und entwickelte sich nach Meinung des Ortsheimatpflegers Fridolin Altweck zum „bekanntesten lebenden Schriftsteller Deutschlands“. Vom Familienstammbaum der Walsers über seinen Schulweg und seinem Deutschaufsatz im Abitur bis hin zu seiner Orginalschreibmaschine aus den 1990ern zeigt Altweck im Museum sehr detaillierte Einblicke in Walsers Leben. „Goethe oder Schiller konnte ich ja leider nie persönlich kennenlernen, aber ihn schon. Er ist ein sehr liebenswürdiger Mensch“, sagt Altweck.
Er selbst weiß beinahe alle Eckdaten und Anekdoten aus Walsers Leben. Deshalb ist es Altweck ein besonderes Anliegen, dass die Besucher auch zu den Walser-Werken Zugang haben. In einem der vielen Räume stapeln sich hinter den verglasten Schranktüren unzählige Bücher des Wasserburgers. An dem runden Holztisch in der Mitte des Raumes können Interessierte durch die Seiten blättern, am Ende des Raumes wird der Dokumentarfilm über Walsers Leben abgespielt. Dieser hat eine ganz besondere Verbindung mit dem Malhaus, denn das Fernsehteam verbrachte einen der drei Drehtage hier.
Altweck interessiert sich aber nicht nur für Walsers veröffentlichte Bücher, sondern auch für seine früheren Texte. „Ich finde es faszinierend, wie virtuos Walser die Sprache beherrscht und Abfolgen bewertet“, sagt er. Neben einem Gedicht über Walsers ehemalige Schulfreunde hängen an den Wänden des Museums auch Artikel aus seiner Abiturzeitung, in denen er unter dem Pseudonym Sertin auch seinem ehemaligen Direktor auf die Füße trat. „Dadurch hätte er fast sein Abitur nicht anerkannt bekommen“, sagt Altweck schmunzelnd.
In der hinteren Ecke des Raumes lugt eine dunkelbraune Kommode aus Kirschholz hervor. 120 Jahre stand sie in Walsers Elternhaus, bis er sie gemeinsam mit dem Gedicht „Gemurmel aus der Kommode“dem Museum übergab. Eine Metapher für seine Kindheit in Wasserburg. Auch sein Roman „Ein springender Brunnen“handelt von bestimmten Lebensabschnitten in Wasserburg. Fest umschließen Altwecks Hände das Buch, als er mit Stolz in der Stimme von dem großen Erfolg des Werkes erzählt: Im Jahr 1998 erhielt Walser dafür den „Friedenspreis des deutschen Buchhandels“. Das aktuelle Herzstück der Walserausstellung ist für Altweck die Büste von Martin Walser. Der Künstler Gerold Jäggle fertigte das Kunstwerk anlässlich Walsers 90. Geburtstag und übergab es dem Museum vorerst als Leihgabe.
Man würde dem Museum aber Unrecht tun, es nur auf die Walser Ausstellung zu reduzieren. Schon ein Stockwerk tiefer können die Besucher in die Schiffswerft zu Zeiten des Kaisers eintauchen. 15 größere und zehn kleinere Modelle bietet die Ausstellung derzeit. Die Flotte wurde im Maßstab von 1:1000 mit der Hand gefertigt, den hölzernen Unterbau hämmerte Altweck mit seiner Ehefrau selbst zusammen. Auch die Bilder an den Wänden, auf denen tapfere Seefahrer im Krieg zur See abgebildet sind, steuerte Altweck aus seiner privaten Büchersammlung bei.
Symbol als Schutz gegen Dämonen
Das Malhaus schützt die Wasserburger Geschichten vor dem Vergessen. Auch seine eigene. Im Erdgeschoss des Gebäudes führt eine Stufe in ein dunkles Vorzimmer. Daran grenzen zwei Kammern, die mit schweren eisernen Gittertüren verschlossen sind. Vor 400 Jahren wurden dort unter dem Vorwurf der Hexerei unschuldige Frauen eingesperrt. Licht fällt nur durch ein handhohes Fenster auf die weißen Wände in der Kammer. Auf eine der Wände ist ein Kreuz geritzt. Rechts davon wurde ein gerader Strich gezogen, auf der linken Seite ist eine wellenförmige Linie zu sehen. Das Zeichen bedeutet Jesus-Heiland-Seelenmacher. Zur damaligen Zeit verwendeten die Menschen dieses Symbol als Schutz gegen Dämonen. Auf dem Schild im Vorraum der Zelle ist ein Galgenkreuz abgebildet. Dieses ließ Altweck am Hochgericht befestigen, als Mahnmal: „Ich finde es wichtig, dass die Leute auch heute noch die historischen Abläufe hinterfragen und sich daran erinnern, wie unrecht vor 400 Jahren gehandelt wurde.“
Seit mittlerweile 36 Jahren halten Altweck und seine Frau das Museum am Laufen aber langsam, meint er, würden sie es gerne in die nächste Generation übergeben. „Wir haben das schließlich nicht für uns gemacht“, sagt Altweck. Doch bis auf einen jungen Mann hat sich bisher niemand gefunden, der das Museum die nächsten Jahre weiterführen möchte. „Sie können auch alles anders machen“, stellt Altweck fest. Ihm und seiner Frau ist nur wichtig, dass es weiter geht mit dem Museum im Malhaus.