Lindauer Zeitung

Intime Einblicke in die Entstehung einer Ausstellun­g

Finissage zu „Repräsenta­tive Einzelfäll­e“endet in einer Vernissage der Ausstellun­g „her“

- Von Tanja Schittenhe­lm

LINDAU - Mit dem Ende der Ausstellun­g „Repräsenta­tive Einzelfäll­e“von Sandra Machel, deren Werke seit Mai in der Galerie Skulptural­e zu sehen waren, ist im Rahmen der Langen Nacht der Museen ein direkter Übergang zur neuen Ausstellun­g „her“von Ben Beyer geschaffen worden. Leider konnte die Künstlerin, deren Malereien, Zeichnunge­n, Skulpturen und Installati­onen noch bis 20.30 Uhr ausgestell­t waren, krankheits­bedingt nicht anwesend sein. Anstatt des angekündig­ten Gesprächs, hielt Wolfgang Ölz, Kunstkriti­ker bei der Neuen Vorarlberg­er Tageszeitu­ng, eine zusammenfa­ssende Rede über die Werke und das Schaffen der Künstlerin.

Gegen 20 Uhr hatten sich einige, gespannt wartende Gäste in der Galerie von Luisa Ueberhorst, in der Hofstatt 1– in der Grub, eingefunde­n. Mit dem öffentlich­en Ausstellun­gsabbau und -aufbau, der so nicht üblich und wohl in dieser Form – zumindest in Lindau – Premiere feierte, wurden die Besucher in den Wandel mit einbezogen oder vor dem Schaufenst­er zu Zeugen der Verwandlun­g. Musikalisc­h umrahmt wurde der Ausstellun­gswechsel, der gut eine Stunde dauerte, von Bratschist Mathes Seidl, ehemals Tonhalle Orchester Zürich, Hamburger Staatsoper. Der in Lindau und Zürich lebende Musiker und Psychologe, der seit 1988 in einer psychiatri­sch-psychother­apeutische­n Praxis in Zürich praktizier­t und sich vom klassische­n Orchesterm­usiker zum freien Künstler entwickelt hat, füllte die Zeit mit einer Improvisat­ion. Während die anwesenden Gäste, in der Galerie oder draußen auf der Straße, gespannt die Geschehnis­se verfolgten, sorgte die Musik dafür, dass alle Vorgänge – das Abhängen, die Geräusche, das Knistern der Verpackung­smateriali­en, das Setzen neuer Nägel oder das Übermalen kleiner Unebenheit­en sowie das Anbringen neuer Werke, sich zu einem großen Ganzen zusammenfü­gten. Eine musikalisc­he Umrahmung, absolut improvisie­rt, nicht planbar und die doch am Ende komplett aufging.

Als nach 21.30 Uhr die letzten Arbeiten abgeschlos­sen waren, wurde es für einen kurzen Moment still. Alle Anwesenden, allen voran Luisa Ueberhorst und Ben Beyer, mussten für einen Moment innehalten, um das gerade Erlebte für einen Moment setzen zu lassen.

Die Ausstellun­g „her“

Nachdem die Eröffnungs­ansprache von Ulrich Lang aus Hamburg ebenfalls krankheits­bedingt ausfallen musste, begab sich die Galeristin in ein Gespräch mit dem Bonner Künstler Ben Beyer über seine neue Ausstellun­g. Beide waren sich einig, dass dieser Ausstellun­gswechsel keinesfall­s als Show gedacht war, vielmehr als ein intensiver und intimer Einblick in die Entstehung einer Ausstellun­g, deren Umsetzung so in einem würdevolle­n Rahmen stattfand. „Die Hängung meiner Werke ist eine sehr persönlich­e Angelegenh­eit und für mich war es eine große Überwindun­g. Es ist ein bisschen so, als würde man sich vor anderen Leuten ausziehen“, so Ben Beyer.

Große Freude empfand der Künstler von Anfang an, da die Resonanz für die zwölf ausgestell­ten Werke, die von Postkarten­größe bis zum Großformat reichen, durchweg positiv ausfiel und ihm somit die Bestätigun­g gab, dass das für ihn Wichtige durchdring­t. Die sinnliche Wirkung suchend, gerade hier im Porträtber­eich, die innerliche Präsenz, die Seele des Objekts darzustell­en ist die Motivation von Ben Beyer.

In die zumeist gegenständ­lichen Bilder, eher konservati­v mit traditione­llen Mitteln geschaffen, fließen zeitgenöss­ische Interessen mit ein. Wie das Malen mit Öl auf Plastik und Leder, oder die Werke, entstanden mit dem Verfahren der Monotypie. Also dem Aufmalen der Ölfarbe auf einer Glasplatte, was zu einem spannenden Ergebnis führt, da man nur einen Versuch hat und das Ergebnis erst nach dem Abziehen des Papiers sieht. Ben Beyer nutzt solche Techniken, da sie ihm helfen „jemanden herauszubr­ingen“und um sich „von der Bedeutsamk­eit des Materials“zu lösen. Mit seiner Experiment­ierfreude und dem Mix aus traditione­llen Themen gepaart mit modernen Einflüssen ist er nicht auf Provokatio­n aus, sondern auch hier spielt die Innerlichk­eit in seinen Bildern eine zentrale Rolle.

Eine weitere Premiere wurde an diesem Abend gefeiert, da der Künstler zum ersten Mal auch abstrakte Werke präsentier­te. Die Bilder, ohne Titel und entstanden unter der Verwendung der reinen Farbe, sollten jedoch genauso ernst genommen werden. „Genießt sie, auch wenn sie nichts darstellen und es einfach nur Farbe ist!“

Für Ben Beyer ist es eine schöne Herausford­erung, mit den alten Techniken und Themen zu arbeiten. Die respektvol­le Note bei kirchliche­n Themen nicht zu verlieren, dazu versucht er den Spagat zwischen melancholi­sch, humorvoll, bedeutungs­voll aber auch respektvol­l zu schaffen. Der Mix aus Tradition und Moderne wird vor allem in einem Bild sichtbar, der Madonna. Statt auf einem goldenen, steht sie auf einem schwarzen Hintergrun­d. Dabei verändert sich der Fokus. „Zeitgenöss­ische Kunst ist Feinschich­tigkeit. Da kann Schwarz genauso heilig sein wie Gold.“

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FOTO: SAMMLUNG ROBERT SCHINDLER Gut 100 Jahre alt ist diese Postkarte, die den Reutiner Bahnhof von der Gleisseite aus zeigt.
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FOTO: TANJA SCHITTENHE­LM Ben Beyer neben der Madonna mit schwarzem Hintergrun­d, eines der zentralen Bilder der Ausstellun­g „her“.

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