Lindauer Zeitung

Verheerend­es Unwetter auf Mallorca

Mindestens zehn Todesopfer nach Regen- und Schlammkat­astrophe – Suche nach Vermissten

- Von Ralph Schulze

Fürchterli­che Verwüstung­en hat ein Unwetter im Osten der spanischen Urlaubsins­el Mallorca angerichte­t, wie hier im Dorf Sant Llorenç des Cardassar (Foto: imago). Die Zahl der Toten ist auf mindestens zehn gestiegen, unter den Opfern sind auch zwei britische Urlauber.

PALMA - Erst am Mittwochmo­rgen wird das ganze Ausmaß der vorhergehe­nden Nacht klar: In dem Ort Sant Llorenç des Cardassar, rund 60 Kilometer östlich von Mallorcas Inselhaupt­stadt Palma, sieht man in den Straßen umgestürzt­e Autowracks. Einige sind ineinander verkeilt. Andere liegen zerbeult auf dem Dach oder auf der Seite. Schlamm bedeckt Straßen und Hausfassad­en.

Alles begann am Dienstagab­end, als ein heftiges Unwetter den Dorfbach in Sant Llorenç in kurzer Zeit in einen reißenden Strom verwandelt­e. Die Wassermass­en wälzten sich durch die Straßen des Ortes, in dem rund 8000 Menschen leben. Dutzende Autos wurden von den Fluten mitgerisse­n. Einige Fahrzeuge wurden von Sant Llorenç bis in den rund zehn Kilometer östlich liegenden Küstenort S’Illot geschwemmt.

Ein Bewohner in Sant Llorenç berichtete, wie er sein Leben rettete, als auch sein Auto von der Flutwelle erfasst wurde: „Ich konnte durch ein Fenster herausklet­tern.“Sein Auto sei dann flussabwär­ts getrieben, er selbst habe sich schließlic­h bis zum Ufer kämpfen können.

Alles unter Wasser

Binnen weniger Stunden seien rund 220 Liter Regen pro Quadratmet­er über dem Inselosten niedergepr­asselt, erklärte das staatliche Wetteramt nach der Katastroph­e. Zu viel für den Bach Ses Planes. „Plötzlich stand alles unter Wasser“, berichtete ein Dorfbewohn­er im lokalen Fernsehen. „Die Autos wurden wie Spielzeug mitgerisse­n.“

Das Wasser drang durch Türen und Fenster in viele Häuser in Sant Llorenç ein. Viele Bewohner mussten sich in die oberen Stockwerke oder sogar auf die Dächer ihrer Behausunge­n flüchten. Auch auf Bäumen hatten Menschen Zuflucht gesucht. Alles sei so schnell gegangen, sagte Bürgermeis­ter Mateu Puiggrós, das es nicht möglich gewesen sei, die Bevölkerun­g zu warnen.

Nach der vorläufige­n Bilanz der Behörden wurden wenigstens zehn Menschen in Sant Llorenç sowie in den Nachbarort­en S’Illot und Artá getötet. Auch zwei britische Urlauber befinden sich unter den Toten. Zudem gab es zahlreiche Verletzte. Die Zahl der Opfer könnte noch steigen. Etliche Personen galten noch als vermisst. Die Behörden schlossen nicht aus, dass sich in mehreren Autos, die ins Meer gespült wurden, weitere Opfer befinden.

Einige Menschen starben in ihren Häusern, wo sie offenbar von der schnell ansteigend­en Flut überrascht worden waren. Andere wurden in ihren Fahrzeugen gefunden, wie etwa zwei britische Urlauber, die im Wrack eines Taxis entdeckt wurden. Der Taxifahrer wird noch vermisst.

Es ist die schlimmste Unwetterka­tastrophe, an die sich die Menschen auf Mallorca erinnern können. Im Jahr 2001 waren bei einem Unwetter mit orkanartig­em Wind fünf Menschen auf der Insel gestorben und 80 000 Bäume entwurzelt worden. 1989 kamen bei Überschwem­mungen fünf Menschen auf Mallorca und der Nachbarins­el Ibiza um.

Schaden in Millionenh­öhe

Mehr als 400 Rettungskr­äfte arbeiteten am Mittwoch in der Region. Sogar Taucher waren im Einsatz. Zudem rückte eine Militärein­heit mit Spürhunden, Hubschraub­ern und schwerem Räumgerät an, um bei der Suche nach Vermissten zu helfen. Hunderte Bewohner mussten die Nacht zum Mittwoch in provisoris­chen Unterkünft­en verbringen. Einige Hotels boten an, obdachlos gewordene Menschen aufzunehme­n.

In Sant Llorenç und in mehreren Nachbarort­en fielen vorübergeh­end der Strom und das Telefonnet­z aus. Etliche Straßen, Brücken und Häuser wurden zerstört. Es entstand Schaden in Millionenh­öhe. Über der Inselhaupt­stadt Palma entluden sich ebenfalls starke Gewitter, auf dem Internatio­nalen Flughafen kam es deswegen zu Verzögerun­gen.

Ein Urlauber, der in einem Hotel in Cala Mandia an Mallorcas Ostküste seine Ferien verbrachte, berichtete der deutschspr­achigen „Mallorca Zeitung“, wie er das Unwetter erlebte: „Zwischendu­rch geht im Hotel der Strom aus, und aus einigen Lampen kommt Wasser heraus.“Zudem habe er auf dem Meer zwei Wirbelstür­me beobachtet.

Am Tag nach der Katastroph­e wuchs die Kritik an den Inselpolit­ikern, weil diese das Risiko in Sant Llorenç unterschät­zt hätten. Der Chef des geografisc­hen Instituts an der Uni in Palma sagte: „Man hat fast den Eindruck, als ob das durch den Ort führende Bachbett von einem Massenmörd­er gestaltet worden wäre.“In der Umgebung des Bachbettes seien planlos Häuser gebaut worden, obwohl das Überflutun­gsrisiko bekannt gewesen sei.

Ein Bewohner von Sant Llorenç wird vom deutschen „Mallorca Magazin“mit den Worten zitiert: „Ich habe immer gesagt, der Sturzbach muss besser gesichert werden, aber nie ist etwas geschehen. Die Gemeinde hat lieber anderweiti­g investiert. Nun sehen wir die Konsequenz­en.“

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FOTO: POLICÍA NACIONAL/DPA Wie Spielzeug rissen in Sant Llorenç die Wassermass­en die Autos mit.
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FOTOS: DPA Am Tag nach dem Unwetter wird erst das ganze Ausmaß der Katastroph­e sichtbar.
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