Bayern-SPD droht Absturz in die Bedeutungslosigkeit
Spitzenkandidatin Natascha Kohnen kann die SPD wohl nicht aus dem Jammertal führen
MÜNCHEN (sz/AFP) – Der SPD droht bei der Landtagswahl in Bayern der Sturz in die Bedeutungslosigkeit. In der jüngsten Vorwahlumfrage lag die bayerische SPD nur noch bei zehn Prozent. Das ist nicht nur eine Halbierung der 20,6 Prozent der Landtagswahl 2013. Sollte sich die Umfrage bewahrheiten, wäre die SPD hinter CSU, Grünen, AfD und Freien Wählern nur fünftstärkste Kraft. Es ist wahrscheinlich, dass die SPD bei einem passenden Ergebnis eine Koalition mit der CSU befürwortet. Allerdings sind die Umfrageergebnisse beider Parteien derzeit so schlecht, dass sie zusammen keine Regierungsmehrheit im Landtag hätten.
MÜNCHEN - Einen betont anderen Wahlkampf wollte Natascha Kohnen führen. Das tut die Vorsitzende der Bayern-SPD und Spitzenkandidatin auch – mit Plakaten, auf denen zum Beispiel „Anstand“steht. In diesen Plakaten steckt ein Vorwurf vor allem an den CSU-Spitzenkandidaten und Ministerpräsidenten Markus Söder. Denn ihm spricht Kohnen genau diese Eigenschaft ab.
Doch der saubere anständige Wahlkampf ohne Attacken auf den Hauptgegner und „mit Respekt vor anderen Meinungen“will trotz massiver Unterstützung von der BundesSPD nicht so recht zünden. Umfragen sehen die SPD nur bei mageren zehn bis 13 Prozent – und damit weit unterhalb des Ergebnisses der letzten Landtagswahl (20,6 Prozent). Wie auch bei der CSU dürften bundespolitische Megatrends eine Rolle spielen. Die bayerischen Sozialdemokraten rangieren traditionell um bis zu zehn Prozentpunkte unter dem Zustimmungswert für die Bundespartei. Wenn es danach geht, dann dürfen sie sogar froh sein, wenn sie am 14. Oktober zweistellig abschneiden.
Doch Freude darüber wird wohl nicht aufkommen bei den bayerischen Genossen. Kohnens Wahlziel, zweitstärkste Kraft im Landesparlament zu werden, dürfte sich nach allen Vorhersagen nicht erfüllen. Die Grünen sind den Sozialdemokraten in den Umfragen weit davon gezogen. Dass der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk zum Duell der Spitzenkandidaten erstmals keinen Sozialdemokraten, sondern den Grünen-Spitzenmann Ludwig Hartmann eingeladen hat, ist eine der vielen Tiefschläge, die Kohnen einstecken musste, ohne es sich anmerken zu lassen.
Kein Durchkommen gegen Grün
Kohnen tritt trotz permanenter Nackenschläge auf wie eine unerschrockene Kämpferin, womöglich aber kämpft sie auf einem verlorenen Posten. Denn so setzte die kurz vor dem 51. Geburtstag stehende Sozialdemokratin zwar eines der zentralen Themen des Wahlkampfs, indem sie schon früh Wohnungsnot in den Mittelpunkt ihrer Kampagne stellte. Als stärkster Kontrahent der CSU wahrgenommen werden aber dennoch die Grünen.
Auch sonst spielt die Bayern-SPD inhaltlich vor allem die soziale Karte. „An erster Stelle steht Menschlichkeit“, sagt Kohnen nicht nur zum Thema Asyl, sondern auch zu den Problemfeldern Wohnen, Pflege und Bildung. An einen Wettlauf um die Gunst der CSU, die nach dem kommenden Sonntag wahrscheinlich einen Koalitionspartner benötigen wird, will sich Kohnen nicht beteiligen. Sie sagt: „Bei Herrn Söder im Bett liegen schon genug andere Oppositionsparteien“. Was nicht bedeutet, dass Schwarz-Rot in Bayern ausgeschlossen wäre. Dennoch glauben viele in München, dass Kohnen die SPD bei einem passenden Wahlergebnis als Koalitionspartner der CSU andienen würde. Eine Regierungsbeteiligung würde die SPD anders als im Bund in Bayern wohl mit Freude eingehen – im Moment sind CSU und SPD aber zusammen so schwach, dass es für eine Bayern„GroKo“nicht reichen würde.
Parteichefin durch Mitgliedervotum
Von 2009 bis 2017 bestimmte Kohnen als Generalsekretärin die Geschicke der bayerischen SPD mit. Im vergangenen Jahr nahmen ihre Kritiker die schlechten Wahlergebnisse in dieser Zeit als Argument, weshalb sie nicht Landesvorsitzende werden sollte. Kohnen konnte sich dennoch in einer Mitgliederbefragung klar durchsetzen.
Welchen Anteil Kohnen am weiteren Niedergang der seit Jahren leiderprobten bayerischen SPD hat, wird am Ende wohl ihr Landesverband feststellen müssen. Persönliche Vorwürfe gegen die eifrige Spitzenkandidatin gibt es bisher keine, die Hauptverantwortung wird in der großen Koalition in Berlin verortet. In der Vergangenheit trennten sich die Sozialdemokraten allerdings nach Niederlagen in Bayern fast immer von ihren Vorsitzenden.