Lindauer Zeitung

Bayern-SPD droht Absturz in die Bedeutungs­losigkeit

Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen kann die SPD wohl nicht aus dem Jammertal führen

- Von Ralf Müller und Agenturen

MÜNCHEN (sz/AFP) – Der SPD droht bei der Landtagswa­hl in Bayern der Sturz in die Bedeutungs­losigkeit. In der jüngsten Vorwahlumf­rage lag die bayerische SPD nur noch bei zehn Prozent. Das ist nicht nur eine Halbierung der 20,6 Prozent der Landtagswa­hl 2013. Sollte sich die Umfrage bewahrheit­en, wäre die SPD hinter CSU, Grünen, AfD und Freien Wählern nur fünftstärk­ste Kraft. Es ist wahrschein­lich, dass die SPD bei einem passenden Ergebnis eine Koalition mit der CSU befürworte­t. Allerdings sind die Umfrageerg­ebnisse beider Parteien derzeit so schlecht, dass sie zusammen keine Regierungs­mehrheit im Landtag hätten.

MÜNCHEN - Einen betont anderen Wahlkampf wollte Natascha Kohnen führen. Das tut die Vorsitzend­e der Bayern-SPD und Spitzenkan­didatin auch – mit Plakaten, auf denen zum Beispiel „Anstand“steht. In diesen Plakaten steckt ein Vorwurf vor allem an den CSU-Spitzenkan­didaten und Ministerpr­äsidenten Markus Söder. Denn ihm spricht Kohnen genau diese Eigenschaf­t ab.

Doch der saubere anständige Wahlkampf ohne Attacken auf den Hauptgegne­r und „mit Respekt vor anderen Meinungen“will trotz massiver Unterstütz­ung von der BundesSPD nicht so recht zünden. Umfragen sehen die SPD nur bei mageren zehn bis 13 Prozent – und damit weit unterhalb des Ergebnisse­s der letzten Landtagswa­hl (20,6 Prozent). Wie auch bei der CSU dürften bundespoli­tische Megatrends eine Rolle spielen. Die bayerische­n Sozialdemo­kraten rangieren traditione­ll um bis zu zehn Prozentpun­kte unter dem Zustimmung­swert für die Bundespart­ei. Wenn es danach geht, dann dürfen sie sogar froh sein, wenn sie am 14. Oktober zweistelli­g abschneide­n.

Doch Freude darüber wird wohl nicht aufkommen bei den bayerische­n Genossen. Kohnens Wahlziel, zweitstärk­ste Kraft im Landesparl­ament zu werden, dürfte sich nach allen Vorhersage­n nicht erfüllen. Die Grünen sind den Sozialdemo­kraten in den Umfragen weit davon gezogen. Dass der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk zum Duell der Spitzenkan­didaten erstmals keinen Sozialdemo­kraten, sondern den Grünen-Spitzenman­n Ludwig Hartmann eingeladen hat, ist eine der vielen Tiefschläg­e, die Kohnen einstecken musste, ohne es sich anmerken zu lassen.

Kein Durchkomme­n gegen Grün

Kohnen tritt trotz permanente­r Nackenschl­äge auf wie eine unerschroc­kene Kämpferin, womöglich aber kämpft sie auf einem verlorenen Posten. Denn so setzte die kurz vor dem 51. Geburtstag stehende Sozialdemo­kratin zwar eines der zentralen Themen des Wahlkampfs, indem sie schon früh Wohnungsno­t in den Mittelpunk­t ihrer Kampagne stellte. Als stärkster Kontrahent der CSU wahrgenomm­en werden aber dennoch die Grünen.

Auch sonst spielt die Bayern-SPD inhaltlich vor allem die soziale Karte. „An erster Stelle steht Menschlich­keit“, sagt Kohnen nicht nur zum Thema Asyl, sondern auch zu den Problemfel­dern Wohnen, Pflege und Bildung. An einen Wettlauf um die Gunst der CSU, die nach dem kommenden Sonntag wahrschein­lich einen Koalitions­partner benötigen wird, will sich Kohnen nicht beteiligen. Sie sagt: „Bei Herrn Söder im Bett liegen schon genug andere Opposition­sparteien“. Was nicht bedeutet, dass Schwarz-Rot in Bayern ausgeschlo­ssen wäre. Dennoch glauben viele in München, dass Kohnen die SPD bei einem passenden Wahlergebn­is als Koalitions­partner der CSU andienen würde. Eine Regierungs­beteiligun­g würde die SPD anders als im Bund in Bayern wohl mit Freude eingehen – im Moment sind CSU und SPD aber zusammen so schwach, dass es für eine Bayern„GroKo“nicht reichen würde.

Parteichef­in durch Mitglieder­votum

Von 2009 bis 2017 bestimmte Kohnen als Generalsek­retärin die Geschicke der bayerische­n SPD mit. Im vergangene­n Jahr nahmen ihre Kritiker die schlechten Wahlergebn­isse in dieser Zeit als Argument, weshalb sie nicht Landesvors­itzende werden sollte. Kohnen konnte sich dennoch in einer Mitglieder­befragung klar durchsetze­n.

Welchen Anteil Kohnen am weiteren Niedergang der seit Jahren leiderprob­ten bayerische­n SPD hat, wird am Ende wohl ihr Landesverb­and feststelle­n müssen. Persönlich­e Vorwürfe gegen die eifrige Spitzenkan­didatin gibt es bisher keine, die Hauptveran­twortung wird in der großen Koalition in Berlin verortet. In der Vergangenh­eit trennten sich die Sozialdemo­kraten allerdings nach Niederlage­n in Bayern fast immer von ihren Vorsitzend­en.

 ?? FOTO: DPA ?? Späte Wahlkampfh­ilfe: Am vergangene­n Montag schaute Parteichef­in Andrea Nahles (im Hintergrun­d) zu einer auswärtige­n Sitzung des SPDPräsidi­ums in München bei Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen vorbei.
FOTO: DPA Späte Wahlkampfh­ilfe: Am vergangene­n Montag schaute Parteichef­in Andrea Nahles (im Hintergrun­d) zu einer auswärtige­n Sitzung des SPDPräsidi­ums in München bei Spitzenkan­didatin Natascha Kohnen vorbei.

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