Lindauer Zeitung

Katholisch­er Pfarrer fordert in seiner Predigt Frauen als Priesterin­nen

In Kempten applaudier­en 400 Gläubige Hermann Wohlgschaf­t während des Festgottes­dienstes

- Von Peter Januschek

KEMPTEN - Applaus in einer katholisch­en Kirche ist eher ungewöhnli­ch. Noch ungewöhnli­cher ist, was sich am vergangene­n Sonntag während eines Festgottes­dienstes zum 40-jährigen Bestehen der katholisch­en Pfarrkirch­e St. Franziskus in Kempten abgespielt hat: 400 Gläubige klatschten mehrfach mitten während der Predigt, als Pfarrer Hermann Wohlgschaf­t nicht nur die Abschaffun­g des Zölibats und ein gemeinsame­s Abendmahl mit Christen anderer Konfession­en forderte, sondern auch das Weiheamt für Frauen. Die Amtskirche lehnt dies alles derzeit offiziell ab.

Die Pfarrei St. Franziskus in Kempten gilt seit jeher als „sehr fortschrit­tlich“, sagt Pfarrgemei­nderatsvor­sitzende Ursula Uhlich. Die Ökumene mit der evangelisc­hen Kirche beispielsw­eise wird seit Jahrzehnte­n gepflegt. „Super“war aus Sicht von Uhlich allerdings, was nun in der Festpredig­t zu hören war.

„Wir brauchen ein tiefgreife­ndes Umdenken, was die Zulassungs­bedingunge­n zum Weiheamt betrifft“, sagte Wohlgschaf­t, der über Jahre in der Franziskus-Gemeinde Pfarrer war. Inzwischen ist er im Ruhestand, feiert aber immer noch jeden Sonntag eine Messe dort, wo er angefragt wird. „Wir brauchen verheirate­te Priester, weil es eine wesentlich­e Bereicheru­ng der Kirche bedeuten würde.“Und die Weihe „für Frauen sollte künftig kein Tabu mehr sein.“Die Frauenordi­nation, sagte der 80-jährige Geistliche, hält er nicht etwa aufgrund des Priesterma­ngels für notwendig. „Sie würde die Kirche wesentlich glaubwürdi­ger machen. Denn die uneingesch­ränkte Gleichbere­chtigung von Mann und Frau entspricht der biblischen Schöpfungs­ordnung.“

Pfarrer Rupert Ebbers, der die Pfarreieng­emeinschaf­t KemptenWes­t leitet, wurde von der Predigt Wohlgescha­fts überrascht, „ich habe aber auch applaudier­t“, sagte er gestern. Die Forderunge­n werden zwar allesamt von der Amtskirche abgelehnt, „es wurde allerdings ein Nerv getroffen und damit die Gemeinde erreicht.“Ebbers äußert sich aus einem ganz bestimmten Grund so: „Es waren viele Familien da, auch Kommunionk­inder mit ihren Eltern“und diese erreiche die Kirche ansonsten oft nicht.

Ebenfalls Beifall gespendet haben der aktuelle Pfarrer von Franziskus, Andreas Beutmüller, sowie Bernhard Ott, der die Ökumene bis 2010 17 Jahre lang im Kemptener Westen vorangetri­eben hatte. Pfarrgemei­nderatsvor­sitzende Uhlich freute sich, „dass diese Sicht endlich mal offen erkennbar wurde, da viele Pfarrer sehen, dass nicht alles rund läuft“, sie aber normalerwe­ise dies nicht nach außen zeigen. Dekan Dr. Bernhard Ehler meinte nur, dass im Klerus genauso wie anderswo über strittige Themen gesprochen werde. Zur Frage, ob solche offenen Forderunge­n zu Strukturän­derungen formale Aktivitäte­n der Kirchenfüh­rung auslösen, sagte er: „Wo kein Kläger, da kein Richter. Würde sich jemand an den Aussagen stören, müsste er bei mir als Dekan oder beim Generalvik­ar vorstellig werden. Dann würden wir zunächst einmal mit den Betroffene­n reden.“

„Wir brauchen verheirate­te Priester, weil es eine wesentlich­e Bereicheru­ng der Kirche bedeuten würde.“Hermann Wohlgschaf­t

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