Katholischer Pfarrer fordert in seiner Predigt Frauen als Priesterinnen
In Kempten applaudieren 400 Gläubige Hermann Wohlgschaft während des Festgottesdienstes
KEMPTEN - Applaus in einer katholischen Kirche ist eher ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist, was sich am vergangenen Sonntag während eines Festgottesdienstes zum 40-jährigen Bestehen der katholischen Pfarrkirche St. Franziskus in Kempten abgespielt hat: 400 Gläubige klatschten mehrfach mitten während der Predigt, als Pfarrer Hermann Wohlgschaft nicht nur die Abschaffung des Zölibats und ein gemeinsames Abendmahl mit Christen anderer Konfessionen forderte, sondern auch das Weiheamt für Frauen. Die Amtskirche lehnt dies alles derzeit offiziell ab.
Die Pfarrei St. Franziskus in Kempten gilt seit jeher als „sehr fortschrittlich“, sagt Pfarrgemeinderatsvorsitzende Ursula Uhlich. Die Ökumene mit der evangelischen Kirche beispielsweise wird seit Jahrzehnten gepflegt. „Super“war aus Sicht von Uhlich allerdings, was nun in der Festpredigt zu hören war.
„Wir brauchen ein tiefgreifendes Umdenken, was die Zulassungsbedingungen zum Weiheamt betrifft“, sagte Wohlgschaft, der über Jahre in der Franziskus-Gemeinde Pfarrer war. Inzwischen ist er im Ruhestand, feiert aber immer noch jeden Sonntag eine Messe dort, wo er angefragt wird. „Wir brauchen verheiratete Priester, weil es eine wesentliche Bereicherung der Kirche bedeuten würde.“Und die Weihe „für Frauen sollte künftig kein Tabu mehr sein.“Die Frauenordination, sagte der 80-jährige Geistliche, hält er nicht etwa aufgrund des Priestermangels für notwendig. „Sie würde die Kirche wesentlich glaubwürdiger machen. Denn die uneingeschränkte Gleichberechtigung von Mann und Frau entspricht der biblischen Schöpfungsordnung.“
Pfarrer Rupert Ebbers, der die Pfarreiengemeinschaft KemptenWest leitet, wurde von der Predigt Wohlgeschafts überrascht, „ich habe aber auch applaudiert“, sagte er gestern. Die Forderungen werden zwar allesamt von der Amtskirche abgelehnt, „es wurde allerdings ein Nerv getroffen und damit die Gemeinde erreicht.“Ebbers äußert sich aus einem ganz bestimmten Grund so: „Es waren viele Familien da, auch Kommunionkinder mit ihren Eltern“und diese erreiche die Kirche ansonsten oft nicht.
Ebenfalls Beifall gespendet haben der aktuelle Pfarrer von Franziskus, Andreas Beutmüller, sowie Bernhard Ott, der die Ökumene bis 2010 17 Jahre lang im Kemptener Westen vorangetrieben hatte. Pfarrgemeinderatsvorsitzende Uhlich freute sich, „dass diese Sicht endlich mal offen erkennbar wurde, da viele Pfarrer sehen, dass nicht alles rund läuft“, sie aber normalerweise dies nicht nach außen zeigen. Dekan Dr. Bernhard Ehler meinte nur, dass im Klerus genauso wie anderswo über strittige Themen gesprochen werde. Zur Frage, ob solche offenen Forderungen zu Strukturänderungen formale Aktivitäten der Kirchenführung auslösen, sagte er: „Wo kein Kläger, da kein Richter. Würde sich jemand an den Aussagen stören, müsste er bei mir als Dekan oder beim Generalvikar vorstellig werden. Dann würden wir zunächst einmal mit den Betroffenen reden.“
„Wir brauchen verheiratete Priester, weil es eine wesentliche Bereicherung der Kirche bedeuten würde.“Hermann Wohlgschaft