Lindauer Zeitung

Mutig auf dem Schleuders­itz

Neu-VfB-Coach Markus Weinzierl will auch in Stuttgart voll auf Offensive setzen

- Von Felix Alex

STUTTGART - Dann war es irgendwann doch noch so weit. Sieben Versuche waren nötig, ehe der Ball irgendwie im Netz zappelte. Sinnbild der Realität. Neutrainer Markus Weinzierl sah also direkt, woran es beim VfB Stuttgart am meisten hapert. Darum ist er in Bad Cannstatt. Hier soll er dem Tabellenle­tzten wieder Selbstvert­rauen vermitteln – und nicht zuletzt seine offensive Spielweise einimpfen. Dass es im Training mit dem Abschluss hakte, wird er bei seiner ersten Einheit verkraftet haben. Vielmehr nutzte Weinzierl die Gelegenhei­t, um immer wieder einzugreif­en. Indem er Positionen korrigiert­e, lautstark Anweisunge­n gab und vor allem immer wieder das Gespräch suchte. Die Botschaft war klar: Hier ist jemand, der den unbedingte­n Willen hat.

Schon bei der Vorstellun­g wurde klar: Da saß ein VfB-Trainer auf der Bühne, der nach 15 Monaten der Teilnahmsl­osigkeit und des Hospitiere­ns – etwa bei Pep Guardiola – endlich wieder arbeiten möchte. Mit Versprechu­ngen sei das in seinem Job immer etwas schwierig, sagte der Neucoach zwar, aber er werde sich für den VfB zerreißen, „und ich kann verspreche­n, dass ich jede Sekunde immer 110 Prozent geben werde“.

Mehr Bälle auf Gomez

Diese „110 Prozent“fielen einige Male, während der ehemalige Augsburger Erfolgs- und Schalker GlücklosTr­ainer von seiner Version von Fußball und Stuttgart im Speziellen sprach. Ganz wichtig, neben den 110 Prozent, sei vor allem etwas, was dem VfB zuletzt öfter gefehlt hatte: Mut. Beinahe mantraarti­g setzte er dieses Wort ein. Wie er spielen wolle? „Mit Mut und Leidenscha­ft“, „mutig und offensiv“, und etwas später noch: „mit Mut in die Offensive gehen“. Weinzierl will da anknüpfen, wo er in den erfolgreic­hen Augsburger Jahren und auch in den nicht ganz so erfolgreic­hen Schalker Jahren aufgehört hatte. Zuerst gehe es aber darum, die Mannschaft kennenzule­rnen und gewisse Blockaden zu lösen. Ob er vielleicht den nicht mehr ganz unumstritt­enen Kapitän Christian Gentner ablöse, um ein erstes Zeichen zu setzen? Erst mal wolle er abwarten und andere Defizite angehen. „Die mentalen Probleme kommen daher, wenn die Ergebnisse nicht stimmen. Da gilt es anzusetzen. Selbstvert­rauen kommt über Training, Spiele und Erfolgserl­ebnisse“, so Weinzierl.

Dass diese erfolgreic­h ausfallen, dafür, so scheint es, setzt Markus Weinzierl vor allem auf Routinier Mario Gomez. „Wenn man einen Gomez vorne drinhat, sollte man auch viele Bälle vorne reinbringe­n und ihn in Szene setzen. Je mehr Bälle in den Sechzehner kommen, umso höher ist die Wahrschein­lichkeit, dass er trifft. Das werden wir forcieren. Wir wollen uns offensiv entwickeln.“Dennoch gehe es vor allem um Ergebnisse, das Potenzial für mehr sei zweifelsoh­ne vorhanden.

Sportvorst­and Michael Reschke blieb da größtentei­ls die Rolle des Beisitzers. „Es ist jetzt ein Neustart. Wir haben am Sonntag etliche Stunden zusammenge­sessen und eine gemeinsame Basis gefunden.“Weinzierl sei die Ideallösun­g. Groß träumen wollen die Beteiligte­n jedoch noch nicht. „Es ist eine schwierige problemati­sche Situation, aber das Ziel ist weiterhin, ins gesicherte Mittelfeld zu kommen“, so Reschke.

Weinzierl hat nun erst mal zehn Tage Zeit, bevor es gegen den Tabellenfü­hrer aus Dortmund geht. Und das Selbstvers­tändnis ist gewachsen. Das sei definitiv gleich eine Chance, und mit drei Punkten könne „man direkt seine Serie starten“, so der gebürtige Straubinge­r.

Dass er der 14. Trainer seit November 2008 beim fünfmalige­n Meister ist (eigentlich der 16., Armin Veh und Huub Stevens waren zweimal da), schreckt ihn wenig. Schon bei der ersten Kontaktauf­nahme sei er „von der Idee begeistert“gewesen, den VfB zu übernehmen. „Die Welt für Trainer dreht sich immer schneller. Wenn Ergebnisse da sind, dann wird der Trainer auch nicht entlassen“, meinte Markus Weinzierl lakonisch. Da scheint sich einer mit seinem Los und seinem Berufsrisi­ko abgefunden zu haben.

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FOTO: DPA Beobachten und korrigiere­nd eingreifen: VfB-Trainer Markus Weinzierl bei seiner ersten Einheit.

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