Lindauer Zeitung

Unwetter an den Aktienmärk­ten

Konjunktur­sorgen und Zinsängste sorgen rund um den Globus für heftige Verluste bei Dividenden­titeln – Was Anleger wissen müssen

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - Der kräftige Einbruch der Aktienmärk­te, der schon am Mittwoch begonnen hatte, geht weiter. Bis zum Abend verlor der DAX weitere 1,5 Prozent auf 11 539 Punkte. Das war der niedrigste Stand seit Februar 2017. Die wichtigste­n Fragen und Antworten für Anleger.

Warum bricht der Aktienmark­t jetzt ein?

Man muss unterschei­den zwischen einem länger schon anhaltende­n Unbehagen an den Finanzmärk­ten und dem aktuellen Auslöser. Der dürfte in den pessimisti­schen Äußerungen des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) der letzten Tage liegen. Der hatte zunächst vor allem wegen der Handelskon­flikte zwischen den USA und China seine Wachstumsp­rognose für die Weltwirtsc­haft gesenkt. Dann warnte er vor abrupten Turbulenze­n an den Finanzmärk­ten – auch wegen der Handelskon­flikte und geopolitis­chen Risiken. Das ließ die Börsen weltweit am Mittwoch abstürzen.

Welche weiteren Risiken sehen die Anleger?

Sie sorgen sich um einen massiven Zinsanstie­g in den USA. Vor einer Woche hatte Jerome Powell, der PräDelp, sident der amerikanis­chen Notenbank Fed, von einer „bemerkensw­ert positiven“Entwicklun­g der amerikanis­chen Wirtschaft gesprochen. Wenn das so bleibe, werde die Notenbank die Zinsen vielleicht noch schneller anheben als zuvor angekündig­t. Wenn aber die Zinsen zu schnell steigen, könnte das die Konjunktur auch wieder abwürgen, fürchten manche Börsianer. „Das Thema Zinsen wird zu hoch gehängt“, meint jedoch Hans-Jürgen Anlagestra­tege der Commerzban­k: „Die Fed macht einen SuperJob.“Sie richte sich nach der Entwicklun­g der Konjunktur, sie werde sie sicher nicht abwürgen. US-Präsident Donald Trump hatte jedoch getwittert, die Fed sei „verrückt geworden“. Dabei war er es, der mit der Steuerrefo­rm Ende des vergangene­n Jahres die schon gut laufende Wirtschaft noch stärker angeschobe­n hatte. Mit weiteren Zinserhöhu­ngen musste er deshalb eigentlich rechnen, denn die Fed will nicht, dass die Wirtschaft überhitzt.

Welche Rolle spielt die italienisc­he Politik an den Märkten?

Vor allem in Europa schaut man auf Italien. „Diese Diskussion ist noch nicht ausgestand­en“, meint Michael Holstein, Leiter der Abteilung Volkswirts­chaft bei der DZ-Bank. „Die Währungsun­ion ist zwar nicht unmittelba­r gefährdet. Aber der Konflikt hat potenziell große Sprengkraf­t.“Denn Italien ist zum einen die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der EU. Zum anderen legt es die italienisc­he Regierung mit ihrem Haushaltse­ntwurf und dem Ausbau der Staatsschu­lden auf einen Streit mit der EU an. „Die italienisc­he Regierung dürfte ein Problemfak­tor bleiben“, glaubt auch Commerzban­k-Stratege Delp.

Wie wirkt sich die Lage an den Finanzmärk­ten auf die Schwellenl­änder aus?

Die Wirtschaft­spolitik der Türkei etwa hat zwar nicht den aktuellen Crash ausgelöst. Aber Schwellenl­änder spüren meist als erste eine Veränderun­g der Geldpoliti­k in den USA. Denn wenn die Zinsen dort steigen, wird die Anlage im Dollar und US-Anleihen wieder reizvoller. Deshalb ziehen Anleger dann ihre Gelder aus den Schwellenl­ändern ab, weil die Investitio­nen dort auch mit höherem Risiko verbunden sind, und legen sie etwa in amerikanis­chen Staatsanle­ihen an. Das kann dann weitere Turbulenze­n in den Schwellenl­ändern auslösen.

Welche Aktien werden verkauft?

Alle – bis auf defensive Titel. Besonders hart trifft es die Aktien, die vorher stark zugelegt hatten – allen voran Technologi­ewerte wie Amazon, Google, Apple oder, aus deutscher Sicht, Dax-Aufsteiger Wirecard.

Wie geht es nun weiter?

Das ist zum aktuellen Zeitpunkt schwer zu sagen. Für manche Börsianer ist die Charttechn­ik ein Anhaltspun­kt, die sich an bestimmen Kursmarken orientiert. Mit dem Bruch der Unterstütz­ung bei 11 800 Dax-Punkten und neuen Jahrestief­ständen wurde in den vergangene­n Tagen viel Porzellan zerschlage­n. Andere Finanzmark­texperten hingegen sehen auf dem aktuellen Niveau Einstiegsk­urse. Dem Verwaltung­sratschef der Schweizer Großbank UBS und ehemaligen Bundesbank­präsidente­n Axel Weber zufolge, sei das dümmste was Anleger jetzt machen könnten, Aktien zu verkaufen. Dividenden­titel hätten nach wie vor Kurspotent­ial.

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FOTO: DPA Aktienhänd­ler an der New Yorker Börse: Mehr als 800 Punkte ist das US-Börsenbaro­meter Dow Jones am Mittwoch eingebroch­en.

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