Hat eine Mutter ihren Sohn vergewaltigt?
Gutachter zweifelt im Aalener Missbrauchsprozess Glaubwürdigkeit an – Noch kein Urteil
AALEN (dpa/gk) - Mehr als zehnmal soll eine Mutter ihren leicht geistig behinderten Sohn im Kindesalter sexuell missbraucht haben. Das gab der Junge bei einer aufgezeichneten Videovernehmung zu Protokoll. Sie wurde am Donnerstag im Prozess gegen die 42 Jahre alte Frau vor dem Amtsgericht Aalen vorgeführt. Zuletzt sei er von der Mutter im Alter von zwölf Jahren zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden, berichtete das mutmaßliche Opfer bei der Vernehmung durch einen Ermittlungsrichter im März 2016 im Polizeipräsidium Ellwangen. Die Glaubwürdigkeit und Verwendbarkeit der Aussage beurteilten Gutachter jedoch unterschiedlich.
Der Sohn, der laut Gutachtern eine leichte bis deutliche Intelligenzminderung und Persönlichkeitsstörung hat, war nicht anwesend.
Der Rechtsanwalt der Mutter, Peter Hubel, bezeichnete das Vernehmungsvideo unter Hinweis auf dessen schlechte technische Qualität als „völligen Müll“. Die Aussage des mutmaßlichen Opfers sei kaum verständlich. Staatsanwalt Ulrich Karst hingegen hält entscheidende Aussagen für ausreichend verständlich, wie er erklärte. Der Gutachter Josef Rohmann bemängelte, dass wichtige Einzelheiten zum angeblichen Sex mit der Mutter in den Zeugen hineingefragt und nicht von allein von ihm geschildert worden seien: „Diese Art und Weise der Befragung ist fragwürdig.“
Umstritten sind auch Angaben des mutmaßlichen Opfers, wonach es befürchtet haben will, der Vater seines 2013 geborenen Bruders zu sein. Ein Vertreter des Jugendamtes, das den Jungen seinerzeit wegen Kindeswohlgefährdung in eine Pflegefamilie gegeben hatte, widersprach: Man habe zwar keinen DNATest zur Vaterschaft veranlasst. Diese könne aber aufgrund eines Abgleichs der Besuchstermine des Jungen bei seiner Mutter mit deren damaliger potenzieller Empfängniszeit ausgeschlossen werden.
Die Angeklagte bestreitet in dem am 27. September eröffneten Verfahren alle Vorwürfe vehement. Sie wirft dem Pflegevater des Jungen, in dessen Obhut ihn das Jugendamt gegeben hatte, einen unbestimmten Racheakt vor. Sie sei lesbisch, machte die Frau zudem geltend, und habe mithin gar kein Interesse an Sex mit männlichen Personen. Auch der Mutter bescheinigte ein Gutachter eine Intelligenzminderung.
Bei der Einschätzung des angeblich missbrauchten Jungen stimmten Sachverständige zwar darin überein, dass eine Verhaltensstörung vorliege. Aber die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen beurteilen sie unterschiedlich. Anders als Rohmann erklärt die Gutachterin Judith Arnscheid, die bei der Videovernehmung anwesend war, die Anschuldigungen wirkten durchaus wahrheitsgetreu. Das Urteil soll am 18. Oktober verkündet werden.