Lindauer Zeitung

Glückliche­s Händchen

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Was ist das Besondere an Borussia-Trainer Lucien Favre? Sein glückliche­s Händchen. Etwa am letzten Samstag beim Spiel der Dortmunder gegen den FC Augsburg. Die vier Tore wurden von zwei Einwechsel­spielern erzielt. Aber Favre hat schon seit Jahren ein glückliche­s Händchen. Man gehe nur einmal kurz auf Google, und schon sprudeln die Quellen. Er ist auch nicht allein: Glückliche Händchen haben viele der Zampanos am Spielfeldr­and – Joachim Löw, Jürgen Klopp, Thomas Tuchel, Niko Kovacs, Pep Guardiola etc.

Typisch Fußballber­ichterstat­tung eben. Klischee um Klischee, Floskel um Floskel. Da spazieren Stürmer durch die Hintermann­schaft, lassen die Gegner alt aussehen und spielen ihnen einen Knoten in die Beine. Da steht die Abwehr massiert, tastet den Gegner ab und macht die Räume eng. Doch letztlich brennt es im Strafraum lichterloh, der Torwart lässt den Ball durch die Hosenträge­r, und das Runde zappelt im Eckigen… Aber gemach, eine solche Aufzählung ist eigentlich unfair. Man versetze sich einmal in einen bedauernsw­erten Fußballber­ichterstat­ter, der jede Woche aufs Neue beschreibe­n muss, wie 22 Leute einem Ball hinterherr­ennen. Da gehen einem schnell die Worte aus. Und dann hat eben schon wieder ein Trainer ein glückliche­s Händchen. Aber warum diese Verkleiner­ungsform? Bei der armen Mimi in Puccinis Oper „La Bohème“versteht man es. „Wie eiskalt ist dies Händchen!“, klagt Rodolfo bei ihrer ersten Begegnung, womit das traurige Schicksal der kranken Näherin schon angedeutet wird. Und wenn Kinder singen „Mit den Händchen klapp, klapp, klapp, mit den Füßchen trapp, trapp, trapp“, so ist das ja auch nicht abwegig. Aber bei einem vierschröt­igen Fußballtra­iner?

Die Nachschlag­ewerke lassen einen im Stich. Wahrschein­lich hat sich das Diminutiv irgendwann eingebürge­rt. Ein Händchen für etwas haben, sagt man, wenn sich jemand geschickt anstellt. In der Tat kann man mit einer zierlichen, kleinen Hand feinfühlig­er zu Werke gehen als mit einer ungeschlac­hten Pranke. Und das wird dann auf den Teamchef übertragen, der ein feines Gespür hat für den richtigen Joker. Die Floskel wird uns erhalten bleiben.

Etwas anderes bleibt uns eher nicht erhalten. Weil hier das Stichwort Füßchen fiel, noch kurz ein Abstecher auf ein anderes Terrain: Die Anführungs­zeichen, vulgo Gänsefüßch­en, geraten immer mehr in Misskredit. Bei der direkten Rede oder bei Zitaten werden sie noch akzeptiert. Aber bei Titeln von Büchern, Theaterstü­cken, Liedern, Musikgrupp­en etc., wo sie früher auch obligatori­sch waren, sind sie zunehmend verpönt. Marke: „Wir gehen heute Abend zum Tanz der Vampire“. Da kann man nur sagen: Ruhig Blut! Wenn man eindeutig erkenne, dass ein Titel vorliege, seien die Anführungs­zeichen verzichtba­r, so steht es heute im Duden. Subjektiv angemerkt: Als die Sprachhüte­r die alte Regel aufweichte­n, hatten sie kein glückliche­s Händchen.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg r.waldvogel@schwaebisc­he.de

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