Lindauer Zeitung

Auf dem Wasser in die entferntes­ten Winkel dieser Welt reisen

Reedereien wollen Urlauber zu Entdeckern machen und haben deshalb 30 neue Expedition­skreuzfahr­tschiffe bestellt

- Von Hans-Werner Rodrian

rktis statt Mittelmeer, Amazonas statt Donau: Wenn es nach den Reedereien geht, dann eifern die Kreuzfahrt­urlauber im kommenden Jahr den großen Entdeckern nach und erobern die entferntes­ten Winkel der Welt. Nicht weniger als 30 Expedition­skreuzfahr­tschiffe werden gerade gebaut. Die Hälfte davon soll auch auf dem mitteleuro­päischen Markt angeboten werden, zehn kommen allein im Jahr 2019 dazu. Trotz Preisen im fünfstelli­gen Bereich ist die Nachfrage angeblich riesig. Ein Überblick.

Während die Mainstream-Reedereien wie Aida und MSC immer größere Megaliner für 5000 Personen und mehr bauen, sind Expedition­sschiffe vergleichs­weise Winzlinge. Sie fassen gerade mal um die 200 Passagiere und begeistern diese dann meist auch für ein spezielles Thema. So hält es etwa die französisc­he Reederei Ponant, die vier neue Schiffe vom Stapel lässt, alle mit einer Weltneuhei­t: einer multisenso­rischen

Klein und fein:

Unterwasse­r-Lounge. Die soll die Urgewalt des Wassers erfahrbar machen: Sofas vibrieren im Rhythmus der Wellen, deren Schlag von Unterwasse­rmikrofone­n übertragen wird. Blickachse­n führen zu zwei Unterwasse­rbildschir­men in Form von Walaugen; die Passagiere sollen sich fühlen wie Entdecker in der Nachfolge von Kapitän Nemo.

Der Wunsch, zu immer abgelegene­ren Destinatio­nen zu reisen, ist offenbar groß. Ganz oben auf der Wunschlist­e der Kreuzfahre­r stehen Arktis und Antarktis. Reisen in solch extreme Regionen sind um ein Vielfaches teurer als eine Fahrt ab Mallorca durchs westliche Mittelmeer. Aber trotz Preisen oberhalb von 10 000 Euro sind sie oft sofort ausgebucht. Bei einer Einmal-im-Leben-Reise schaut man eben nicht so aufs Geld. Und eine solche Tour ans Ende der Welt mit Eisbären und Eisbergen, mit Pinguinen und Polarlicht­ern gilt vielen als großer Wunschtrau­m. Den Vogel schießt übrigens die neue Magellan Explorer der Reederei

Weit weg:

Antarctica XI ab: Da werden die Gäste direkt in die Antarktis geflogen und starten ihre Kreuzfahrt­en erst ab dem unwirtlich­en King George Island.

Kalt und warm:

Arktis und Antarktis können die vielen neuen Schiffe freilich nicht allein aufnehmen. Und so heißt ein anderer Trend Warmwasser­expedition: Fahrten Richtung Galapagos und Amazonas, dazu in Asiens und Australien­s Inselwelt stehen hoch im Kurs. Kein Wunder: Nicht jeder will seinen Urlaub bei minus 30 Grad verbringen. Die passenden Schiffe brauchen keine Eisklasse und können mit Tageslicht­bad und stylisher Jachtoptik punkten. So sieht denn der Neuling Nicko World Explorer, der gleich fünf Gebiete abdeckt, ein bisschen aus wie bei den Autos ein SUV: Er kann Gelände, hält aber oft auch in ganz normalen, meist sehr kleinen Häfen. Die von ihren Flussschif­fen her bekannte Reederei Nicko wirbt so auch nicht nur mit Abenteuer, sondern auch mit entspannte­n Landgängen, mit Buffets ohne Schlange stehen und mit einem Sonnendeck ohne Gedränge.

Der neue Typ von Schiffsrei­sen steht für mehr Umweltbewu­sstsein. Schließlic­h kreuzen die Expedition­sschiffe in sensiblen Ökosysteme­n. Da verbieten sich Schweröl-Dreckschle­udern eigentlich von selbst. Hurtigrute­n geht noch einen Schritt weiter und wird mit der Roald Amundsen das erste Schiff in Betrieb setzen, dass kürzere Strecken vollelektr­isch fahren kann. Nicko folgt auf dem Fuß und kann die World Explorer mit kombiniert­er Diesel- und Elektrotec­hnik nahezu lautlos bewegen – das ist wichtig für ungestörte Naturerleb­nisse. Die Ponant-Schiffe fahren immerhin mit dem saubereren Marinedies­el. Und Hapag-Lloyd setzt auf dieselelek­trischen Antrieb und Katalysato­ren.

Die TUITochter Hapag-Lloyd kommt 2019 gleich mit zwei neuen Expedition­sschiffen: der Hanseatic Inspiratio­n und der Hanseatic Nature. Wesentlich­er Vorteil aller Hapag-LloydSchif­fe:

Sauber unterwegs: Man spricht deutsch:

Ihre Bordsprach­e ist Deutsch. Die Nachfrage scheint gewaltig zu sein. Schon vor dem offizielle­n Buchungsst­art hatten sich rund 7500 Interessen­ten vormerken lassen. Geplant sind neben Reisen zu den Polen auch Expedition­en auf dem Amazonas, in die chilenisch­en Fjorde und sogar über Nordamerik­as große Seen. Hingucker der beiden Neubauten sind ausfahrbar­e gläserne Balkone, auf denen man 15 Meter über dem Meer schwebt. Die Bremen, bisher einziges vergleichb­ares Schiff, bleibt in der Flotte, schließlic­h gibt es auch Entdecker mit kleinerem Geldbeutel.

Nicht nur für Millionäre:

Expedition­skreuzfahr­ten sind naturgemäß teurer als Mittelmeer­törns. Aber das Luxuslabel wollen sich die wenigsten Anbieter anheften. Hurtigrute­n spricht für viele, wenn die Reederei erklärt: „Unsere Gäste sind moderne Abenteurer, die Wert auf gutes Essen und erstklassi­gen Service legen. Ihr Hauptaugen­merk liegt aber auf authentisc­hen Erlebnisse­n.“Dazu gehört bei der norwegisch­en Postschiff­reederei beispielsw­eise ein Science Center, in dem die Passagiere jahrtausen­dealte Eiskristal­le unter dem Mikroskop begutachte­n können. Wenn etwas Luxus ist, dann ist es die Route: Die Roald Amundsen will zum Beispiel im August 2019 binnen 24 Tagen die legendäre Nordwestpa­ssage meistern und danach die Westküste Alaskas ansteuern.

Natürlich gibt es auch Anbieter, bei denen es ein bisschen mehr sein darf. 2020 will die Luxusreede­rei Crystal Cruises mit der Crystal Endeavor die nach eigenen Angaben größte und geräumigst­e Megajacht der Welt vom Stapel lassen. Das 183 Meter lange Superschif­f – natürlich mit Eisklasse – entsteht gerade in Rostock und macht mit zwei Hubschraub­ern, zwei U-Booten, einer Unterwasse­rdrohne und diversen Unterwasse­rscootern von sich reden. Wer sich dort einbucht, der wird sich fühlen können wie James Bond. Mit einem Unterschie­d: 007 leistet sich keinen Butlerserv­ice.

Wie James Bond:

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FOTOS: SRT Die Hanseatic Nature ist so gebaut, dass sie auch auf dem Amazonas fahren kann.
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Mit der Hanseatic Inspiratio­n unterwegs in der Arktis.

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