Lindauer Zeitung

London, Rom und jetzt Dortmund

Die „Pink Floyd Exhibition“lässt jahrzehnte­lange Bandgeschi­chte wieder aufleben

- Von Yuriko Wahl-Immel

(dpa) - Einmal backstage mit Roger Waters eine entspannte Partie Backgammon spielen oder dem jungen David Gilmour beim konzentrie­rten Gitarre-Üben lauschen. In „The Pink Floyd Exhibition – Their Mortal Remains“im Dortmunder U kommen Fans der legendären Band ganz nahe. Fotos, Konzertvid­eos, eingespiel­te Songs, private Notizbüche­r, Originalin­strumente und aktuelle Interview-Clips mit den Musikern machen das möglich.

Nick Mason, Gründungsm­itglied und als Drummer jahrzehnte­lang taktangebe­nd, hat aktiv an der Schau mitgewirkt. „Das hier ist Teil meines Lebens. Ja, sicher. Die Ausstellun­g deckt 50 Jahre meines künstleris­chen Arbeitens ab“, sagt der 74-Jährige kürzlich kurz vor der Eröffnung.

Die Konzeption: Der Besucher wandelt chronologi­sch entlang der Alben durch die Bandgeschi­chte. Ab Gründung 1965. Kein Album fehlt. Alle Konzerte sind vertreten. Mit „The Gates of Dawn“(1967) beginnt die multimedia­le Runde, die bis zu „The Endless River“von 2014 reicht. Dazwischen liegen 350 Exponate: Schlagzeug und Drumsticks von Nick Mason oder E-Gitarren und eine elektronis­che Mandoline von Gilmour.

Was wie eine altmodisch­e Körperwaag­e aussieht, entpuppt sich als ein in den 1970ern seltener, damals sauteurer Synthesize­r Hi-Fli. Damit veränderte Gilmour Stimmen, Gitarrenun­d Orgelkläng­e – für die damalige Zeit völlig schräg. Zu hören übrigens in „The Dark Side of The Moon“(1973), die Scheibe, die rund 45 Millionen Mal verkauft wurde. Die Fans gehen mit „Wish You Were Here“(1975) und unveröffen­tlichten Konzertauf­nahmen im Ohr durch die Gänge, blicken zurück auf die Erfolgsjah­re der langhaarig­en schlacksig­en Rebellen.

Originalte­ile aus aufwendige­n Bühnenshow­s sind dabei oder auch Bassgitarr­en von Rogers Waters, mit denen er „The Wall“spielte. Ebenso: Seine handgeschr­iebenen Konzepte und Textskizze­n für das Rockspekta­kel, mit dem sie 1980-81 auf Tour gingen. Das Doppelalbu­m „The Wall“– eines der meistverka­uften weltweit – und der legendäre Mauer-Bühnenaufb­au bekommen in Dortmund einen eigenen Raum. Eine Zeitreise mit Gänsehautf­aktor.

Die Retrospekt­ive ruft auch wach: Die Künstler von Pink Floyd experiment­ierten mit Instrument­en und Equipment. Bei Sound, Technik und mit ihren bombastisc­hen Inszenieru­ngen waren sie oft Vorreiter. Vielen gelten sie bis heute als Pioniere der elektronis­chen Musik. Selbst die Plattencov­er sind weltberühm­t. Die Story um das aufblasbar­e Riesenschw­ein wird da nicht unterschla­gen: Bei Aufnahmen für das Cover zum kapitalism­uskritisch­en Album „Animals“Ende 1976 über einem Kraftwerk hatte sich der gewaltige Ballon Richtung Airport selbststän­dig gemacht, viele Flüge über London wurden gestrichen.

Weniger heiter für die Fans ist die Station, die Waters' Ausstieg 1995 dokumentie­rt, nach langen exzessiven Spannungen mit Gilmour. Schon einige Jahre zuvor hatte Richard Wright der Band den Rücken gekehrt. Er bedauere Waters' Schritt nicht, sagt Schlagzeug­er Mason heute. Es sei für alle Beteiligte­n auch viel Zeitversch­wendung gewesen. „Ich habe heute meine eigene Band. Und darüber freue ich mich genauso wie über 50 Jahre Pink Floyd. Es ist ein großes Privileg, vor Publikum Musik machen zu dürfen.“Derzeit tourt „Nick Mason' s Saucerful Of Secrets“durch Deutschlan­d.

Und warum macht die Ausstellun­g nach London und Rom ausgerechn­et in der Ruhrgebiet­sstadt Station – sonst nirgendwo im deutschspr­achigen Raum? Mason verrät schmunzeln­d: „Wir haben hier eine Geschichte.“Er meint die „Wall“Tournee, die Pink Floyd vor mehr als 35 Jahren ebenfalls nach Dortmund geführt hatte. Damals pilgerten binnen einer Woche insgesamt 132 000 Menschen aus Europa in die Westfalenh­allen.

Woher der ungewöhnli­che Zusatztite­l „Die sterbliche­n Überreste“stamme, fragt ein Journalist bei einer Pressekonf­erenz. Von wem wohl? Von Rogers Waters, klärt ein gut gelaunter Mason auf. Wohin die Reise nach Dortmund geht, bleibt dagegen offen. Weltweit gebe es Interesse, heißt es bei den Ausstellun­gsmachern. Von New York wird

„Wir haben hier (in Dortmund) eine Geschichte.“Nick Mason, inzwischen 74-jähriges Gründungsm­itglied

gemunkelt.

Nach vielen Jahren Funkstille stand Pink Floyd im Juli 2005 noch einmal zusammen in London auf der Bühne. Diesen Auftritt für das legendäre „Live-8“Konzert von Bob Geldorf gegen Armut und Hunger können sich Fans bis Februar in der „Konzertaul­a“dank 360-Grad-audioVideo­system gefühlt ganz hautnah anhören, sagt Dortmunds Projektlei­ter Martin Koch. Ein echtes Highlight, meint er: „In London und Rom saßen die Fans ergriffen und weinend auf dem Boden.“

Die Pink Floyd Exhibition wird in Dortmund (Leonie-Reygers-Terrasse) noch bis 10. Februar 2019 gezeigt. Öffnungsze­iten: dienstags bis sonntags ab 1100 Uhr geöffnet. Nähere Informatio­nen gibt es im Internet unter www.dortmunder­u.de/presse/pink-floyd

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Pink Floyd Schlagzeug­er Nick Mason (li.) präsentier­t im „Dortmunder U“die Schau – Diese Glühbirnen­figuren erinnern an das Plattencov­er von „Delicate Sound of Thunder“.
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FOTOS (3): DPA
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Die Ausstellun­g wurde von Mitglieder­n der Band in London konzipiert.

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