Bayerische Wahlempfehlung
Unternehmen rufen Mitarbeiter zu Populisten-Boykott auf
RAVENSBURG - Die Chefs der deutschen Sektion der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) und des Triebwerksherstellers MTU Aero Engines sorgen sich um die Demokratie in Deutschland – und darum, dass ihre Mitarbeiter die falschen Parteien wählen könnten. Vor der Landtagswahl am Sonntag in Bayern haben sich die Firmenleitungen jetzt an ihre Belegschaften gewandt.
„Heute ist unsere liberale Demokratie wieder großen Angriffen von innen und außen ausgesetzt. Dabei bestätigt uns die ganze Welt, dass unsere Demokratie, unsere Rechtsstaatlichkeit und unsere Internationalität entscheidende Standortvorteile im globalen Wettbewerb sind“, schreibt Hubert Barth, Vorsitzender der deutschen EY-Geschäftsführung und fordert deutschlandweit 10 000 Mitarbeiter auf, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen, „um die demokratischen und rechtsstaatlichen Kräfte in unserem Land zu stärken“.
Auch MTU Aero Engines hat seine Mitarbeiter per Brief aufgerufen, zur Wahl zu gehen. Auch wenn der Name AfD nicht explizit fällt, richten sich die Aktionen klar gegen die Partei und ihre Positionen. So heißt es im Schreiben der MTU: Abschottung auf politischer oder wirtschaftlicher Ebene bringe keinerlei Fortschritt. Auch Fremdenfeindlichkeit und Rassismus wird der Kampf angesagt. „Als Unternehmen sind wir ein Teil der Gesellschaft und wollen auf diesem Weg die Demokratie stärken“, sagt MTU-Sprecher Markus Wölfle der „Schwäbischen Zeitung“.
Der Schritt sorgt in der bayerischen Unternehmenslandschaft für Aufmerksamkeit. Der zum AirbusKonzern gehörende HubschrauberHersteller Airbus Helicopters in Donauwörth verfasste am Tag nach dem MTU-Brief ebenfalls ein politisches Schreiben an die Mitarbeiter. Andere erklären ihre Sympathie für solche Aktionen: „Unsere Firmenleitung bekennt sich zur politischen Mitte“, sagt etwa Ernst Wassermann, Sprecher des Memminger Sensorspezialisten Magnet-Schulz. Das Unternehmen ruft demnach schon länger und regelmäßig auf, an Wahlen teilzunehmen, so Wassermann. „Es liegt im Interesse der Unternehmen, auf die Politik Einfluss zu nehmen, damit Wirtschaft und Gesellschaft stabil bleiben“, fasst Wassermann zusammen.
Beim Lindauer Webmaschinenbauer Dornier sieht man das allerdings anders. „Politische Wahlempfehlungen haben in Unternehmen nichts zu suchen“, erklärt Geschäftsführer Hans-Jürgen Schmidt. „Wir halten uns aus Religion, Politik und ähnlichen privaten Themen unserer Mitarbeiter vollkommen heraus.“
Schritt kann Debatten auslösen
Die Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern hat dagegen keine grundsätzlichen Probleme mit politischen Stellungnahmen von Unternehmen, rät aber zu Vorsicht: „Aus rechtlicher Sicht dürfte der Arbeitgeber sogar eine konkrete Wahlempfehlung abgeben, sofern er keinen Einfluss auf die Freiheit der Wahl nimmt“, sagt Sprecherin Katharina Toparkus. Man habe allerdings Erfahrungen gemacht, dass allzu konkrete Wahlempfehlungen durch den Arbeitgeber kontroverse Diskussionen in Unternehmen auslösen können.