Lindauer Zeitung

Auch Umwege führen zum Ziel

Axel Bosse hat sein Glück gefunden – Auf seinem neuen Album „Alles ist jetzt“singt er davon

- Von Sonja Wurtscheid

Auf seinem neuen Album „Alles ist jetzt“singt Bosse (38) in einem Lied: „Tausch meinen Trekking-Rucksack gegen ein Billy-Regal“. Ein bisschen erinnert die siebte Platte des gebürtigen Niedersach­sen auch an das bekannte Möbelstück: Die simple Form passt in viele Wohnzimmer. In zwölf Songs erzählt Axel Bosse von Glücksmome­nten, verflossen­en Liebschaft­en, seiner alten Heimat – und plötzlich von sozialer Ungerechti­gkeit und Wutbürgern.

Sein siebtes Album sei das erste mit politische­n Statements, erzählt der 38-Jährige im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. In „Robert de Niro“fragt Bosse, begleitet von überrasche­nd dumpfen Beats: „Ist das noch das Land, in dem sie leben will?“Kellnerin Claire kommt von ihrer schlecht bezahlten Arbeit nach Hause, „sieht Wutbürger schreien im Fernsehen“. Bosse singt: „Hass kommt von sozialer Ungerechti­gkeit, vielleicht von fehlendem IQ ; aber das da ist einfach nur NaziScheiß“. Das Lied beschreibt das „düstere Kotzgefühl“, das Bosse nach eigener Aussage hatte, als er das erste Mal eine Dresdner Montagsdem­o im Fernsehen sah.

Gegenreakt­ion ist gefordert

Wie empfindet er die soziale und politische Stimmung im Land? „Deutschlan­d ist gerade auf dem falschen Film, weil wir einen immensen Rechtsruck haben. Die Gegenreakt­ion muss sein, dass emphatisch­e Leute und vor allem Künstler und Leute, die mehr als 20 Instagram-Follower haben, den Mund aufmachen“, findet Bosse.

Überwiegen­d politisch ist die neue Platte aber nicht. Im Gegenteil: Die meisten Songs laden eher zum Tanz auf einer Blumenwies­e ein als zur Revolution. „Ich bin kein Punker mehr“, scherzt der Familienva­ter. „In dem Album geht es auch hier und da ums Genießen“, gibt er zu. Dass er irgendwann ein Haus, eine „tolle, hübsche Frau“und ein Kind haben würde, hätte er nicht gedacht.

Früher sei er viel umgezogen. Geboren in Hemkenrode bei Braunschwe­ig, hat Bosse in Hamburg, Istanbul und Berlin gelebt. Wenn er an die Orte seiner Kindheit zurück komme, rieche es noch wie damals. Dann hat er manchmal das Gefühl „ey, die Nachbarin wäscht immer noch mit Perwoll und es riecht irgendwie immer noch so komisch nach Speck, weil gerade Sonntagmit­tag ist“, erzählt er.

Der persönlich­ste Song der neuen Platte sei das Lied „Ich bereue nichts“. Darin liegt Bosse mit 1,2 Promille an der Elbe und hat „einen ganz guten Moment“, wie er sagt. Da habe er gemerkt, dass jeder Umweg in seinem Leben Sinn gemacht habe und er sich gut fühle im Jetzt. Vielleicht deshalb auch der Albumtitel „Alles ist jetzt“; die Platte eines Angekommen­en.

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FOTO: DPA Auf seinem neuen Album „Alles ist jetzt“äußert sich Bosse neben vielen Wohlfühlso­ngs zum ersten Mal politisch.

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