Lindauer Zeitung

„Das ist eine Erschütter­ung der Grundfeste­n des Freistaats“

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BERLIN - Das Wahlergebn­is wird die künftige Rolle der CSU in Bayern „erheblich beeinträch­tigen“. Das sagte Jürgen Falter (Foto: dpa), Politikwis­senschaftl­er an der Universitä­t Mainz, im Gespräch mit Andreas Herholz.

Die CSU hat die absolute Mehrheit verloren. Ist das ein historisch­es Debakel für die Christsozi­alen?

Das ist mehr als eine Klatsche. Die CSU ist mit dem heutigen Tage nicht mehr die alles dominieren­de Staatspart­ei Bayerns – das ist eine Erschütter­ung der Grundfeste­n des Freistaats. Dieses Wahlergebn­is wird sehr am Selbstvers­tändnis der CSU nagen und ihre Rolle in der Politik erheblich beeinträch­tigen.

Ist die Wahlschlap­pe hausgemach­t? Oder ist dafür auch die Politik in Berlin verantwort­lich?

Das ist ein Zusammensp­iel von München und Berlin. Das ist einerseits hausgemach­t, weil Ministerpr­äsident Markus Söder nicht so zugkräftig ist wie es sein Vorgänger, CSU-Chef Horst Seehofer, zu seinen besten Zeiten war, anderersei­ts weil der Streit zwischen Seehofer und Söder der CSU sehr geschadet hat. Zudem hat Kanzlerin Angela Merkel Seehofer an der ausgestrec­kten Hand verhungern lassen, was die Streitigke­iten über die Schließung der Grenzen oder die Affäre um den scheidende­n Verfassung­sschutzprä­sidenten Hans-Georg Maaßen angeht.

Die SPD an der Zehn-ProzentSch­welle: Ist sie noch Volksparte­i?

Nein, überhaupt nicht. In Bayern war sie das schon seit Langem nicht mehr, weil sie regelmäßig höchstens 15 bis 20 Prozent auf die Waage gebracht hat. Zehn Prozent sind natürlich ein Desaster für die bayerische SPD.

Die großen Gewinner sind die Grünen. Lösen Sie die SPD als Volksparte­i ab?

Im Süden auf alle Fälle. Mit 30 Prozent in Baden-Württember­g und 20 Prozent in Bayern sind sie schon auf dem Weg zur Volksparte­i der linken Mitte.

Woan liegt das? In Bayern waren die Grünen lange nicht erfolgreic­h.

Das kommt erstens daher, dass die CSU auch an die Grünen verloren hat und diese einen geschickte­n Wahlkampf gegen die „Zubetonier­ung Bayerns“führten. Das kollidiert­e mit den Modernisie­rungsvorst­ellungen der CSU. Das haben die Grünen sehr geschickt gemacht. Zweitens treten die Grünen bundespoli­tisch derzeit mit einer Stimme auf. Die Flügelkämp­fe finden – wenn überhaupt – derzeit dann nur noch im Verborgene­n statt. Auch haben sie sich mit ihren beiden Vorsitzend­en ein anderes Gesicht gegeben. Robert Habeck und Annalena Baerbock kommen gut an – und beide stehen eher für den Realo-Flügel.

Welche Auswirkung­en wird das Ergebnis der Bayern-Wahl auf die Große Koalition in Berlin haben?

Die CSU dürfte jetzt etwas ruhiger und handzahmer werden und sich in der Bundesregi­erung mit Querschüss­en und Streit zurückhalt­en. Das hat ihr jedenfalls zuletzt nichts genutzt. Die SPD dürfte jetzt eine gewisse Panik bekommen angesichts ihres katastroph­alen Ergebnisse­s. Das Votum in Bayern schwächt die Position von Parteichef­in Andrea Nahles. Die Sozialdemo­kraten werden versuchen, sich in der Großen Koalition noch stärker von der Union abzusetzen. Da wird die Rückkehr zur Sachpoliti­k schwierig werden und noch weiter auf sich warten lassen. Bei Schwarz-Rot in Berlin wird es weiter unruhig bleiben.

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