Ein wunderbarer Wendelinsritt
Elf Reitergruppen, viele Pferde, eine schöne Predigt und sehr viel Herz und Engagement
SIGMARSZELL - Strahlend rot leuchtet das Blechdächle der Wendelinskapelle den Besuchern entgegen, die aus allen Richtungen zum Kinberg pilgern, um den Wendelinsritt zu erleben und die Feldmesse mitzufeiern. Am Horizont grüßt der schneelose Säntis, der Himmel ist strahlend blau. Freudige Erwartung liegt in der spätsommerlichen Luft, in der das Herbstlaub duftet. Dann ein erstes Wiehern in der Ferne. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis die Hauptpersonen der Feier da sind.
An der Wendelinskapelle bereitet sich die Geistlichkeit vor. Es ist die erste Feldmesse zum Wendelinsritt, die Joachim Gaida, Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Pfänderrücken zelebriert. Unterstützt wird er von Niederstaufens neuem Pfarrer, Anton Latawiec. Es ist zudem der erste Gottesdienst, den die beiden zusammen feiern. Beide bekennen, keine Ahnung zu haben, wie das mit der Pferdesegnung ablaufen soll. „Falls wir etwas falsch machen, seien Sie barmherzig mit uns“, bittet Gaida. Erich Kurzemann, der Vorsitzende der Reitergruppe Niederstaufen, gibt ihm den Tipp mit: „Nicht zu heftig spritzen. Manche der Pferde sind wasserscheu.“
Dann reiten die Pferde auf. Die Reitergruppen aus Niederstaufen, Scheidegg, Wohmbrechts, Unterreitnau, Achberg, Opfenbach, Weiler-Simmerberg, Hopfen, Möggers, Steibis und Neuravensburg bieten ein wunderschönes Bild. Begleitet von den Musikkapellen Scheidegg, Unterreitnau und Niederstaufen, die den Gottesdienst mit der Deutschen Messe von Franz Schubert gestaltet, marschieren die Pferde und ihre Reiter im Sonntagsstaat im großen Bogen um die Wendelinskapelle, präsentieren sich den vielen Zuschauern und stellen sich dann auf der Wiese zum Gottesdienst auf, wo sie bewundernswert geduldig warten.
Ein Pferd bestätigt immer wieder die Worte des Pfarrers
In seiner Predigt bringt Pfarrer Gaida den Gläubigen den Heiligen Wendelin auf sehr schöne Weise näher. Er beschreibt ihn als charismatische und spirituelle Persönlichkeit, die die Menschen angezogen habe. Er habe das besondere Leben eines Einsiedlers, gepaart mit dem eines Pilgers und eines Hirten gelebt. Er – der ein Königssohn gewesen sein soll – habe die innere Freiheit seinem Erbe und der Königswürde vorgezogen. Er habe das Leben als Weg in die Herzen der Menschen gesehen. „Es gibt keinen besseren Weg ins Herz eines Menschen, als den der Liebe und des Mitgefühls“, sagt Gaida.
Und Wendelin habe das auch bei den Tieren so gehalten. Aus den Reihen der Pferde kommt zustimmendes Wiehern. Wendelins Feingefühl für das Leben sei unendlich groß gewesen. Er habe es verstanden, innezuhalten, zuzuhören. Gottes Wort zu hören. Die Menschen, die Natur, die Pflanzen und die Tiere als Teil der Schöpfung zu sehen. Erneutes Wiehern und das dazugehörige Pferd nickt eifrig mit dem Kopf.
„Das Pferd bestätigt mich immer wieder“, freut sich Gaida und sagt „der Heilige Wendelin hat in Achtung und Respekt vor der Schöpfung gelebt. Er war ein guter Hirte.“Die Legende erzähle, dass in seiner Obhut kein Tier krank wurde, dass es in den Herden keine Seuchen gab und dass kein Tier gerissen wurde. „Das zeigt, mit welch großer Achtsamkeit und Aufmerksamkeit er sich um die ihm anvertrauten Geschöpfe gekümmert hat. Er hat uns allen gezeigt, dass die Quelle allen Lebens die Liebe ist. Denn Gott liebt uns alle unendlich und bedingungslos. Das ist unser größter Schatz. Wir sollten alle überlegen, wie wir mit den Geschöpfen umgehen, die uns das Leben anvertraut hat. Jeder von uns ist eine Hirtin oder ein Hirte“, sagt Gaida. Und das Pferd wiehert zustimmend.
Jörg Aghte, Bürgermeister von Sigmarszell und augenscheinlich tief berührt vom Leben und Wirken des Heiligen Wendelins, übernimmt den Dank an alle Beteiligten, auch im Namen von Bürgermeister Pfanner aus Scheidegg. „Ulrich Pfanner ist eigentlich die Verkörperung des guten Hirten in unserer heutigen Zeit“, spricht er seinem Amtskollegen ein größtmögliches Lob aus.
Schönheitskur für die Wendelinskapelle
Aghte dankt Robert und Petra Schmied vom Kapellenverein, die der Wendelinskapelle in diesem Jahr eine Schönheitskur angedeihen ließen, so dass ihre rund 350 Jahre überhaupt nicht zu sehen sind: Die Schindeln an der Südwestseite sind neu, das Blechdach und der Turm samt Läden sind neu gestrichen, und das Holzkreuz an der Ostseite ist renoviert. „Dies ist mein fünfter Wendelinsritt als Bürgermeister, und so schön, so wunderbar wie heute war es noch nie“, jubelt er und schließt – passend zur Predigt des Pfarrers mit den Worten aus „Der kleine Prinz“von Antoine de Saint-Exupéry: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Der Segen Gottes, den Pfarrer Joachim Gaida zum Abschluss den Pferden, ihren Reitern, und allen, die zur Wendelinskapelle gepilgert sind, gibt, sei im übrigen „kein leeres Bla Bla – der bleibt beständig mit Euch!“