Eleganz für die Ewigkeit
Auch nach 80 Jahren zieht der Mercedes 500 K Spezialroadster alle Blicke auf sich – Sammler zahlen zweistellige Millionensummen
STUTTGART (dpa) - Gemessen an Rolls-Royce und Bentley ist ein Mercedes heute fast schon gewöhnlich. Technisch zwar vielleicht weiter als die Briten, fehlt selbst der S-Klasse das letzte Quäntchen Prestige. Vor gut 80 Jahren war das noch anders, wie der 500 K beweist – er galt damals als Nonplusultra.
Die Arbeitslosenzahl lag bei über sechs Millionen, und ein Arbeiter verdiente im Mittel keine 200 Mark – ein eigenes Auto war für den Durchschnittsdeutschen in den 1930er-Jahren kaum vorstellbar. Geschweige denn ein Traumwagen wie der Mercedes 500 K. „Man musste schon ein berühmter Filmstar oder ein erfolgreicher Rennfahrer sein, um sich so ein Auto leisten zu können“, sagt Mercedes-Sprecher Ralph Wagenknecht.
Fahrkomfort und Leistungsstärke
Als der 500 K auf der Automobilausstellung 1934 in Berlin als „Sonderanfertigung für hohe Geschwindigkeiten“präsentiert wurde, lockte er die Reichen und Schönen zu Preisen ab schier unvorstellbaren 28 000 Mark mit einer bis dahin ungekannten Kombination aus Fahrkomfort und Leistungsstärke – und einem Grad an Individualisierung, den heute nicht einmal Rolls-Royce oder Bentley bieten können. „Denn jedes Exemplar des 500 K wird einzeln angefertigt und bis ins Detail auf die Kundenwünsche zugeschnitten“, kann man im Mercedes-Museum nachlesen und erfährt dabei von einer Manufaktur, die insgesamt acht Karosserievarianten in petto hatte.
Schon als Limousine, Cabriolet oder als offener Tourenwagen war der 500 K ein absoluter Blickfang. Doch die mit Abstand spektakulärste, eleganteste – und natürlich teuerste – Version war der Spezialroadster. Diese Eleganz ist offenbar für die Ewigkeit gemacht. Denn auch heute dreht sich nach dem über fünf Meter langen Luxusliner jeder um: Die Scheinwerfer riesig, der Kühler stolz im Wind, die Motorhaube schier endlos lang und die Kotflügel so luftig und schwungvoll wie ein Ballkleid im leichten Wind – so stiehlt der Oldtimer bei der Ausfahrt auf dem legendären 17-Miles-Drive auf der von Milliardären bevölkerten Halbinsel rund um Pebble Beach (Kalifornien) selbst den teuersten Supersportwagen die Schau.
Und egal ob Rolls-Royce oder Ferrari, Bentley oder Bugatti – selbst in den stärksten und teuersten Autos der Neuzeit fühlt man sich plötzlich vergleichsweise billig und bürgerlich, von einer Mercedes S-Klasse ganz zu schweigen. Der Fahrersitz des 500 K fühlt sich dagegen an wie ein Thron und adelt einen zum König jeder Küstenstraße, so erhaben gleitet man im Spezialroadster.
Entsprechend prunkvoll ist der 500 K eingerichtet. 1935 gebaut und nach New York geliefert, funkelt das braune Prunkstück im Cockpit wie die Auslage eines Juweliers. Mittig zwischen Fahrer und Passagier befinden sich fünf Rundinstrumente, Der Achtzylinder mit fünf Litern Hubraum leistete beachtliche 100 PS im Dauerbetrieb.
die in einem Chromring gefasst und in einem Cockpit aus Perlmutt installiert sind. Neben Drehzahlmesser, Tankuhr, Tacho und Öldruck blickt man auf drei Kontrollleuchten und Blinkerhebel. Nur für die Fahrgäste drei und vier geht es bei all dem Luxus vergleichsweise bescheiden zu:
Kinder oder Schwiegermütter reisen auf zwei Notsitzen, die unter einer Klappe im Heck verborgen sind.
Gestartet wird nach dem Einschub eines winzigen Schlüsselchens, dann zieht man den Choke und drückt kurz auf den Knopf neben dem Lenkrad. Schon grummelt scheinbar aus der Ferne der mächtige Achtzylinder, und die Kolben beginnen langsam durch fünf Liter Hubraum zu stampfen. Im Dauerbetrieb mobilisieren sie immerhin 100 PS. Überwindet man einen leichten Druckpunkt im Gaspedal, schaltet sich kurz ein Kompressor zu und erhöht die Leistung – unter lautem Geheule – auf 160 PS.
Während die Vorgänger komplizierte Kraftfahrzeuge waren, an deren Steuer man sich eher wie ein Maschinist gefühlt hat und in denen man beim Fahren noch richtig arbeiten musste, ist der Mercedes fast so unproblematisch wie ein modernes Auto. Klar ist die Lenkung etwas schwergängig, der Wendekreis groß wie bei einem Ozeandampfer, und die Bremsen erfordern eine gewisse Weitsicht. Aber das Fahrwerk ist tatsächlich extrem komfortabel, und das Getriebe wechselt seine drei Gänge reibungslos.
Wer genügend freie Straße vor sich hat, der kann auch einen Schnellgang einlegen. Dann sind bis zu 160 km/h möglich, sagt Michael Plag, der im Classic-Center von Mercedes die Vorkriegsautos betreut. So wird der Spezialroadster zum Autobahn-Kurier und erreicht Geschwindigkeiten, von denen man damals selbst in Sportwagen nur träumen konnte. Heute müsste man dafür weit über 300 km/h fahren, bringt Plag das Rekordtempo in Relation.
Doch Vorsicht: Erstens braucht man ein bisschen Auslauf, wenn man aus dem Schnellgang wieder zurückschalten will. Und zweitens sollte man den 500 K nur mit Samthandschuhen anfassen. Vor allem, wenn einem Plag kurz vorher erzählt hat, wie rar und wertvoll der Roadster ist. Denn viel mehr als 30 Exemplare seien zwischen 1934 und 1936 nicht gebaut worden. Und wie viele davon überlebt haben, wisse so recht keiner. Zumal in den vergangenen Jahren immer wieder Fälschungen aufgetaucht seien, für die originale Limousinen zu Roadstern umgebaut wurden. Aber auch da ist der Vorrat endlich: Insgesamt kommt der 500 K laut Mercedes in seinen drei Jahren Laufzeit über alle acht Karosserievarianten zusammen nur auf eine Produktion von 342 Einheiten.
Luxusjacht auf Landgang
Gehandelt werde der Spezialroadster deshalb kaum. Wer einen besitzt, der gibt ihn so schnell nicht mehr her, sagt Plag. Und falls doch mal einer versteigert werde, würden schnell zweistellige Millionensummen fällig: „Das letzte Mal fiel der Hammer bei über 15 Millionen Dollar“, erinnert er sich.
Er nennt die Luxusjacht auf Landgang einen der teuersten MercedesOldtimer überhaupt – selbst die legendären Flügeltürer sind dagegen beinahe billige Gebrauchtwagen. Aber der hohe Preis passt zu diesem Auto, das schon damals schier unbezahlbar war. Als der Roadster 1934 vorgestellt wurde, verlangte Mercedes so viel wie für eine Luxusvilla am Wannsee. Auch daran hat sich in den vergangenen 80 Jahren also nicht viel geändert.