Lindauer Zeitung

Eleganz für die Ewigkeit

Auch nach 80 Jahren zieht der Mercedes 500 K Spezialroa­dster alle Blicke auf sich – Sammler zahlen zweistelli­ge Millionens­ummen

- Von Thomas Geiger

STUTTGART (dpa) - Gemessen an Rolls-Royce und Bentley ist ein Mercedes heute fast schon gewöhnlich. Technisch zwar vielleicht weiter als die Briten, fehlt selbst der S-Klasse das letzte Quäntchen Prestige. Vor gut 80 Jahren war das noch anders, wie der 500 K beweist – er galt damals als Nonplusult­ra.

Die Arbeitslos­enzahl lag bei über sechs Millionen, und ein Arbeiter verdiente im Mittel keine 200 Mark – ein eigenes Auto war für den Durchschni­ttsdeutsch­en in den 1930er-Jahren kaum vorstellba­r. Geschweige denn ein Traumwagen wie der Mercedes 500 K. „Man musste schon ein berühmter Filmstar oder ein erfolgreic­her Rennfahrer sein, um sich so ein Auto leisten zu können“, sagt Mercedes-Sprecher Ralph Wagenknech­t.

Fahrkomfor­t und Leistungss­tärke

Als der 500 K auf der Automobila­usstellung 1934 in Berlin als „Sonderanfe­rtigung für hohe Geschwindi­gkeiten“präsentier­t wurde, lockte er die Reichen und Schönen zu Preisen ab schier unvorstell­baren 28 000 Mark mit einer bis dahin ungekannte­n Kombinatio­n aus Fahrkomfor­t und Leistungss­tärke – und einem Grad an Individual­isierung, den heute nicht einmal Rolls-Royce oder Bentley bieten können. „Denn jedes Exemplar des 500 K wird einzeln angefertig­t und bis ins Detail auf die Kundenwüns­che zugeschnit­ten“, kann man im Mercedes-Museum nachlesen und erfährt dabei von einer Manufaktur, die insgesamt acht Karosserie­varianten in petto hatte.

Schon als Limousine, Cabriolet oder als offener Tourenwage­n war der 500 K ein absoluter Blickfang. Doch die mit Abstand spektakulä­rste, elegantest­e – und natürlich teuerste – Version war der Spezialroa­dster. Diese Eleganz ist offenbar für die Ewigkeit gemacht. Denn auch heute dreht sich nach dem über fünf Meter langen Luxusliner jeder um: Die Scheinwerf­er riesig, der Kühler stolz im Wind, die Motorhaube schier endlos lang und die Kotflügel so luftig und schwungvol­l wie ein Ballkleid im leichten Wind – so stiehlt der Oldtimer bei der Ausfahrt auf dem legendären 17-Miles-Drive auf der von Milliardär­en bevölkerte­n Halbinsel rund um Pebble Beach (Kalifornie­n) selbst den teuersten Supersport­wagen die Schau.

Und egal ob Rolls-Royce oder Ferrari, Bentley oder Bugatti – selbst in den stärksten und teuersten Autos der Neuzeit fühlt man sich plötzlich vergleichs­weise billig und bürgerlich, von einer Mercedes S-Klasse ganz zu schweigen. Der Fahrersitz des 500 K fühlt sich dagegen an wie ein Thron und adelt einen zum König jeder Küstenstra­ße, so erhaben gleitet man im Spezialroa­dster.

Entspreche­nd prunkvoll ist der 500 K eingericht­et. 1935 gebaut und nach New York geliefert, funkelt das braune Prunkstück im Cockpit wie die Auslage eines Juweliers. Mittig zwischen Fahrer und Passagier befinden sich fünf Rundinstru­mente, Der Achtzylind­er mit fünf Litern Hubraum leistete beachtlich­e 100 PS im Dauerbetri­eb.

die in einem Chromring gefasst und in einem Cockpit aus Perlmutt installier­t sind. Neben Drehzahlme­sser, Tankuhr, Tacho und Öldruck blickt man auf drei Kontrollle­uchten und Blinkerheb­el. Nur für die Fahrgäste drei und vier geht es bei all dem Luxus vergleichs­weise bescheiden zu:

Kinder oder Schwiegerm­ütter reisen auf zwei Notsitzen, die unter einer Klappe im Heck verborgen sind.

Gestartet wird nach dem Einschub eines winzigen Schlüsselc­hens, dann zieht man den Choke und drückt kurz auf den Knopf neben dem Lenkrad. Schon grummelt scheinbar aus der Ferne der mächtige Achtzylind­er, und die Kolben beginnen langsam durch fünf Liter Hubraum zu stampfen. Im Dauerbetri­eb mobilisier­en sie immerhin 100 PS. Überwindet man einen leichten Druckpunkt im Gaspedal, schaltet sich kurz ein Kompressor zu und erhöht die Leistung – unter lautem Geheule – auf 160 PS.

Während die Vorgänger komplizier­te Kraftfahrz­euge waren, an deren Steuer man sich eher wie ein Maschinist gefühlt hat und in denen man beim Fahren noch richtig arbeiten musste, ist der Mercedes fast so unproblema­tisch wie ein modernes Auto. Klar ist die Lenkung etwas schwergäng­ig, der Wendekreis groß wie bei einem Ozeandampf­er, und die Bremsen erfordern eine gewisse Weitsicht. Aber das Fahrwerk ist tatsächlic­h extrem komfortabe­l, und das Getriebe wechselt seine drei Gänge reibungslo­s.

Wer genügend freie Straße vor sich hat, der kann auch einen Schnellgan­g einlegen. Dann sind bis zu 160 km/h möglich, sagt Michael Plag, der im Classic-Center von Mercedes die Vorkriegsa­utos betreut. So wird der Spezialroa­dster zum Autobahn-Kurier und erreicht Geschwindi­gkeiten, von denen man damals selbst in Sportwagen nur träumen konnte. Heute müsste man dafür weit über 300 km/h fahren, bringt Plag das Rekordtemp­o in Relation.

Doch Vorsicht: Erstens braucht man ein bisschen Auslauf, wenn man aus dem Schnellgan­g wieder zurückscha­lten will. Und zweitens sollte man den 500 K nur mit Samthandsc­huhen anfassen. Vor allem, wenn einem Plag kurz vorher erzählt hat, wie rar und wertvoll der Roadster ist. Denn viel mehr als 30 Exemplare seien zwischen 1934 und 1936 nicht gebaut worden. Und wie viele davon überlebt haben, wisse so recht keiner. Zumal in den vergangene­n Jahren immer wieder Fälschunge­n aufgetauch­t seien, für die originale Limousinen zu Roadstern umgebaut wurden. Aber auch da ist der Vorrat endlich: Insgesamt kommt der 500 K laut Mercedes in seinen drei Jahren Laufzeit über alle acht Karosserie­varianten zusammen nur auf eine Produktion von 342 Einheiten.

Luxusjacht auf Landgang

Gehandelt werde der Spezialroa­dster deshalb kaum. Wer einen besitzt, der gibt ihn so schnell nicht mehr her, sagt Plag. Und falls doch mal einer versteiger­t werde, würden schnell zweistelli­ge Millionens­ummen fällig: „Das letzte Mal fiel der Hammer bei über 15 Millionen Dollar“, erinnert er sich.

Er nennt die Luxusjacht auf Landgang einen der teuersten MercedesOl­dtimer überhaupt – selbst die legendären Flügeltüre­r sind dagegen beinahe billige Gebrauchtw­agen. Aber der hohe Preis passt zu diesem Auto, das schon damals schier unbezahlba­r war. Als der Roadster 1934 vorgestell­t wurde, verlangte Mercedes so viel wie für eine Luxusvilla am Wannsee. Auch daran hat sich in den vergangene­n 80 Jahren also nicht viel geändert.

 ?? FOTOS: DPA ?? Die mit Abstand spektakulä­rste, elegantest­e – und natürlich teuerste – Version des Mercedes 500 K ist der Spezialroa­dster. Er kostete in den 1930er-Jahren in etwa so viel wie eine Luxusvilla am Wannsee.
FOTOS: DPA Die mit Abstand spektakulä­rste, elegantest­e – und natürlich teuerste – Version des Mercedes 500 K ist der Spezialroa­dster. Er kostete in den 1930er-Jahren in etwa so viel wie eine Luxusvilla am Wannsee.
 ??  ??
 ??  ?? Ins Lenkrad des Spezialroa­dsters griffen seinerzeit nur die ganz Reichen und Schönen.
Ins Lenkrad des Spezialroa­dsters griffen seinerzeit nur die ganz Reichen und Schönen.
 ??  ?? Kinder und Schwiegerm­ütter mussten sich mit zwei Notsitzen im Heck begnügen.
Kinder und Schwiegerm­ütter mussten sich mit zwei Notsitzen im Heck begnügen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany