Unbequeme
Barbara Stamm ahnt es seit Langem. Und als am Sonntagabend die ersten Prognosen da sind, ist es klar: Die 73-Jährige ist raus aus dem bayerischen Landtag. Sie hatte keinen eigenen Stimmkreis, wäre auf ein gutes CSU-Ergebnis angewiesen gewesen, um es über die Liste im Wahlkreis Unterfranken zu schaffen. Nun ist Stamms politische Karriere nach mehr als vier Jahrzehnten zu Ende.
Die CSU verliert damit im Maximilianeum eine ihrer beliebtesten und erfahrensten Politikerinnen. Die Partei verliert eine unbequeme Frau, die oft das „soziale Gewissen“der Christsozialen genannt wurde. Zuletzt hatte Stamm immer wieder darauf gepocht, die CSU dürfe christlich-liberale Wähler nicht mit scharfer Rhetorik gegen Flüchtlinge verprellen. Am Montag nach der Landtagswahl erneuert sie diese Kritik am Rande der CSU-Vorstandssitzung gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“. Die Partei habe das Thema Asyl „überhöht“– und das, obwohl Bayern die Aufnahme der Flüchtlinge seit 2015 am besten bewältigt habe – auch dank der „vielen Ehrenamtlichen“. Die CSU müsse sich nun um die „Menschen in der Mitte“bemühen.
Seit 1976 saß Stamm für die CSU im Landtag. In den 1980erJahren stieg sie die Karriereleiter empor, wurde stellvertretende Fraktionschefin und Staatssekretärin im Kabinett von Franz Josef Strauß. 1994 machte der damalige Ministerpräsident Edmund Stoiber sie zur Sozialministerin. Diese Amtszeit ging 2001 im Sturm der BSE-Krise zu Ende: Stoiber setzte sie vor die Kabinettstür. Hinterbänklerin wurde sie auch danach nicht. Stamm blieb – wie durchgehend seit 1993 – stellvertretende Vorsitzende der CSU, erst 2017 gab sie das Amt ab – freiwillig, wie sie sagte.
Eine Sache hätte sie noch gereizt, sagt sie am Tag nach der Wahlschlappe: neben der AfD im Landtag zu sitzen, sich mit den Rechten zu streiten. Aber das könnten andere in ihrer Partei auch. „Man ist immer ersetzlich“, sagt Stamm zum Schluss.
Sebastian Heinrich und dpa