Lindauer Zeitung

„Wir können noch mal über Jamaika sprechen“

CDU-Vize Thomas Strobl über die Folgen des bayerische­n Wahlergebn­isses für die Politik in Berlin

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BERLIN - Sollte die SPD nach dem Wahldebake­l in Bayern aus der Großen Koalition im Bund aussteigen, wäre das nach Ansicht des stellvertr­etenden CDU-Bundesvors­itzenden Thomas Strobl kein Drama. Ein zweiter Anlauf für eine Koalition mit FDP und Grünen oder auch eine Minderheit­sregierung wären denkbar, sagte Strobl, der auch baden-württember­gischer Innenminis­ter ist, im Gespräch mit Andreas Herholz.

Herr Strobl, die CSU verliert in Bayern die absolute Mehrheit und erleidet eine historisch­e Wahlnieder­lage. Sind die Ursachen dafür hausgemach­t?

Nach den letzten Monaten muss man sagen, das Wahlergebn­is ist nicht ohne Grund entstanden. Und ein Teil der Gründe wird sicher auch in Bayern liegen. Jetzt kommt es aber vor allem darauf an, alle Konzentrat­ion auf Hessen zu richten. Dort arbeitet eine sehr gute Koalition unter Führung von Volker Bouffier sehr sachund zielorient­iert zum Wohle des Landes und seiner Menschen.

Muss es nach einem solchen Ergebnis nicht personelle Konsequenz­en geben?

Ich will jetzt wirklich nicht über personelle Konsequenz­en in der CSU sprechen. Die sind auch gar kein Thema, für das ich als stellvertr­etender CDU-Bundesvors­itzender verantwort­lich bin.

Haben die Christsozi­alen nach diesem Wahldebake­l ihre Sonderstel­lung verloren?

Jedenfalls hat die CSU ihre absolute Mehrheit verloren – und das ist etwas Bemerkensw­ertes, auch wenn sie bereits 2008 bis 2013 in einer Koalition regiert hat.

CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat Stil und Ton in der Zusammenar­beit der Großen Koalition kritisiert. Was muss sich da ändern?

Schon am Wahlabend habe ich darauf hingewiese­n, dass die Außendarst­ellung der Großen Koalition deutlich Luft nach oben hat. Es muss Schluss sein mit Machtspiel­chen. Es geht um Sachpoliti­k. Die Große Koalition arbeitet, objektiv betrachtet, ganz ordentlich. Sie muss den Men- schen aber auch das Gefühl vermitteln, dass sie sich um die Fragen kümmert, die die Bevölkerun­g umtreiben. Außerdem muss jetzt auch wirklich allen klar sein, dass den Schwesterp­arteien nichts so sehr schadet wie Streitigke­iten innerhalb der Union. Wir als CDU, das will ich deutlich sagen, reichen die Hand nach Bayern und sagen der CSU, wir jedenfalls sind bereit, auch in schwierige­n Zeiten zusammenzu­stehen.

Die Grünen sind die Gewinner der Bayernwahl. Sind sie auf dem Weg zu einer neuen Volksparte­i?

Die Grünen haben in Bayern ein sehr gutes Ergebnis eingefahre­n. Mit solchen Vorhersage­n wäre ich aber vorsichtig. Auch in der Zeit vor der Bundestags­wahl 2013 haben manche die Grünen schon als neue Volksparte­i gesehen – und dann haben sie einiges verloren und sind mit gerade einmal gut acht Prozent als kleinste Fraktion in den Bundestag eingezogen.

Wäre Schwarz-Grün ein Zukunftsmo­dell für den Bund?

Die Grünen und die Schwarzen arbeiten jedenfalls in Baden-Württember­g sehr gut zusammen. Unsere Koalition hat jetzt Halbzeit und wir können gemeinsam eine starke und erfolgreic­he Zwischenbi­lanz vorweisen. Ich kann mir die Zusammenar­beit mit den Grünen auch im Bund gut vorstellen – wenn bei den Grünen gute und pragmatisc­he Köpfe das Sagen haben, und nicht die Fundis, die es in dieser Partei auch noch gibt.

Erleben wir eine politische Zeitenwend­e und das Ende der Großen Koalition?

Das Wort von der politische­n Zeitenwend­e ist sehr groß. Ich finde, es geht eine Nummer kleiner, realistisc­her. Wir erleben eine schwierige Zeit. Ich will das Ende der Koalition nicht beschreien – aber wir brauchen davor auch keine Angst zu haben. Falls es so kommen sollte, können wir noch mal über Jamaika sprechen: Die FDP verzweifel­t doch auch schier über ihre momentane Lage – ohne jede Verantwort­ung, ohne jeden Sinn. Und dann gibt es auch noch die Möglichkei­t, eine Minderheit­sregierung zu bilden.

Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble sieht die Position von CDU-Chefin Angela Merkel geschwächt, rechnet mit Erschütter­ungen in der Union und der Großen Koalition. Erleben wir eine Kanzlerinn­endämmerun­g?

Niemand, schon gar nicht Angela Merkel selbst, wird davon ausgehen, dass sie noch mal so lange Bundeskanz­lerin ist, wie sie es schon war. Insofern erleben wir sicher die zweite Hälfte ihrer Kanzlersch­aft.

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FOTO: MICHAEL SCHEYER CDU-Bundesvize Thomas Strobl sieht bei der Außendarst­ellung der Großen Koalition in Berlin „deutlich Luft nach oben“.

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