Das Ökostrom-Paradoxon
Obwohl die Umlage für die Erneuerbaren Energien sinkt, steigen die Energiepreise
BERLIN - Entspannung bei den Kosten des Ökostroms: Zum zweiten Mal seit der Einführung sinkt im kommenden Jahr die Umlage für Wind- und Solarkraftwerke. Das entlastet die Stromrechungen der privaten Verbraucher und meisten Wirtschaftsbetriebe. Weil die Ökoumlage aber nur ein Bestandteil des Strompreises ist und andere Faktoren teurer werden, müssen die privaten und gewerblichen Verbraucher 2019 unter dem Strich mit etwas höheren Elektrizitätsrechnungen rechnen.
Nach Informationen der vier Betreiberfirmen des Höchstspannungsnetzes sinkt die Umlage 2019 auf 6,41 Cent pro Kilowattstunde Strom. Augenblicklich beträgt sie 6,8 Cent. Der Posten macht etwa ein Viertel des Strompreises (29 Cent) aus, den die Privathaushalte und meisten Firmen bezahlen. Er dient dazu, die höheren Produktionskosten von Wind- und Solarkraftwerken im Vergleich zu konventionellen Anlagen zu finanzieren.
Dass die Umlage von 1,2 Cent 2008 auf 6,8 Cent wuchs, sorgte jahrelang für heftige Debatten über die nach Ansicht der Kritiker zu teure Energiewende. Die Große Koalition reagierte mit einer Reform der Förderung – ein Grund für den augenblicklichen Rückgang. Gleichzeitig gaben die Netzbetreiber am Montag die neue OffshoreNetzumlage bekannt. Sie soll 2019 rund 0,4 Cent pro Kilowattstunde betragen und dient dazu, die kostspielige Anbindung der Windparks auf Nordund Ostsee zu finanzieren. Dieser Posten war bisher verdeckt in den Stromrechnungen enthalten, wird künftig nun offen ausgewiesen.
Unter anderem der Bundesverband der Verbraucherzentralen bemängelte, dass mit dem neuen Verfahren aber auch höhere Kosten auf die Privathaushalte zukämen, während Industriebetriebe, die viel Strom verbrauchen, entlastet würden. „Das grundlegende Problem bleibt: Der Strompreis für private Verbraucher bleibt hoch, die Stromkosten sind unfair verteilt“, sagte der Chef der Verbraucherschutzorganisation, Klaus Müller. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, dazu lägen keine Zahlen vor.
Insgesamt fallen die Elektrizitätsrechnungen der privaten Konsumenten 2019 eher leicht höher als niedriger aus, schätzen das Vergleichsportal Verivox und der Verband der Energieunternehmen. Weil jeder regionale Versorger seine Preise individuell kalkuliert, entwickeln sich die Endkundenpreise jedoch unterschiedlich. Genaue Aussagen lassen sich deshalb nur im Einzelfall treffen.
In Richtung höherer Stromrechnungen wirkt unter anderem der gegenwärtige Preisanstieg für fossile Energieträger wie Erdöl und Kohle. Hier machen sich beispielsweise die Sanktionen der USA gegen Iran bemerkbar. Außerdem werden die Zertifikate im Rahmen des Europäischen Emissionshandels teurer. Betreiber von Kohlekraftwerken müssen diese Zertifikate vorlegen, wenn sie klimaschädliches Kohlendioxid in die Atmosphäre pusten. Unter dem Strich steigen deshalb gegenwärtig die Brennstoffkosten der konventionellen Energieproduzenten. Erneuerbare Energie aus Wind und Sonne wird dagegen billiger.
Wirtschaft kristisiert Belastungen
Trotz der niedrigeren Ökoumlage „bleibt die Belastung der Unternehmen im internationalen Wettbewerb weiter unerträglich hoch“, kritisierte das „Bündnis faire Energiewende“, in dem sich mittelständische Industriebranchen zusammengeschlossen haben. Das verhindere „dringend benötigte Investitionen in stromintensiven Bereichen“, sagte Ingeborg Neumann, Präsidentin des Verbandes der Textil- und Modeindustrie.