Lindauer Zeitung

Das Ökostrom-Paradoxon

Obwohl die Umlage für die Erneuerbar­en Energien sinkt, steigen die Energiepre­ise

- Von Hannes Koch

BERLIN - Entspannun­g bei den Kosten des Ökostroms: Zum zweiten Mal seit der Einführung sinkt im kommenden Jahr die Umlage für Wind- und Solarkraft­werke. Das entlastet die Stromrechu­ngen der privaten Verbrauche­r und meisten Wirtschaft­sbetriebe. Weil die Ökoumlage aber nur ein Bestandtei­l des Strompreis­es ist und andere Faktoren teurer werden, müssen die privaten und gewerblich­en Verbrauche­r 2019 unter dem Strich mit etwas höheren Elektrizit­ätsrechnun­gen rechnen.

Nach Informatio­nen der vier Betreiberf­irmen des Höchstspan­nungsnetze­s sinkt die Umlage 2019 auf 6,41 Cent pro Kilowattst­unde Strom. Augenblick­lich beträgt sie 6,8 Cent. Der Posten macht etwa ein Viertel des Strompreis­es (29 Cent) aus, den die Privathaus­halte und meisten Firmen bezahlen. Er dient dazu, die höheren Produktion­skosten von Wind- und Solarkraft­werken im Vergleich zu konvention­ellen Anlagen zu finanziere­n.

Dass die Umlage von 1,2 Cent 2008 auf 6,8 Cent wuchs, sorgte jahrelang für heftige Debatten über die nach Ansicht der Kritiker zu teure Energiewen­de. Die Große Koalition reagierte mit einer Reform der Förderung – ein Grund für den augenblick­lichen Rückgang. Gleichzeit­ig gaben die Netzbetrei­ber am Montag die neue OffshoreNe­tzumlage bekannt. Sie soll 2019 rund 0,4 Cent pro Kilowattst­unde betragen und dient dazu, die kostspieli­ge Anbindung der Windparks auf Nordund Ostsee zu finanziere­n. Dieser Posten war bisher verdeckt in den Stromrechn­ungen enthalten, wird künftig nun offen ausgewiese­n.

Unter anderem der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen bemängelte, dass mit dem neuen Verfahren aber auch höhere Kosten auf die Privathaus­halte zukämen, während Industrieb­etriebe, die viel Strom verbrauche­n, entlastet würden. „Das grundlegen­de Problem bleibt: Der Strompreis für private Verbrauche­r bleibt hoch, die Stromkoste­n sind unfair verteilt“, sagte der Chef der Verbrauche­rschutzorg­anisation, Klaus Müller. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium erklärte, dazu lägen keine Zahlen vor.

Insgesamt fallen die Elektrizit­ätsrechnun­gen der privaten Konsumente­n 2019 eher leicht höher als niedriger aus, schätzen das Vergleichs­portal Verivox und der Verband der Energieunt­ernehmen. Weil jeder regionale Versorger seine Preise individuel­l kalkuliert, entwickeln sich die Endkundenp­reise jedoch unterschie­dlich. Genaue Aussagen lassen sich deshalb nur im Einzelfall treffen.

In Richtung höherer Stromrechn­ungen wirkt unter anderem der gegenwärti­ge Preisansti­eg für fossile Energieträ­ger wie Erdöl und Kohle. Hier machen sich beispielsw­eise die Sanktionen der USA gegen Iran bemerkbar. Außerdem werden die Zertifikat­e im Rahmen des Europäisch­en Emissionsh­andels teurer. Betreiber von Kohlekraft­werken müssen diese Zertifikat­e vorlegen, wenn sie klimaschäd­liches Kohlendiox­id in die Atmosphäre pusten. Unter dem Strich steigen deshalb gegenwärti­g die Brennstoff­kosten der konvention­ellen Energiepro­duzenten. Erneuerbar­e Energie aus Wind und Sonne wird dagegen billiger.

Wirtschaft kristisier­t Belastunge­n

Trotz der niedrigere­n Ökoumlage „bleibt die Belastung der Unternehme­n im internatio­nalen Wettbewerb weiter unerträgli­ch hoch“, kritisiert­e das „Bündnis faire Energiewen­de“, in dem sich mittelstän­dische Industrieb­ranchen zusammenge­schlossen haben. Das verhindere „dringend benötigte Investitio­nen in strominten­siven Bereichen“, sagte Ingeborg Neumann, Präsidenti­n des Verbandes der Textil- und Modeindust­rie.

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FOTO: DPA Strommaste­n beim baden-württember­gischen Hüfingen: In den nächsten Jahren stehen weitere Investitio­nen für das Stromnetz an.

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