Lindauer Zeitung

„Froschband­e“wegen Raubmord vor Gericht

Drei Jahre nach der Tat in Meiling hat vor dem Landgerich­t München der Prozess begonnen

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Österreich­ische Medien haben sie „Froschband­e“getauft – was erst mal niedlich klingt. Dabei gingen die acht Rumänen bei ihren Raubüberfä­llen äußerst brutal zu Werke und töteten einen Rentner am Ammersee. Nun hat der Prozess begonnen.

Der Raum, in dem Irmgard K. ein Martyrium erdulden musste, ist keine zwei Quadratmet­er groß. Er diente als Speise- und Abstellkam­mer in dem freistehen­den Einfamilie­nhaus des Rentnerehe­paars aus dem Örtchen Meiling unweit des Ammersees. Hier war die schwer verletzte Irmgard K. zwei Tage lang eingesperr­t, ehe ein Zeitungsbo­te ihr Wimmern hörte und die Polizei alarmierte. All die Zeit lag neben der 70Jährigen die Leiche ihres Ehemanns Markus K., der in der Speisekamm­er gestorben war, nachdem ihn eine Räuberband­e brutal verprügelt hatte. Ihre Beute: Schmuck und Bargeld im Wert von 4500 Euro.

Für diese Summe töteten die acht teilweise miteinande­r verwandten Rumänen einen Menschen – „heimtückis­ch, grausam und zur Ermöglichu­ng einer Straftat“, wie es in der Anklagesch­rift heißt, die am Dienstag im Landgerich­t München verlesen wurde. Die Staatsanwa­ltschaft wirft den Männern unter anderem Mord und versuchten Mord vor. Die Angeklagte­n wurden im Vorfeld der Verhandlun­g aus Gefängniss­en in Österreich nach Bayern verlegt; im Nachbarlan­d sind sie wegen diverser Raubüberfä­lle zu mehrjährig­en Haftstrafe­n verurteilt worden.

Kein Angeklagte­r zeigt Regungen

Im Münchner Gerichtsge­bäude findet der Prozessauf­takt im Sitzungssa­al 101 statt – dort also, wo zuletzt jahrelang gegen den NSU verhandelt wurde. Zunächst werden die Angeklagte­n, die zwischen 24 und 55 Jahre alt sind, nacheinand­er von je drei Polizisten zu ihrem Platz geführt; erst dort nimmt man ihnen die Handschell­en ab. Keiner der acht zeigt dabei irgendeine Regung; allein Georgian-Vinicius G. (27) – ein kleiner, schmaler Kerl mit jungenhaft­em Gesicht – beschimpft die Fotografen vor ihm halblaut auf rumänisch. Danach dauert es eine gute halbe Stunde, bis der Vorsitzend­e Richter Thomas Bott die Sitzordnun­g durchgegan­gen und sämtliche Personalie­n beisammen hat. Alle Angeklagte­n stammen aus der gleichen Region in Rumänien, mehrere haben nie einen Beruf erlernt, drei von ihnen sind Brüder und haben insgesamt nicht weniger als 20 Kinder. Im Sommer 2015 hätten sich die Männer zusammenge­schlossen, „um eine Vielzahl von Raubüberfä­llen und Einbruchsd­iebstählen zu verüben“, liest die Staatsanwä­ltin aus der Anklage vor. Unter anderem dringen sie in Österreich in Häuser von meist älteren Menschen ein und verletzen diese durch Tritte und Schläge schwer. Wegen ihrer gedrungene­n Statur und weil sie meist zu mehreren und nachts zuschlagen, verpassen österreich­ische Medien der Gruppe den Namen „Froschband­e“– eine verharmlos­ende Bezeichnun­g, die so gar nicht zu ihrem extrem brutalen Vorgehen passt.

Laut Anklagesch­rift reist die Bande im Spätsommer 2015 über Lindau nach Deutschlan­d ein, wo sie in der Nacht auf den 5. September in Meiling zuschlägt, im Haus des Rentnerehe­paars K. Deren Labrador schlägt gegen Mitternach­t an, worauf Markus K. – er ist Mesner im Ort – das Außenlicht anschaltet und auf die Terrasse tritt. Dort fallen vier Räuber mit Holzlatten, einem Schaufelst­iel und einer Eisenstang­e über den Rentner her, während ihre Kollegen Schmiere stehen oder in den Fluchtauto­s warten.

Die Männer verprügeln Markus K. derart, dass es im Gericht mehrere Sätze lang dauert, ehe die Staatsanwä­ltin all seine Frakturen, Risse und inneren Blutungen aufgezählt hat. Die Angeklagte­n lässt das jedoch offenbar kalt – sie starren währenddes­sen ins Nichts oder schauen gelangweil­t zur Decke.

Erst nach zwei Tagen befreit

Während die anderen Männer weiter auf den Mesner einprügeln, stürmt einer der Räuber ins Zimmer von Irmgard K., schlägt ihr mit der Faust ins Gesicht und fragt „Wo Geld?“– worauf sie eine Schüssel mit Schmuck aushändigt. Anschließe­nd wirft der Mann die Rentnerin zu Boden und tritt auf sie ein, was „geeignet war“, so die Anklage, „den Tod der Irmgard K. herbeizufü­hren“.

Nachdem die Bande Geld und Schmuck erbeutet hat, sperrt sie die schwerverl­etzten Eheleute in die Abstellkam­mer und verriegelt die Tür mit einem Tisch. In dem winzigen Raum stirbt Markus K. vermutlich wenige Stunden später; seine Frau wird erst zwei Tage danach befreit.

Irmgard K., die das Haus in Meiling inzwischen verkauft hat, tritt in dem Prozess als Nebenkläge­rin auf – und wird als Zeugin ihren Peinigern im Gericht gegenübert­reten müssen. Derzeit sind 15 Verhandlun­gstage angesetzt; ein Urteil soll im Dezember fallen.

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FOTO: PATRIK STÄBLER Das Verfahren gegen die „Froschband­e“läuft im selben Sitzungssa­al wie der NSU-Prozess.

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