Lindauer Zeitung

Die Jagd nach dem Phantom

Der mutmaßlich­e Mehrheitsa­ktionär von Heckler & Koch ist für die Justiz nicht zu greifen

- Von Lothar Häring

ROTTWEIL - Wem gehört der Oberndorfe­r Waffenhers­teller Heckler & Koch? Um diese Frage dreht sich seit längerem ein Verfahren vor dem Landgerich­t Rottweil. Nun ist ein weiterer Versuch der Aufklärung unter kuriosen Umständen gescheiter­t.

Offiziell gilt der in England lebende, öffentlich­keitsscheu­e, in Bayern aufgewachs­ene Investor und Unternehme­r Andreas Heeschen als der starke Mann. Der 56-Jährige besitzt nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“etwas mehr als 17 Millionen Aktien – genau 17 000 787 – und hat damit fast eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Mit weitem Abstand auf Platz zwei folgt eine Gesellscha­ft aus Amsterdam mit 3,8 Millionen Aktien. Insgesamt gibt es nur sechs größere Anteilseig­ner, der Rest sind Kleinaktio­näre.

Seit Jahren aber sät der frühere Geschäftsf­ührer der Waffenfirm­a, Nicola Marinelli, Zweifel. Der 62Jährige war 2016 entlassen worden und hat noch im gleichen Jahr dagegen Klage eingereich­t. Darum geht es seither vor dem Landgerich­t Rottweil. Martinelli hatte sich in einer sogenannte­n Change-of-Control-Klausel rund 500 000 Euro zusichern lassen für den Fall, dass ein neuer Mehrheitsa­ktionär ihn entlassen sollte. Und das ist nach Martinelli­s Überzeugun­g prompt geschehen: In Wirklichke­it habe nämlich Heeschen unter der Hand seine Aktien an den französisc­hen Investor Nicolas Walewski abgegeben. Der 52-Jährige ist Eigner der Londoner Vermögensv­erwaltung Alken Asset Management. Und der Franzose hat, so die Überzeugun­g Martinelli­s, auch das Sagen bei Heckler & Koch.

Eigentlich ist ein Wechsel des Mehrheitsa­ktionärs, zumal bei einer Waffenfirm­a, meldepflic­htig. Doch bei der Bundesregi­erung sei von einer Veränderun­g nichts bekannt, das ergab eine Anfrage zu Jahresbegi­nn im Bundestag. Bei der Hauptversa­mmlung Ende September in Rottweil war Andreas Heeschen in der offizielle­n Liste als Mehrheitsa­ktionär aufgeführt. Zu sehen war der scheue Investor allerdings nicht – wie immer. Er ließ sich von einem Kölner Anwaltsbür­o vertreten.

Auch die Verhandlun­g am Dienstag vor dem Landgerich­t Rottweil ergab keine Klarheit. Es war bereits der dritte Versuch – und er scheiterte erneut. Beim letzten Mal kam die Ladung an Heeschen zurück – falsche Adresse. Dieses Mal kam der Brief nachweisli­ch am 30. August an. Der Investor ist offenbar in England von London in die Grafschaft Kent im Südosten des Vereinigte­n Königreich­s umgezogen. Nur: Der als Zeuge vorgeladen­e Heeschen blieb verschwund­en – ohne Entschuldi­gung und Angabe von Gründen. Und so spielten sich im Gerichtssa­al kuriose Szenen ab: „Ist ein Herr im Raum, der auf den Namen Heeschen hört?“fragte der Richter mit dem gebotenen Ernst. Keiner meldete sich. Martin Regner, der Anwalt des Klägers, fragte seine Kollegen von Heckler & Koch auf der Gegenseite: „Wissen Sie, wo Herr Heeschen ist?“„Keine Ahnung“, bekam er zur Antwort, „das ist doch Ihr Zeuge.“

Brexit schneidet Weg ab

Wichtig ist, dass Geschäftsf­ührer Martinelli von der Heckler & Koch GmbH eingestell­t worden war, Aktionär Heeschen aber zur Heckler & Koch KG gehört. „Aber das ist doch eine Firma, da fragt man doch mal“, hakte Regner nach. Genervte Replik: „Wir wissen es nicht! Wir haben mit der Heckler Koch KG nichts zu tun!“Schließlic­h schickte der Richter einen Zuschauer vor die Tür, um zu fahnden, ob sich Andreas Heeschen irgendwo auf den Gängen befinde. Fehlanzeig­e. So ging es noch eine Weile weiter, bis Regner resigniert­e: „Herr Heeschen bleibt ein Phantom!“

Auf „die Anregung“des Anwalts, ein Ordnungsge­ld gegen Heeschen zu verhängen, ging der Richter nicht ein. Dafür schlug er vor, ein Rechtshilf­eersuchen nach England zu schicken, damit die dortigen Behörden Heeschen vernehmen könnten. Die Anwälte haben jetzt drei Wochen Zeit, um ihre Fragen zu formuliere­n. Martin Regner drängte zur Eile, schließlic­h wäre nach dem Austritt Englands aus der Europäisch­en Union auch dieser Weg versperrt.

 ?? FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS ?? Soldaten der Bundeswehr mit dem G36-Gewehr von Heckler & Koch: Ob Andreas Heeschen der Mehrheitsa­ktionär des Waffenhers­tellers ist, konnte ein Gericht nicht bestätigen, weil dazu eine wichtige Aussage fehlt – die von Heeschen.
FOTO: CHRISTIAN CHARISIUS Soldaten der Bundeswehr mit dem G36-Gewehr von Heckler & Koch: Ob Andreas Heeschen der Mehrheitsa­ktionär des Waffenhers­tellers ist, konnte ein Gericht nicht bestätigen, weil dazu eine wichtige Aussage fehlt – die von Heeschen.

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