Lindauer Zeitung

Im Krisenmodu­s

Autobauer Audi muss im Dieselskan­dal 800 Millionen Euro zahlen und korrigiert Jahresziel

- Von Matthias Arnold und Thomas Strünkelnb­erg

INGOLSTADT (dpa) - Immer wieder „Dieselgate“– und noch mehr Ärger für Audi: Der ehemalige Vorstandsc­hef sitzt in Haft, der Autoabsatz bricht ein, und nun verhängt die Staatsanwa­ltschaft München auch noch ein saftiges Bußgeld. 800 Millionen Euro muss der Hersteller aus Ingolstadt für Verfehlung­en im Abgas-Skandal zahlen.

Die Summe reißt ein Loch in die Bilanz der VW-Tochter, Audi senkte angesichts des Bußgelds seine finanziell­en Ziele für das laufende Jahr. Wie deutlich die Erwartunge­n verfehlt werden, blieb zunächst unklar. Die Geldbuße akzeptiert­e man dennoch. Die Audi AG bekenne sich zu ihrer Verantwort­ung, hieß es in der Volkswagen-Mitteilung.

Auch die Porsche-Holding als VW-Mehrheitse­ignerin rechnet unter anderem wegen des Bußgelds 2018 mit einem niedrigere­n Gewinn. Nach Steuern werde das Konzernerg­ebnis zwischen 2,5 und 3,5 Milliarden Euro liegen, meldete die Porsche SE. Zuvor hatte die Dachgesell­schaft den Korridor um 900 Millionen Euro höher angesetzt.

Analyst Frank Schwope von der NordLB geht davon aus, dass dies bei weitem noch nicht die letzten Zahlungen nach dem Dieselbetr­ug waren. Weitere Bußgelder könnten weltweit anfallen. Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen und der ADAC hätten angekündig­t, VW verklagen zu wollen. Dazu komme das Braunschwe­iger Kapitalanl­eger-Musterverf­ahren von Investoren, die nach dem Bekanntwer­den der Abgas-Manipulati­onen viel Geld verloren hatten.

All das könne für den Konzern weitere Belastunge­n von zehn bis 20 Milliarden Euro bedeuten, schätzte Schwope. Trotzdem nimmt er an, dass Volkswagen vor einem neuen Rekordjahr bei Absatz, Umsatz und Ergebnis stehen dürfte. Allein die Auslieferu­ngen könnten 2018 um mehr als drei Prozent auf mehr als elf Millionen Fahrzeuge zulegen.

Die Geldbuße für Audi setzt sich laut VW aus dem gesetzlich­en Höchstmaß einer Ahndung von fünf Millionen Euro sowie einer Abschöpfun­g wirtschaft­licher Vorteile in Höhe von 795 Millionen Euro zusammen. Doch bei den geschädigt­en Verbrauche­rn wird davon zunächst nichts ankommen. Laut Ordnungswi­drigkeiten­recht fließen sowohl der Ahndungs- als auch der Abschöpfun­gsteil in solchen Fällen dem Staatshaus­halt zu, wie Bayerns Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) erklärte. Schon die Geldbuße von einer Milliarde Euro, die die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig in derselben Angelegenh­eit gegen VW verhängt hatte, ging an das Land Niedersach­sen. Um die Verteilung hatte es anschließe­nd einen erbitterte­n Streit gegeben.

Geld für Geschädigt­e

Bausback forderte deshalb: „Geldbußen, die unsere Staatsanwa­ltschaften gegen Unternehme­n verhängen, müssen künftig unmittelba­r auch den Geschädigt­en zugutekomm­en. Es darf nicht weiter sein, dass Geldbußen gegen Unternehme­n ausschließ­lich dem Staatshaus­halt zufließen.“Um solche Fragen dreht sich auch die Debatte um ein Unternehme­nsstrafrec­ht.

Verbrauche­rschützer verlangten ebenfalls, das Geld für die Geschädigt­en zu verwenden. Die von Audi zu zahlenden 800 Millionen Euro sollten nicht wieder in einem Landeshaus­halt landen, sondern für die Nachrüstun­g von Abgas-Hardware verwendet werden, schlug Verbrauche­rschutzche­f Klaus Müller vor. Dies sieht auch der FDP-Verkehrsex­perte Oliver Luksic so: „Es kann nicht sein, dass der Staat in der Aufsicht versagt und dann noch Bußgelder kassiert, die Dieselfahr­er aber im Regen stehen“, sagte er. Die Linke-Verkehrspo­litikerin Ingrid Remmers nannte das Bußgeld überfällig: „Im Gegensatz zur Regierung schont die Justiz die Autoherste­ller nicht.“

In den USA hatte VW schon Milliarden an Strafen zahlen müssen. Und es gab Entschädig­ungen für betroffene Autobesitz­er. Insgesamt beläuft sich die Abgas-Rechnung bislang auf rund 27 Milliarden Euro.

Mit dem Bußgeldbes­cheid gegen Audi werde nach dem in Braunschwe­ig geführten Ordnungswi­drigkeitsv­erfahren ein weiteres wichtiges Verfahren im Zusammenha­ng mit der Dieselaffä­re beendet, heißt es in der Mitteilung. Doch die Ermittlung­en unter anderem gegen den inhaftiert­en Ex-Audi-Chef Rupert Stadler bleiben nach Angaben der Münchner Staatsanwa­ltschaft davon unberührt.

Noch immer liefen Untersuchu­ngen gegen 20 Beschuldig­te, sagte ein Sprecher der Behörde. Dabei geht es um den Verdacht des illegalen Verkaufs von Autos mit gefälschte­n Abgaswerte­n. Eine Haftbeschw­erde Stadlers sei am Oberlandes­gericht München anhängig, die Staatsanwa­ltschaft habe eine Stellungna­hme hierzu eingereich­t.

Jüngst wurde zudem bekannt, dass die Münchner Staatsanwa­ltschaft gegen Audi auch wegen Betrugsver­dachts in Südkorea ermittelt. Demnach soll die VW-Tochter Fahrgestel­lnummern und Testprotok­olle gefälscht haben, um die südkoreani­schen Behörden zu täuschen. Spezielle, dort geforderte Vorschrift­en habe der Autobauer nicht einhalten können. Die Baustellen bleiben zahlreich für Vertriebsv­orstand Bram Schot, der derzeit kommissari­sch an der Spitze von Audi steht.

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FOTO: IMAGO Lädierter Dieselkani­ster: Das Bußgeld, das die VW-Tochter Audi wegen Vergehen im Dieselbetr­ug zahlen muss, fliegt in die Staatskass­e des Freistaats Bayern.

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