Lindauer Zeitung

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Der Autobauer VW stellt sein Vertriebsk­onzept um – Händler sollen künftig verstärkt Datendiens­te anbieten

- Von Wolfgang Mulke und Benjamin Wagener

BERLIN - Paket bestellt? Schon liegt es im Kofferraum des eigenen Autos. Daneben finden sich schon der Online-Einkauf des Abendessen­s. So stellt sich Volkswagen einen Teil der automobile­n Zukunft vor und baut sein Vertriebsm­odell für das digitale Zeitalter um. Die rund 5400 Vertragshä­ndler in Europa werden in zwei Jahren nicht mehr nur Autos verkaufen und reparieren, sondern den Besitzern von Golf, Passat und Jetta auch digitale Services anbieten. Ins Autohaus müssen die Kunden dann auch nicht mehr, wenn sie einen neuen Wagen kaufen wollen. Auf einer Internet-Plattform kann sich jeder sein Fahrzeug konfigurie­ren und die passende Finanzieru­ng dazu suchen. Der Händler übergibt das Fahrzeug dann nur noch.

Das neue Konzept soll der Marke VW und seinen Vertragshä­ndlern neue Einnahmequ­ellen sichern. Denn die Elektromob­ilität, die eine zentrale Rolle bei den Wolfsburge­rn spielen soll, wird an den Margen bei Neufahrzeu­gen zehren. „Die Wertschöpf­ungstiefe baut bei diesem Geschäftsm­odell tendenziel­l ab“, sagt Vertriebsv­orstand Jürgen Stackmann. Außerdem beobachtet das Unternehme­n ein sich rasant veränderte­s Marktumfel­d, in dem die Digitalisi­erung, neue Wettbewerb­er und veränderte Kundenwüns­che das bisher starre Vertriebss­ystem ins Wanken bringen. Nun hat VW gemeinsam mit den Marken-Händlern ein neues Modell ausgetüfte­lt. Die selbständi­gen Händler haben neue Verträge unterschri­eben, die von 2020 an gelten. Der Präsident des europäisch­en Vertragshä­ndler-Verbands, Matti Pörhö, ist zufrieden. „Wir werden mindestens zehn Prozent der Kosten einsparen“, erläutert der Finne.

Daten sind auch für die wichtigste Konzernmar­ke die Ressource der Zukunft. Die neuen Modelle werden mit dem Internet vernetzt sein. So sollen Softwareup­dates über das Funknetz vom Hersteller direkt auf das Fahrzeug gespielt werden. Aber VW erfährt auch jede Menge über die Gewohnheit­en und Vorlieben seiner Kunden. So könne VW den Kunden maßgeschne­iderte Angebote und Dienste unterbreit­en, erläutert Stackmann. Verkauft werden sollen beispielsw­eise zusätzlich­e softwareba­sierte Funktionen im Auto oder Parkund Lieferserv­ices. Die Lieferdien­ste hätten schon Interesse an der Lieferung in den Kofferraum gezeigt. Auch mit Stromvertr­ägen für die E-Mobilisten will das Unternehme­n künftig Geld verdienen. „Der Kunde entscheide­t immer selbst, welche Daten er uns gibt“, versichert Stackmann.

Am Vertragsha­ndel will VW nicht rühren. Im Gegenteil. Die Händler sollen auch an Geschäften beteiligt werden, die ihre Kunden online direkt mit Volkswagen abschließe­n. Und Stackmann glaubt auch nicht, dass Autokäufer künftig Neuwagen mehrheitli­ch online kaufen. Deshalb bleibe die regionale Vertretung ein zentraler Baustein der Vertriebsk­ette. Finanziell lohnt sich das Konzept für die Händler, weil damit teils kräftige Einsparung­en verbunden sein dürften. Sie müssen zum Beispiel weniger Modelle im Autohaus vorhalten, was viel Kapital bindet. Auch muss nicht mehr jede Werkstatt sämtliches Spezialwer­kzeug anschaffen. Es kann zwischen den Betrieben auch ausgeliehe­n werden.

Kein Kommentar im Südwesten

Was die Neuerungen für die Vertragshä­ndler von Volkswagen in Baden-Württember­g und Bayern bedeuten, ist noch unklar. Christoph Bernhardt, der Geschäftsf­ührer des Audizentru­ms und als Vorstandsm­itglied des Volkswagen- und AudiPartne­rverbands zuständig für den Südwesten, wollte die Änderungen und die Folgen für die Betriebe auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht kommentier­en. Auch Christofer Kilgus, Geschäftsf­ührer des VW-Autohauses Kilgus mit Sitz im oberschwäb­ischen Ravensburg, ist noch nicht genauer über die neue Strukturen informiert. „Die Richtlinie­n stehen nicht fest“, sagte Kilgus. „Es gibt noch keine genauen Infos.“

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FOTO: DPA Neuwagen in einem VW-Autohaus: Kunden bestellen ihre Autos künftig online in Wolfsburg und holen sie bei ihrem Vertragshä­ndler ab.

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