Missionshaus erfindet sich neu
In Mellatz leben künftig verschiedene Gläubige, Kulturen und Generationen zusammen
MELLATZ - Die Hausgemeinschaft der Comboni-Missionare in Mellatz will sich öffnen. Wo bisher Patres, Brüder und in früheren Jahren auch Novizen lebten, sollen künftig Menschen verschiedener Herkunft, Religionen und Generationen ihr Zuhause haben. Damit das „Daniele Comboni-EineWeltHaus“mit bis zu 44 Wohnungen entstehen kann, hat die Ordensgemeinschaft den Gebäudekomplex an zwei Familien verkauft, die sich ihr eng verbunden fühlen. Gemeinsam wollen sie sicherstellen, dass Mellatz ein Ort der Spiritualität bleibt, und dass hier weiterhin eine Gemeinde Heimat hat, die suchenden und auch kirchenfernen Menschen einen Zugang zum Glauben anbietet. Dafür erfindet sich das Missionshaus neu. Aktuell ist es in Teilen eine Baustelle.
Das Projekt, das unterhalb des Ratzenbergs wächst, ist außergewöhnlich – ein reiner Mietwohnungsbau wäre im Außenbereich nicht genehmigungsfähig. Das aktuelle Konzept der Combonis, hier Menschen zusammenzuführen, denen das Interesse an spirituellem Austausch gemein ist, stellt jedoch eine neue Form der Ordensidee dar. Pater Dr. Werner Nidetzky, der die Idee ausformuliert hat, spricht von einer „Wohn- und Lebensgemeinschaft auf religiöser Basis“, die sich die Integration von Menschen verschiedener Herkunft, Religion und Lebensalter ebenso zum Ziel setzt wie interkulturellen Dialog, gegenseitige Hilfestellung und die Übernahme kleiner Aufgaben im Rahmen der Arbeit der Combonis.
Laut Pater Werner Nidetzky sehen die Combonis auch in Europa drängende missionarische Aufgaben. Sie nehmen sich Geflüchteter an, geben suchenden Menschen Orientierung – unter den Gottesdienstbesuchern in Mellatz sind häufig Patienten aus psychosomatischen Kliniken – und wollen die Themen Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung im Bewusstsein der Menschen präsent halten, erklärt Nidetzky.
Landwirt und Bauunternehmer investieren vier Millionen Euro
Dass die Gemeinschaft auch künftig im Landkreis Lindau in diesem Sinne wirken kann, ist zwei Familien zu verdanken, die dem Missionshaus eng verbunden sind. „Uns ist wichtig, dass es so weitergeht“, sagt der Opfenbacher Landwirt Paul Rief, der auch die zum Missionshaus gehörenden Flächen als Pächter bewirtschaftete. Schon vor Jahrzehnten gehörte er der Mellatzer Jugendgruppe „Die Wüste“an. Gemeinsam mit seinem Cousin, dem Heimenkircher Bauunternehmer Bernhard Zanker, wird er etwa vier Millionen Euro in das „Daniele-Comboni-Eine-Welt-Haus“investieren.
Nachdem die Genehmigungsverfahren nach vielen Monaten endlich durch waren, konnten Rief und Zanker vor Kurzem mit dem Umbau des bergseitigen Flügels beginnen. Der Trakt, in dem auch die Combonis als Mieter wohnen werden, soll in einem Jahr fertig sein. Von allen Wohnungen dient etwa ein Viertel Alleinstehenden – unter anderem Gästen, etwa Ordensbrüdern auf Heimaturlaub. Ein Viertel hat Familiengröße (bis 130 Quadratmeter), der Rest ist für Paare gedacht. Verschiedene Gemeinschaftsräume stehen für Aktivitäten bereit. „Vielleicht wird auch ein Gebetsraum für Muslime gebraucht“, sagt Pater Nidetzky. Während die Bauherren in den beiden Wohntrakten enormen Aufwand treiben mit Dämmung, Brandschutz, Treppenhäusern, Balkonen und Aufzug, werden sie an der Kirche fast nichts verändern. Wichtig ist ihnen, noch vor dem Winter die neue Biomasse-Heizung in Betrieb zu nehmen.
Die Zukunft des Missionshauses war viele Jahre ungewiss. Angesichts einer sinkenden Anzahl von Ordensmitgliedern und dem für die Gemeinschaft kaum zu finanzierenden Gebäudeunterhalt sowie anstehender Sanierungsmaßnahmen stand der Erhalt in Frage. Zugleich war das Haus immer mit Leben erfüllt: Konzerte, Ausstellungen, Vorträge, Kurse und der Eine-Welt-Laden ziehen viele Menschen an. Bei den Gottesdiensten füllen jeden Sonntag 200 Besucher die Kirche. Eine Gruppe Freiwilliger bewirtschaftet Garten und Gewächshäuser und verkauft die Ernte zugunsten von Projekten der weltweit aktiven Ordensbrüder. Finanzielle Unterstützung leistet zudem ein Förderkreis mit jährlich etwa 25 000 Euro. Diese bunte Vielfalt an Aktivitäten soll auch künftig das Haus beleben.
Über die Vergabe der Wohnungen entscheidet Pater Werner Nidetzky gemeinsam mit den Eigentümern und einem Vertreter des Förderkreises. 20 Anfragen liegen Nidetzky bereits vor. Die gewünschte Mischung von Bewohnern zusammenzustellen, wird eine Herausforderung sein, vermutet der Comboni-Pater. Doch die neue Hausgemeinschaft hat Zeit, allmählich zu wachsen. Drei Jahre, so schätzen die neuen Eigentümer, werde das Missionshaus eine Baustelle bleiben.
Einziehen können bereits die Fledermäuse: Gemäß UmweltschutzAuflagen haben Rief und Zanker 30 Fledermauskästen über dem Gebäudekomplex verteilt. Wichtig ist ihnen vor allem, dass Gottesdienstbesucher auch während der Bauzeit die Kirche erreichen. „Sie bleibt im Mittelpunkt“, verspricht Paul Rief.Das Missionshaus erfindet sich neu.