Jeans mit Staatssiegel
Textilsiegel des Entwicklungsministeriums kommt 2019 – Der „Grüne Kopf“soll soziale und ökologische Standards sicherstellen
RAVENSBURG - Wer beim Stadtbummel in Ravensburg wissen will, wo und wie das T-Shirt oder die Hose hergestellt worden sind, dem können die Verkäufer in den Läden oft nicht weiterhelfen. „Made in Bangladesh“oder „Made in Indonesia“steht zwar auf den Etiketten. Aber ob die Kleidung unter fairen Bedingungen oder im Sweatshop hergestellt worden ist? Schulterzucken. Und dabei macht es keinen Unterschied, ob die Shoppingtour in den Textildiscounter, die mittelpreisigen Ketten oder in Geschäfte führt, in denen eine Bluse schon einmal 100 Euro kostet.
Klar ist auch: Am Preisschild lässt es sich nicht ablesen, ob Kleidung fair produziert worden ist. Und viele Gütesiegel, die mit oft völlig unterschiedlichen Kriterien Waren, Produktionsbedingungen und Lieferketten bewerten, helfen dem Verbraucher ebenfalls nicht so richtig weiter. Der „Grüne Knopf“, ein Siegel des Entwicklungsministeriums, soll das nun ändern.
Ziel von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist es, die soziale und ökologische Qualität der Kleidungsstücke hervorzuheben. Der „Schwäbischen Zeitung“liegt ein Konzeptpapier über die Einzelheiten vor. „Erste Grüner-Knopf-Produkte erscheinen 2019 auf dem Markt“, heißt es in dem zwölfseitigen Entwurf des „Umsetzungskonzepts“. Das neue Label soll sichtbar am jeweiligen T-Shirt, Sakko oder Hemd baumeln. Als „Zeichengeber“steht das Entwicklungsministerium dafür gerade, dass Mindeststandards bei der Produktion eingehalten wurden. Beispielsweise sollen die Beschäftigten in den Nähereien Bangladeschs, Kambodschas oder Vietnams nach und nach mit den Firmen über ihre Löhne verhandeln dürfen.
Die Anforderungen umfassen zudem das Recht auf Gewerkschaften, Verbote von Zwangs- und Kinderarbeit und eine Arbeitszeitbegrenzung auf maximal acht Stunden pro Tag. Außerdem dürfen keine Chemikalien verwendet werden, die bei Schlucken oder Hautkontakt tödlich oder krebserregend oder für Wasserorganismen giftig sind.
Diese Zusage gilt erstmal nur für die Endproduktion der Textilien, die Konfektionierung. Von 2021 an sollen weitere Produktionsstufen, etwa die Färbung der Stoffe, einbezogen werden. Auch die Kriterien will Müller allmählich verschärfen. Der ganze Prozess ist eine Reaktion auf schwere Unfälle in der globalen Textilindustrie wie den Einsturz des Fabrikkomplexes Rana Plaza in Bangladesch 2013.
Eine zentrale Frage ist, nach welchen Kriterien das Label vergeben wird. Laut Entwicklungsministerium sollen es beispielsweise Unternehmen erhalten können, die im Textilbündnis der Regierung mitwirken und in Fortschrittsplänen die Einhaltung von gewissen Sozial- und Ökostandards zusichern. Das sind beispielsweise Adidas, C&A oder Tchibo sowie Boss, Vaude und Schöffel. Das Textilbündnis ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Firmen und Organisationen, die die Zustände in der globalen Bekleidungsindustrie verbessern wollen. Nach eigenen Angaben gibt es für die Mitglieder verpflichtende Ziele, beispielsweise die Erstellung einer Risikoanalyse, die systematische Erfassung der Geschäftspartner und Produzenten, der Verzicht auf den Einsatz giftiger Chemikalien und die Etablierung eines Prozesses zur Verhinderung von Kinderund Zwangsarbeit.
Außerdem gelten Bündnisziele, auf die die Mitglieder hinwirken müssen. Etwa, dass bis 2025 der Gesamtanteil nachhaltiger Baumwolle auf 70 Prozent steigen soll. „Die Nichtabgabe einer plausiblen Roadmap und Fortschrittsberichterstattung führt zu einem Ausschluss aus dem Textilbündnis“, sagte ein Sprecher des Entwicklungsministeriums. Der Ausschluss berge das Risiko eines Verlusts von Ansehen und Glaubwürdigkeit für die betreffenden Unternehmen.
Für den Grünen Knopf muss das das jeweilige Produkt, etwa eine Jeans, zusätzlich bereits private Siegel tragen, die die soziale und ökologische Qualität bescheinigen. Hier kommen 16 anerkannte Label in Frage, die auf der Internetseite Siegelklarheit.de als gut oder sehr gut eingestuft sind – Blauer Engel, Fairtrade, Fair Wear Foundation, EU-Ecolabel, Cotton made in Africa und andere. Müllers Idee: Der grüne Knopf gibt eine verlässliche Orientierung für Verbraucher, die sich mit den Dutzenden existierenden Labeln nicht auskennen. Das Staatssiegel fasst außerdem Ökologie und Soziales zusammen, was bei vielen anderen Zertifikaten nicht der Fall ist.
Großer Bedarf nach Orientierung
Der Bedarf nach Orientierung ist da – und groß, darin sind sich Politik, Industrie und Verbaucherschützer einig. „Ob Kleidung fair hergestellt wurde, erkennen Sie als Verbraucher leider gar nicht“, kritisiert zum Beispiel Christiane Schnura von der „Kampagne für saubere Kleidung“. Nur weil Textilien teuer sind, sei das noch lange keine Garantie für eine faire Herstellung. „Als Verbraucher ist man darauf angewiesen, sich im Internet bei den Unternehmen schlau zu machen. Und da bleibt die Frage, wie glaubwürdig diese Informationen sind“, sagt Schnura. Doch das neue Siegel ist nach Ansicht der Verbraucherschutzorganisation „mehr Schein als Sein“, sagt Schnura. „Der Verbraucher denkt, dass er garantiert sauber produzierte Ware kauft.“Das sei aber nicht der Fall. Zumal das Siegel nur für die Konfektionierung, also das Nähen gedacht ist. „Außerdem ist unklar, wie geprüft werden soll, ob die Veränderungen bei den Näherinnen ankommen.“
Auch der Handelsverband (HDE), der große Textilunternehmen vertritt, sieht das Vorhaben „sehr kritisch“. Ähnlich der Verband Textil & Mode: „Das geplante Siegel schafft nicht mehr Klarheit, sondern im Gegenteil mehr Siegelunklarheit“, sagte eine Sprecherin. Dort fragt man sich, was ein zusätzliches staatliches Label soll, wenn es nur auf bereits existierende Siegel aufsetzt.
Beim Textildiscounter KiK heißt es: „Sobald die Details und ein Startdatum für den Grünen Knopf feststehen, plant KiK, sich ebenfalls mit einzelnen Produkten, voraussichtlich aus dem Baby- und Kinderbereich, zu beteiligen.“
In den nächsten Monaten wird sich zeigen, ob Müller mit seiner Idee durchkommt. Der Erfolg hängt davon ab, wie viele Firmen mitmachen. Ein grundsätzliches Problem werde aber kein Siegel ändern, kritisiert Schnura: „Es wird viel zu viel Kleidung produziert.“Studien von Greenpeace zufolge würden 40 Prozent der hergestellten Kleider gar nicht getragen. „Das ist eine riesige Verschwendung von Ressourcen und Arbeitskraft.“Daher empfiehlt Schnura den Verbrauchern, Kleidung so lange wie möglich zu tragen. Denn alles, was lange im Umlauf bleibe, sei gut.