Lindauer Zeitung

Ein Kleinstaat als Mittler zwischen den Großen

Luxemburg spielt in europäisch­en Gremien oft eine wichtige Rolle – Die Steuerpoli­tik des Landes sieht die EU aber kritisch

- Von Ulrich Mendelin –

RAVENSBURG - Internatio­nal war man in Luxemburg schon immer. Als im Jahr 1859 der grenzübers­chreitende Eisenbahnv­erkehr nach Belgien und Frankreich aufgenomme­n wurde, griff der luxemburgi­sche Dichter Michael Lentz zur Feder und schrieb eine Hymne zu Ehren des Fortschrit­ts, genauer: der Dampflokom­otive. Das Volkslied „De Feierwon“(„Der Feuerwagen“) lädt Franzosen, Belgier, Preußen zum Besuch nach Luxemburg ein, um dann mit der Zeile zu enden, die auch heute noch als Wahlspruch des Landes gilt: „Mir wëlle bleiwe wat mir sin“(„Wir wollen bleiben, was wir sind“).

Mittendrin in Europa und doch mit einem gesunden Bewusstsei­n für die Eigenständ­igkeit: Dieses Bild von sich selbst dürfte Luxemburge­rn auch heute noch gut gefallen. Mit Franzosen oder Deutschen in einen Topf geworfen werden, das mögen sie jedenfalls nicht. Dabei sind beide Sprachen der Nachbarlän­der – neben dem ureigenen Lëtzebuerg­esch Amtssprach­e. Die meisten Menschen sind mehrsprach­ig. Das gilt besonders für die Hauptstadt Luxemburg, wo sieben von zehn Einwohnern Ausländer sind.

„D’Stad“, wie Luxemburge­r ihre Hauptstadt nennen, ist wie Brüssel und Straßburg Verwaltung­ssitz der Europäisch­en Union. Hier befinden sich der Europäisch­e Gerichtsho­f und ein halbes Dutzend weiterer EU-Institutio­nen. Gibt es Zwist zwischen den EU-Staaten, fällt dem Großherzog­tum immer mal wieder eine Mittlerrol­le zu. Vielleicht, weil kleine Länder nicht so schnell in Verdacht geraten, eigene Interessen zu verfolgen. Vielleicht auch wegen der Nachbarsch­aft zu den beiden wichtigste­n EU-Staaten Deutschlan­d und Frankreich. Das Abkommen zur Abschaffun­g der innereurop­äischen Grenzkontr­ollen wurde nicht zufällig im luxemburgi­schen Schengen abgeschlos­sen. Das 400Einwohn­er-Dorf liegt direkt am Dreiländer­eck.

Zur Rolle als Mittler passt, dass kein anderes Land so häufig wie Luxemburg den EU-Kommission­spräsident­en gestellt hat – vor dem Amtsinhabe­r Jean-Claude Juncker standen bereits zwei seiner Landsleute an der Spitze der EU-Verwaltung, Gaston Thorn (1981-1985) und Jacques Santer (1990-1995).

Staat half bei Steuerverm­eidung

Geht es aber um Steuerpoli­tik, steht Luxemburg regelmäßig im Zwielicht. Dem Land, das einer der TopFinanzs­tandorte der EU ist, wird unfairer Steuerwett­bewerb vorgeworfe­n. In der „LuxLeaks-Affäre“wurde 2014 publik, dass das Großherzog­tum Konzernen wie Apple, Ikea und Pepsi aktiv bei der Vermeidung von Steuerzahl­ungen in Milliarden­höhe half. Dank sogenannte­r Tax Rulings mussten die Firmen unterm Strich fast keine Steuern zahlen.

Die EU sucht seitdem nach Wegen, wie unfairer Steuerwett­bewerb vermieden werden könnte. Luxemburgs liberaler Premiermin­ister Xavier Bettel gab erst Ende Mai im Europaparl­ament zu Protokoll, wie er sich eine Harmonisie­rung der Steuern vorstellt: Es sollten doch einmal alle EU-Regierunge­n darüber nachdenken, wie man die Abgabenlas­t für Unternehme­n gemeinsam senken könnte.

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