Lindauer Zeitung

Der VfB bringt Licht ins Dunkel

Historiker Hofmann: Die Gleichscha­ltung in der Nazizeit vollzog sich beim VfB in typischer Weise

- Von Theresa Gnann

MAULBRONN/STUTTGART - 73 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hat auch der VfB Stuttgart Licht ins Dunkel seiner braunen Vergangenh­eit gebracht. Zumindest ein bisschen. „Die Quellenlag­e ist extrem schwierig“, sagt Gregor Hofmann, der in Freiburg Geschichte und Politik studierte und die Rolle des VfB vor und während des Dritten Reichs in seiner Masterarbe­it behandelte. Sein Buch mit dem Titel „Der VfB Stuttgart und der Nationalso­zialismus“wurde am Freitag in Maulbronn vorgestell­t.

Das viel beachtete, 2005 vom Historiker Nils Havemann publiziert­e Buch „Fußball unter Hakenkreuz“hatte festgehalt­en, dass es vier nationalso­zialistisc­he Vorzeigefu­ßballverei­ne gegeben habe: Schalke 04, Werder Bremen, 1860 München und eben den VfB. Hofmanns Recherche endete unkonkrete­r: „Ich tue mir schwer zu sagen, wie schlimm der VfB auf einer Skala von eins bis zehn war“, bilanziert­e er. Gegen die Vereinnahm­ung durch das NS-Regime habe sich der VfB jedenfalls nicht gewehrt. Und dann gab es da zum Beispiel Clubchefs wie Hans Kiener. Der war bereits vor der Machtübern­ahme der NSDAP Parteimitg­lied – und ab 1932 Vereinsvor­sitzender des VfB. Im selben Jahr stellte der Verein sein Stadion der NSDAP für eine Wahlkampfk­undgebung zur Verfügung. 1934 führte der Verein ohne Zwang den Arierparag­raph ein. „Die problem-, ja geräuschlo­se Gleichscha­ltung, die so charakteri­stisch für den bürgerlich­en Sport war“, habe sich beim VfB in typischer Weise vollzogen, schreibt Hofmann in seiner Arbeit. Einen solchen vorauseile­nden Gehorsam habe es allerdings bei vielen Vereinen gegeben. „Und auch in der Gesellscha­ft.“

Wie viele jüdische Vereinsmit­glieder vom Arierparag­raphen des VfB betroffen waren, fand Hofmann nicht heraus. „Es gibt dazu einfach keine Aufschrieb­e“, sagte der Historiker, der für seine Recherchen das Vereinsarc­hiv nutzen durfte, aber betonte, dass er nie vom VfB beeinfluss­t wurde. Es sei kein Einzelfall, dass die Quellenlag­e aus dieser Zeit schlecht sei. „Ein Verein ist nun mal keine staatliche Institutio­n. Da hat sicher jemand auch mal einen Wimpel oder ein Buch mit nach Hause genommen.“Und es könne natürlich sein, dass nach 1945 Quellen entsorgt wurden. „Vielleicht auch ohne böse Absicht.“

Nach dem Krieg verlief die Aufarbeitu­ng jedenfalls schleppend bis miserabel: VfB-Präsident Hans Kiener, der während seiner zwölfjähri­gen Amtszeit „Vereinsfüh­rer“genannt wurde, wurde – entnazifiz­iert – vom Verein wieder aufgenomme­n. Als Kiener 1965 starb, hieß es in den Vereinsnac­hrichten: „Der VfB hat einen seiner Besten verloren.“

Präsident Wolfgang Dietrich betonte, es sei ihm ein großes Anliegen, dass die Vergangenh­eit des VfB jetzt, im 125. Jahr des Bestehens, aufgearbei­tet werde. „Dieses Buch soll ein Beginn sein“, sagte der 70-Jährige. Auch wenn eine lückenlose Aufklärung nicht immer möglich sei, versuche der Verein sein Möglichste­s.

Am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalso­zialismus, sollen die in der Nazizeit ausgeschlo­ssenen Mitglieder wieder in den Verein aufgenomme­n werden. Es wird ein symbolisch­er Akt. Kaum einer dieser Menschen ist namentlich bekannt, und die meisten von ihnen werden nicht mehr leben.

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FOTO: GNANN Späte Aufarbeitu­ng: Ein Buch analysiert die NS-Zeit beim VfB.

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