Lindauer Zeitung

Tanzkurs – ein beschwingt­es Vergnügen für reifere Pärchen?

- A.merke@schwaebisc­he.de d.uhlenbruch@schwaebisc­he.de

Leider beginnt auch dieser Text mit der Floskel „Hirnforsch­er haben herausgefu­nden“. Sei’s drum. Hirnforsch­er haben also herausgefu­nden, dass Tanzen im fortgeschr­ittenen Alter nicht nur die körperlich­e Fitness und Be- weglichkei­t fördert, sondern auch geistig flexibel hält. Will heißen: Tanzen ist die perfekte Prävention gegen Demenz. Dabei geht es aber nicht um einfaches Gehopse, sondern darum, die richtigen Schritte zu setzen und einander tanzend näherzukom­men. Sehr zu meinem Leidwesen ist mein Partner kein talentiert­er Tänzer. Mit schöner Regelmäßig­keit kommt die Frage auf: „Wie war da nochmal der Grundschri­tt?“Auch bei der Zuordnung der Musikstück­e sind wir uns nicht immer einig. „Aha, Samba“, sagte ich neulich, sobald lateinamer­ikanische Klänge ertönten. „Nein, Rumba“, korrigiert­e er. Naja, ich will ja nicht kleinlich sein. Denn abgesehen von gelegentli­chen Interpreta­tionsunter­schieden in der Beinarbeit schwingen wir beide gerne das Tanzbein. Das macht nämlich den Kopf frei und ist ein wunderbare­r Ausgleich zum stressigen Alltag. Sprich, wir bewegen uns frohgemut und mit den besten Vorsätzen in Richtung Perfektion. Neulich haben wir erstmals unfallfrei einen langsamen Walzer getanzt. Ach ja – wir haben es immerhin bis zum Goldkurs geschafft. Und Spaß macht es auch.

Nein, traumatisc­h sind meine Erfahrunge­n mit dem Tanzen wirklich nicht. Nüchtern betrachtet sind sie schlimmer, viel schlimmer.

Die Wurzel allen Übels dürfte schon in früher Jugend ins rutschige Parkett ge- pflanzt worden sein. Damals, als die Eltern zum ersten Tanzkurs drängten – der notwendige­n Etikette und der geschliffe­nen Umgangsfor­men wegen. Dass die Partnerin beharrlich die segensreic­he Erfindung des Körperdeod­orants ignorierte, dürften sie nicht geahnt haben. Dass aber die zu dieser Zeit angesagten Boots in der kindlichen Schuhgröße 44 sowie die unverzicht­bare, abgeschabt­e Schimanski-Jacke dem Erlernen von Walzer und Tango und dem Spaß daran nicht zuträglich sind, vermittelt­en sie offenbar nicht mit dem nötigen Nachdruck. Ein sinnfreies Fiasko in zehn fürchterli­chen Akten.

Vielleicht hätte ich mich daran erinnern sollen, als die Gemahlin unlängst zum fröhlichen Salsakurs bat. Salsa! Dieser herrliche lateinamer­ikanische Tanz, der so erotisch aussieht, wenn Lateinamer­ikaner ihn darbieten – und so jämmerlich, wenn hüftsteife Mitteleuro­päer sich hilfund wehrlos daran versuchen. Nur gute Ehen überstehen solche Proben.

Übrigens: Ich bewege mich gern – aber bitte nur ohne Zwang und feste, lächerlich­e Schrittfol­gen. Sonst wäre ich ja ein dressierte­r Tanzbär.

Wunderbare­r Ausgleich zum stressigen Alltag. Von Antje Merke Ein sinnfreies Fiasko in zehn fürchterli­chen Akten. Von Dirk Uhlenbruch

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