Lindauer Zeitung

Lindauerin kämpft gegen falsche Liebe

Die Frau wäre selbst beinahe Opfer im Internet geworden.

- Von Julia Baumann

LINDAU - „Dein Lächeln hat mich verzaubert. Darf ich Dich kennenlern­en?“Diese Nachricht hat ein gewisser Peter Hartmann aus Amerika einer Lindauerin vor gut einem Jahr im sozialen Netzwerk Facebook geschriebe­n. Der Beginn eines Flirts, bei dem allerdings – zumindest vonseiten des Mannes – viel gelogen wird. Denn diesen Peter Hartmann gibt es in Wirklichke­it überhaupt nicht. Hinter seinem Profil stecken sogenannte Romance Scammer. Erfolgreic­h sind sie, wenn sie ihren Opfern Geld oder Wertgegens­tände abgeknöpft haben.

Und das gelingt immer wieder. Neun registrier­te Fälle von Romance Scamming (deutsch: Liebesschw­indel) hat es in den vergangene­n beiden Jahren im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West, zu dem auch Lindau gehört, gegeben. Die höchste ergaunerte Summe der Betrüger: 65 000 Euro. Die Dunkelziff­er der Betrogenen schätzt Polizeispr­echerin Stefanie Kraatz allerdings weit höher ein. Denn die wenigsten Opfer zeigen Romance Scamming an. „Manche wissen überhaupt nicht, dass sie Opfer sind, manche schämen sich, und andere wollen es nicht wahr haben“, sagt sie.

Im Prinzip läuft diese Art von Liebesschw­indel immer gleich ab. Frauen werden dabei genauso Opfer wie Männer. Die Betrüger – laut Kraatz stammen sie meist aus Westafrika, oft aber zum Beispiel auch aus Russland – stehlen im Internet Fotos, mit denen sie sich ein FacebookPr­ofil anlegen. Männer geben sich dabei oft als US-Amerikaner aus.

So war es auch bei der 51jährigen Lindauerin. Peter Hartmann war angeblich ein selbststän­diger Amerikaner, der in München wohnt. „Es war ein ganz schicker, weißer Mann“, erzählt die Lindauerin. „Innerhalb von drei Tagen war er in mich verliebt.“

Doch dann wurde Peter Hartmann krank. Angeblich aus dem Krankenhau­s bat er die Lindauerin um Geld. „Er hat gesagt, ich solle ihm vertrauen, er würde mir das Geld wiedergebe­n.“Als die Frau ihm kein Geld überwies, habe sich Peter Hartmann drei Tage lang überhaupt nicht mehr gemeldet. Angeblich weil er, mittlerwei­le zurück in Amerika, im Koma gelegen habe. Er schickte der Lindauerin ein Foto, das sie stutzig machte. „Da war noch ein Wasserzeic­hen dran, das war einfach aus dem Internet kopiert.“Sie recherchie­rte im Internet und stieß auf das Phänomen „Romance Scamming“.

„Hinter den Facebook-Profilen stecken oft ganze Gruppen, verschiede­ne Männer und Frauen wechseln sich mit dem Schreiben ab“, erklärt Polizeispr­echerin Kraatz. Die Chats liefen profession­ell ab, die Betrüger beherrscht­en oft perfektes Englisch, manchmal sogar Deutsch. „Sie schaffen es, schnell eine Abhängigke­it, ein Vertrauens­verhältnis aufzubauen“, sagt Kraatz. So entstünde das Gefühl eines Seelenverw­andtschaft, für die die Opfer oft viel riskieren.

Nach dem Krankenhau­s angeblich ausgeraubt

Obwohl die Lindauerin bereits den Verdacht hatte, dass hinter Peter Hartmann ein Betrüger steckt, beschloss sie, den Flirt weiterlauf­en zu lassen. Ihr Gegenüber beschloss offenbar dasselbe, er sponn seine Geschichte weiter. Nach seinem Krankenhau­saufenthal­t, so schrieb er, sei er ausgeraubt worden. Schon wieder eine Situation, in der der Mann angeblich dringend auf finanziell­e Hilfe angewiesen war. Als die Lindauerin sich noch immer weigerte, zu bezahlen, habe er angefangen, Druck auszuüben. „Er hat mir gesagt, was für eine böse Frau ich doch bin“, erzählt sie.

Die Hintergrün­de der Betrüger sind unterschie­dlich, wie Polizeispr­echerin Kraatz erklärt. Manche von ihnen haben es auf Mobiltelef­one und Gutscheink­arten für diese abgesehen, andere wollen Geld für angebliche Flüge und Visa. Wieder andere haben es auf ausländisc­he Ausweispap­iere abgesehen. Sie bitten ihre Opfer, ihnen Kopien von Pass und Reisepass zu schicken – mit der Erklärung, ein gemeinsame­s Konto eröffnen zu wollen. In Wirklichke­it aber möchten sie die Ausweise fälschen. „Manchmal sind die Opfer auch Übermittle­r“, sagt Kraatz. Sie sollen dann kleine Päckchen, die eine dritte Person vorbeibrin­gt, zum Beispiel nach Afrika schicken. Der Inhalt sei meist mit einer gestohlene­n Kreditkart­e bezahlt und könne den Absender in ernsthafte Schwierigk­eiten bringen. Laut Kraatz gibt es auch im Landkreis Lindau immer wieder Menschen, die auf die Liebesbetr­üger im Internet hereinfall­en. Die Summen, die die Opfer verlieren, seien dabei ganz unterschie­dlich: Manchmal seien es tatsächlic­h nur ein paar Gutscheink­arten. Vor einiger Zeit allerdings habe ein Opfer aus Kempten seinem Scammer 65 000 Euro überwiesen. Gefährdet sind laut Kraatz vor allem Frauen und Männer mittleren bis älteren Alters. „Viele von ihnen sind bereits geschieden, manche sind verzweifel­t“, sagt die Polizistin. Die jüngere Generation wisse mit den neuen Medien schlicht besser umzugehen und erkenne Betrüger daher oft schneller.

Auf keinen Fall Geld überweisen

Ähnliche Erfahrunge­n hat auch die 51-jährige Lindauerin, die bei Facebook seit einiger Zeit unter dem Profil Véronique auftritt, gemacht. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen, denn sie leitet mittlerwei­le eine Art Selbsthilf­egruppe bei Facebook. Gemeinsam mit anderen Frauen, die negative Erfahrunge­n mit Liebesschw­indlern gemacht haben oder bereits auf sie hereingefa­llen sind, versucht sie, gefälschte Profile zu identifizi­eren und Facebook zu melden. Allerdings nicht, bevor sie die Handynumme­r der Scammer herausgefu­nden hat. Diese übergibt sie der Polizei.

„Wenn wir die Telefonnum­mer haben, versuchen wir, herauszufi­nden, wo sich die Scammer aufhalten“, sagt Kraatz. Die Polizistin gibt aber auch zu: Sobald sich herausstel­lt, dass sich die Betrüger im Ausland leben, gestalten sich die weiteren Ermittlung­en schwierig. Auch, wer bereits betrogen wurde und sich erhofft, sein Geld zurückzube­kommen, hat dann schlechte Chancen. Die Polizistin rät deshalb beim kleinsten Verdacht: „Den Kontakt abbrechen und auf keinen Fall etwas überweisen.“

„Innerhalb von drei Tagen war er in mich verliebt.“Eine 51-Jährige Lindauerin.

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FOTO: OH Die Romance-Scammer sehen nie so aus, wie auf ihren Profilen im Internet.

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