„CSU hat Chance zum Wiederaufstieg“
CSU-Politiker Bernd Posselt sieht vor der Europawahl pro-europäischen Kurs seiner Partei
MÜNCHEN - CSU-Außenpolitiker und Vertriebenenfunktionär Bernd Posselt empfiehlt seiner Partei im Interview mit Ralf Müller einen „klaren pro-europäischen Kurs“im kommenden Europawahlkampf und unterstützt Weber als „europapolitisches Eigengewächs“.
Herr Posselt, die Landtagswahl ist für die CSU ziemlich daneben gegangen. Schlechtes Vorzeichen für die Europawahl im Mai kommenden Jahres?
Die Europawahl ist eine einzigartige Chance für die CSU, den Wiederaufstieg zu beginnen. Die CSU ist eine Europapartei der ersten Stunde. Wenn wir wie geplant einen klaren proeuropäischen Wahlkampf führen, werden wir auch die Menschen in einer Zeit, in der Europa ein viel brisanteres Thema ist als je zuvor, mobilisieren können.
Die CSU hat so sogar Aussicht, den neuen EU-Kommissionspräsidenten zu stellen.
Die CSU hat die Chance, dass am 7. November in Helsinki Manfred Weber zum Spitzenkandidaten der stärksten Parteienformation in Europa, der Europäischen Volkspartei, erkoren wird. Der einzige Deutsche in diesem Amt war in den 1960erJahren Walter Hallstein, die rechte Hand von Konrad Adenauer. Seither stand nie mehr ein Deutscher an der Spitze der EU. Die Chance, dass es ein Bayer und einer von der CSU werden könnte, wird eine starke Mobilisierung auslösen. Ich bin aber auch sehr optimistisch, weil bei den Europawahlen regionale Gruppen wie zum Beispiel die Freien Wähler keine große Rolle spielen. 60 Prozent der Bayern sagen, sie wären im Prinzip bereit, CSU zu wählen. Dieses Potential müssen wir eben so stark wie möglich ausschöpfen.
In der CSU gab es in der Vergangenheit starke europakritische Strömungen, die nach allgemeiner Ansicht auch zu dem etwas verunglückten letzten CSU-Europawahlkampf geführt haben. Ist die CSU jetzt geschlossen pro-europäisch?
Europakritisch kann man ja durchaus sein. Wir wollen zum Beispiel keinen europäischen Zentralismus bis ins Detail. Aber für das Europa im Großen müssen wir noch sehr viel tun – in der Außen- und Verteidigungspolitik und in der Flüchtlingspolitik muss Europa funktionsfähig gemacht werden. Die EU kann aber nur liefern, wenn sie reformiert wird, das heißt, wenn das Einstimmigkeitsprinzip etwa in der Außenpolitik zurückgedrängt wird. Dies hat sich Manfred Weber auf die Fahnetzen nen geschrieben. Seine Spitzenkandidatur verfolgt die Parlamentarisierung Europas. Es soll also nicht ein abgehalfterter Regierungschef Kommissionspräsident werden wie Webers Gegenkandidat Alexander Stubb aus Finnland, der bei Wahlen gescheitert ist, sondern ein europapolitisches Eigengewächs. Damit steht Weber für die Parlamentarisierung Europas – ein großes Projekt im Sinne der CSU.
Mit Peter Gauweiler hat die CSU im letzter Europawahlkampf ein Angebot für die Europaskeptiker in der Parteit.
Das gehört zur Bandbreite der CSU. Peter Gauweiler war damals stellvertretender Parteivorsitzender, jetzt ist es Manfred Weber. Ich gehe auch nach Gesprächen mit Horst Seehofer und Markus Söder davon aus, dass Manfred Weber und seine Linie massiv unterstützt wird. Söder hat sich sehr, sehr klar pro-europäisch positioniert.
Wie groß sehen Sie die Gefahr, dass bei der Europawahl die gesammelten Populisten, Nationalisten und Rechtsextremisten Europa aus den Angeln heben?
Aus den Angeln heben werden sie es nicht, aber die Nationalisten, Nationalpopulisten und Anti-Europäer wollen Europa zerschlagen. Diese Kräfte gibt es auf der Linken und auf der Rechten. Die Nationalisten ver- sich paradoxerweise europaweit. Die Grenzen zwischen Linksund Rechtsextremisten verschwimmen immer mehr. In Griechenland und Italien gibt es Regierungskoalitionen zwischen Links- und Rechtsextremisten. Im Europaparlament verteidigt ein sogenanntes Friedensforum die Aggressionspolitik des Herrn Putin, was von den Links- und Rechtsextremisten getragen wird. Man kann vermuten, dass etliche von diesen links- und rechtsextremistischen Parteien direkt an der Schatulle des Herrn Putin hängen. In Frankreich ist das nachgewiesen. Ein zerschlagenes Europa ist das, was den Herren Putin, Trump oder Erdogan am besten ins Konzept passen würde. Daher muss sich Europa im Sinne des überragenden Europäers Franz Josef Strauß zu einer demokratisch organisierten föderalistischen Macht zusammenschließen.
Sie haben die Herren Putin, Trump und Erdogan erwähnt. Was ist mit dem ungarischen Regierungschef Victor Orbán, zu dem die CSU ein – sagen wir – zwiespältiges Verhältnis hat?
Erstens: Ungarn ist eine funktionierende Demokratie. Zweitens: Orbán redet schrecklichen antieuropäischen Unsinn, der absolut inakzeptabel ist. Wir müssen trotzdem im intensiven Dialog mit den Ungarn bleiben. Die Abgeordneten von Orbáns Fidesz-Partei im Europaparlament sind hoch angesehen, absolut prodemokratisch und verhalten sich nicht ansatzweise wie die Reden Orbáns vermuten lassen. Ich kenne Viktor Orbán, als er als Pro-Europäer und Linksliberaler 1989 politisch angefangen hat. Damals stand ich übrigens mit einer Gruppe der Paneuropa-Jugend mit lauter Europafahnen links und rechts von ihm. Leider hat er sich gewandelt. Das können wir ihm nicht durchgehen lassen, aber deshalb Ungarn oder die ganze Fidesz-Partei zu isolieren wäre falsch. Wir müssen Ungarn zurück ins Boot holen.