Das ist eine Klasse für sich
Jo Strauss und seine Band gastieren mit viel Wiener Schmäh und sattem Bluesrock im Zeughaus
LINDAU - Der Kabarettmusiker Jo Strauss und seine Band gehören mit zum Schrägsten, das sich das Zeughaus in seiner aktuellen Saison bis jetzt geleistet hat. Ultimativen Wiener Schmäh in seiner bissigsten Art, dass es einen schaudert, inszenierte Strauss am Samstagabend zusammen mit einer vierköpfigen Band, die sich genauso wenig zweimal bitten lässt. Ihr deftiger Bluesrock brachte die Gemäuer zum Vibrieren und die Gemüter auf Hochtouren. Alles in allem ein außergewöhnlich lustvoller Abend.
Jo Strauss ist keine Lachnummer, auch wenn man sich vor Lachen kaum halten kann. Vor allem nach der Pause, wenn es richtig zur Sache geht. Mit den Österreichern und der Frage, warum sie den Morden so Glamouröses abgewinnen können. In der Kindheit zu viel Thomas Bernhard gelesen. Oder mit Blick in die Historie, als Österreich vom kaiserlichen Sockel gefallen auf Zwergenstaat-Niveau schrumpfte und sich ein „wunderschöner Garten der Minderwertigkeitskomplexe“auftat. Egal, woran es liegt, der in Berlin und Wien lebende Linzer Jo Strauss, ausgezeichnet mit dem Deutschen Kabarettpreis Scharfrichterbeil (2014) und dem Tiroler Kabarettpreis Salzfassl (2016), ist eine Klasse für sich.
Eine Stimme, die ins Ohr geht
Optisch, sprachlich, gesanglich und überhaupt. Sobald er sich in seinem gestylten Outfit aus gestreifter Hose, Jackett und Schuhen – alles Ton in Ton – auf dem Barhocker grazil ausrichtet, erwartet einen ein tiefes, kratzig-raues Reibeisen-Timbre. Wie hält er das durch, fragt man sich im Stillen. Auf jeden Fall mit viel Wassertrinken, zumal Jo Strauss beim Erzählen eine ganz normale Sprechstimme hat. Ein Phänomen, an das man sich schnell gewöhnt – gleich, ob man je einen vollständigen Satz seines Mühlviertler Dialektes versteht. In den Liedern fällt das kaum ins Gewicht, dominiert doch der Sound eines satten Blues und krawalligen Britpop, einer tief schürfenden Ballade oder mainstreamigen JazzAllüren. Mit E-Gitarrist Lukas Höfler „auf der scharfen Elektrischen“, Tobias Wagner am Schlagzeug, der gerne auch man die Messer wetzt in „Der Blaubart“, Stefan Sonntagbauer am „Melodieinstrument Bass“und Keyboarder Philipp Rist am „Plastikklavier“hat Strauss hervorragende Musiker um sich versammelt. Pechschwarz geht es bei ihnen zu, aber nicht brachial. Es ist ihre Eleganz, mit der sie dem Philosophentum zu Leibe rücken. Den Lack fein säuberlich abkratzen am Langzeitstudenten, der sich als was Besseres vorkommt. Ganz nebenbei erzählt Strauss von seinem Leben im „Sammelbecken von Misanthropen“– von Mitfahrbörsen, bei denen man sieben Stunden ohne zu reden im Auto sitzt und das aus soziologischer Sicht interessant sein könnte.
Lachen oder weinen – beides
Im Aufdecken von „Blinden Flecken“ist er ein Meister, ein Unikum, das beim Lied vom toten Großvater „Ned zum Ertragen“einen in emotionale Gewässer mitreißt. Soll man lachen oder weinen? Am besten beides zugleich, wenn nur noch Philipp Rist am Piano sitzt und Strauss eine bodenlos irrwitzige Story inszeniert. Die, in der er morgens um vier Uhr im Bademantel und Birkenstockschlappen am Polizeiposten landet. Wollte er sich doch nur in sechs Meter Dachrinnenhöhe vom Klavierlärm eines Hausbewohners befreien. Jo Strauss´ Performance elektrisiert bis zum bitteren Ende, in dem er das angebliche Klump in der Wohnung seiner Großmutter in Visier nimmt. „Wenn man alles entfernen würde, müsste man ja auch die Großmutter!“, bürstet er unliebsam gegen den Strich und wird wieder zum Philosophen. Zu einem, der einen nicht so einfach davon kommen lässt.