Babybrei-Erpresser muss für zwölfeinhalb Jahre ins Gefängnis
54-Jähriger verliert seinen letzten Machtkampf gegen die Schwurgerichtskammer am Landgericht Ravensburg – Verurteilt wegen versuchten Mordes
RAVENSBURG - Der Babybrei-Erpresser von Friedrichshafen muss für zwölfeinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Schwurgerichtskammer am Landgericht Ravensburg verurteilte den 54Jährigen am Montagabend wegen versuchten Mordes in fünf Fällen und versuchter räuberischer Erpressung mit Todesfolge. Der letzte Verhandlungstag entwickelte sich zu einem Machtkampf zwischen Angeklagtem und Gericht.
Eigentlich waren für den fünften Prozesstag nur noch die Anhörung einer weiteren Zeugin und die Aussage des psychiatrischen Sachverständigen geplant. Mit einer Verkündung des Urteils war von daher am frühen Nachmittag zu rechnen. Doch die Verhandlung verlief von Anfang an sehr zäh. Der Angeklagte hatte sich offenbar vorgenommen, ein Urteil an diesem Tag mit allen Mitteln zu verhindern. Das begann schon damit, dass er nach verspätetem Eintreffen zu verstehen gab, aufgrund seines psychischen Zustands nicht verhandlungsfähig zu sein. Eine Ärztin beurteilte das allerdings anders. Im Lauf des Tages sorgten Anträge des Angeklagten mehrfach dafür, dass die Verhandlung zur Beratung von Richter und Schöffen unterbrochen werden musste. Alle Anträge wies das Gericht zurück – auch jenen auf Erstellen eines weiteren Gutachtens, das aus Sicht des Angeklagten beweisen sollte, dass das vom Sachverständigen Dr. Hermann Assfalg erstellte psychiatrische Gutachten mangelhaft sei und nicht den wissenschaftlichen Standards entspreche.
Assfalg hatte in seinen Ausführungen, die inklusive Befragung fast drei Stunden in Anspruch nahmen, zu verstehen gegeben, dass beim Angeklagten zwar die Kriterien einer narzisstischen und dissozialen Persönlichkeitsstörung erfüllt seien, diese Störungen aber nicht so stark ausgeprägt seien, dass daraus eine verminderte Schuldfähigkeit abgeleitet werden könnte. Anhaltspunkte für eine Abhängigkeit von Alkohol oder Medikamenten gab es für den Gutachter ebenfalls nicht. Der Angeklagte selbst hatte eine vor zwei Jahren in Stuttgart diagnostizierte BorderlinePersönlichkeitsstörung für sein Handeln verantwortlich gemacht. Nachdem die ehemalige Liebe seines Lebens ihn Ende 2012 um die von ihm aufgebaute Reinigungsfirma betrogen habe, solle diese Störung sich quasi erst so richtig entfaltet und aus ihm ein „verzweifeltes Arschloch“gemacht haben. So die Theorie eines Menschen, der angeblich aus Verzweiflung, vergifteten Babybrei in fünf Lebensmittel- und Drogeriemärkten in Friedrichshafen deponiert hat, um von verschiedenen Handels unternehmen 11,75 Millionen Euro zu erpressen.
Richte rund Schöffen sahen letztlich keinen Anlass, an der Einschätzung des Sachverständigen zu zweifeln. Die Persönlichkeits störung berücksichtigten sie zwar beim Strafmaß, eine Erklärung für die angeklagten Taten sahen sie darin aber ebensowenig wie Oberstaatsanwalt Peter Vobiller. Ein Zusammenhang mit Vorgängen, die vier Jahre zurückliegen, war aus Sicht des Gerichts schlicht und einfach nicht nachvollziehbar. Auch den Beteuerungen des Angeklagten, dass er nie damit gerechnet habe, dass die vergiftete Babynahrung verkauft und verzehrt werden könnte, glaubten Richter und Schöffen ihm nicht. „Wir haben keinerlei Zweifel am Tötungsvorsatz“, sagte der Vorsitzende Richter Stefan Maier. In der Sekunde, als der Angeklagte sich von den Supermarktregalen entfernt habe, habe er das weitere Geschehen vollständig aus der Hand gegeben. „Dass es nicht zum Verkauf kam, ist allein dem Glück und der hervorragenden Polizeiarbeit zu verdanken“, so Maier. Der Angeklagte habe gleich mehrere Mordmerkmale erfüllt. Als heimtückisch wertete die Schwurgerichtskammer zum Beispiel, dass er ein süßliches, farb- und geruchloses Gift verwendet hat, das den natürlichen Abwehrmechanismus eines Kleinkindes außer Kraft gesetzt hätte.
Für Angeklagten spricht wenig
Für den Angeklagten sprach letztlich nicht viel. Sein Teilgeständnis fiel nicht besonders ins Gewicht, weil er zum einen den Hauptworwurf des versuchten Mordes bestritten hatte und zum anderen die Beweislage eindeutig gewesen sei. Was beim Strafmaß deutlich gegen den Angeklagten sprach, waren seine 17 Vorstrafen – unter anderem für Betrug, Bedrohung, Beleidigung und Straßenverkehrsgefährdung – und insbesondere die Tatsache, dass er die Erpressung plante, während in Nürnberg ein anderes Verfahren gegen ihn lief. Dort war er unter anderem wegen versuchter Entführung zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Mit dem Strafmaß von zwölfeinhalb Jahren Haft blieb das Ravensburger Gericht am Montag letztlich nur knapp unter den von der Staatsanwaltschaft geforderten 13 Jahren. Die Verteidigung hatte für eine siebenjährige Freiheitststrafe plädiert.
Vor der Urteilsverkündung hatte der Angeklagte ein letztes Mal versucht, den Machtkampf mit dem Gericht für sich zu entscheiden, indem er zu verstehen gab, dass er das letzte Wort ausführlich nutzen wolle, sich aber aufgrund seines psychischen Zustands dazu nicht in der Lage sehe. Richter Maier ließ sich auf das Spielchen nicht ein und ließ einen Arzt kommen. Um 19.10 Uhr hatte der Babybrei-Erpresser den Kampf schließlich verloren. Er verzichtete komplett auf das letzte Wort.