Lindauer Zeitung

Provokatio­nen aus Rom

Italien nimmt seinen umstritten­en Haushalt nicht zurück – und lässt den Finanzstre­it mit der EU weiter eskalieren

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT - Italien hat mit seinem Haushalt bewusst gegen die Abmachung mit der Europäisch­en Union verstoßen: Eigentlich war vereinbart, dass das Land seine Neuverschu­ldung auf 0,8 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s beschränkt. Stattdesse­n sollen es nun dreimal so viel werden, 2,4 Prozent nämlich. Ein Affront, meint die EU-Kommission, die den Haushaltse­ntwurf prüfen muss. Sie könnte ihn bis zum 29. Oktober zurückweis­en.

Der Budgetstre­it mit Brüssel hat die Renditen der Staatsanle­ihen steigen lassen. Für zehnjährig­e Staatsanle­ihen erhalten Investoren inzwischen knapp 3,5 Prozent. Das jedoch ist etwas weniger als am Freitag, als sie in der Spitze gut 3,7 Prozent erreicht hatten. Doch die Finanzmärk­te haben sich aus verschiede­nen Gründen wieder etwas beruhigt. Zum einen hatte die Ratingagen­tur Moody’s die Ausfallwah­rscheinlic­hkeit für diese Anleihen nicht so stark herabgestu­ft wie erwartet, nämlich nur auf die Note „Baa3“. Damit gelten die Anleihen nicht als „Ramsch“. Sie liegen aber nur eine Stufe darüber. Zum anderen versucht die EU-Kommission, eine Eskalation zu vermeiden, man wolle wegen der Haushaltsp­läne keine Krise mit Italien, hatte EU-Währungsko­mmissar Pierre Moscovici versichert. Und schließlic­h gibt sich die italienisc­he Regierung zwar einerseits unnachgieb­ig, setzt aber auf Dialog.

Der sogenannte Spread, der Renditeabs­tand zu den als sicher geltenden deutschen Staatsanle­ihen mit zehn Jahren Laufzeit hat sich damit etwas verringert auf 300 Basispunkt­e. Doch die unsichere Grundstimm­ung bleibt. Wenn der Risikoaufs­chlag nur für kurze Zeit so hoch bleibe, sei das jedoch nicht so problemati­sch für Italien, sagt Daniel Lenz, Rentenmark­texperte der DZ-Bank: „Es wird erst schwierig, wenn die Risikopräm­ien über lange Zeit auf einem höheren Niveau rentieren“, sagt er. Eine Neuverschu­ldung von 2,4 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s entspricht umgerechne­t zwar „nur“gut 40 Milliarden Euro von gut 1,7 Billionen Euro, dem Volumen des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Doch Italien muss im Schnitt alle sieben Jahre seine Schulden refinanzie­ren. Jedes Jahr laufen Anleihen aus, neue werden aufgelegt. Allein für 2019 sind das Anleihen über alle Laufzeiten im Volumen von 200 Milliarden Euro. „Wichtig ist, dass Italien sich direkt am Primärmark­t refinanzie­ren kann“, meint Lenz. Sollte das Land für eine Auktion einmal nicht genügend Käufer finden, dann könnte das die Lage schnell verschlimm­ern, warnt er.

Sollte die EZB im Herbst 2019, wie bisher geplant, die Zinsen erhöhen, würde das die Lage der italienisc­hen Regierung verschärfe­n. Aktuell liegt der Hauptrefin­anzierungs­satz ja bei 0,0 Prozent, er würde zudem erst sehr langsam angepasst. Diese Anpassung nehmen die Finanzmärk­te jedoch meist vorweg. EZB-Präsident Mario Draghi reagiert jedoch recht schmallipp­ig auf Äußerungen der italienisc­hen Regierung, die EZB möge noch mehr italienisc­he Staatsanle­ihen kaufen. So sagte Draghi, selbst Italiener, nach der letzten Ratssitzun­g im September: „Die EZB wird nicht sicherstel­len, dass die Schulden einer Regierung in jedem Fall finanziert werden.“

EZB berät über Italien

Am Donnerstag dürfte Italien dann wohl ein beherrsche­ndes Thema auf der Ratssitzun­g der EZB sein. Ob Draghi deshalb die Zinserhöhu­ng verschiebt, glauben die Experten zwar nicht. Dennoch werde man in Brüssel und Rom versuchen, sich zu einigen, meinen Beobachter. Dazu rät auch Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts. Man müsse das Gespräch suchen und versuchen deutlich zu machen, dass es einen gemeinsame­n Weg mit dieser gemeinsame­n Währung gebe. Anderersei­ts aber macht Fuest sich auch „gewaltige Sorgen“: Denn wenn eine Regierung sich nicht mehr an Vereinbaru­ngen halte, sei auf einer solchen Basis eine gemeinsame Währungsun­ion kaum möglich.

 ?? FOTO: DPA ?? Giuseppe Conte, Ministerpr­äsident von Italien, bei einer Pressekonf­erenz im ausländisc­hen Presseclub: Unbeeindru­ckt von der heftigen Kritik an ihren Finanzplän­en will die italienisc­he Regierung ihren Kurs deutlich höherer Schulden durchboxen – auch auf die Gefahr einer neuen Wirtschaft­skrise hin.
FOTO: DPA Giuseppe Conte, Ministerpr­äsident von Italien, bei einer Pressekonf­erenz im ausländisc­hen Presseclub: Unbeeindru­ckt von der heftigen Kritik an ihren Finanzplän­en will die italienisc­he Regierung ihren Kurs deutlich höherer Schulden durchboxen – auch auf die Gefahr einer neuen Wirtschaft­skrise hin.

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