Mit der Knarre im Klassenzimmer
Frankreich diskutiert über Gewalt an Schulen
die die Vorfälle unter den Teppich kehren. „Keine Welle machen“, laute das Motto. „Die Rektoren wollen nicht, dass solche Affären ihr Image belasten und das ihrer Schule“, sagt der Lehrer Yann der Zeitung „Le Parisien“. „Ich wollte einen Schüler vor die Tür stellen, da hat er mich angespuckt“, berichtet die Lehrerin Eva. Thibaud spricht von einem Kollegen, der auf seinem Schreibtisch eine tote Taube vorfand.
„Die Untersuchungen zeigen, dass weniger als ein Prozent der Lehrer körperlich angegriffen werden“, sagt der Soziologe Benjamin Moignard der Zeitung „Le Monde“. In den vergangenen Jahrzehnten seien die Angriffe auch nicht mehr geworden. „Wir beobachten auf keinen Fall eine Explosion des Gewaltphänomens an den Schulen“, bemerkt der Spezialist für schulische Gewalt an der Universität Paris-Est-Créteil. Dagegen erlebten aber ein Drittel der Lehrer im Laufe eines Schuljahrs Beschimpfungen.
In Créteil stellte sich der Angreifer einen Tag nach der Tat selbst der Polizei. Gegen den 15-Jährigen, der die Region verlassen musste, läuft nun ein Ermittlungsverfahren wegen Gewaltanwendung. Der Jugendliche, dem mehr als drei Jahre Haft drohen, gab an, er habe im Spaß gehandelt, ohne die Lehrerin einschüchtern zu wollen. Die 60-Jährige, die auf dem Video seltsam unbeteiligt wirkt, wurde sieben Tage krank geschrieben. „Einen Lehrer zu bedrohen ist nicht hinnehmbar“, reagierte Präsident Emmanuel Macron, selbst mit einer Lehrerin verheiratet. „Ich habe den Bildungs- und den Innenminister aufgefordert, alles zu tun, damit solche Taten bestraft und endgültig von unseren Schulen verbannt werden.“
Gezielte Kontrollen
„Wir werden die Ordnung wiederherstellen“, versicherte Bildungsminister Jean-Michel Blanquer, der als Musterschüler der Regierung gilt. Der einstige Leiter der Elitehochschule Essec verbot zu Schuljahresbeginn Handys in den Mittelstufen und fand damit viel Beifall. Auch nach den Ereignissen in Créteil setzt Blanquer auf Härte. So spricht sich der 53-Jährige für gezielte Kontrollen mit Metalldetektoren und mehr Videoüberwachung in Klassenzimmern aus. Vor allem will der beliebte Minister aber erreichen, dass Angriffe auf Lehrer auch bestraft werden. „Wir sind nicht in einer Logik zu großer Nachgiebigkeit“, sagt er im Radio.
Genau die wirft ihm aber die rechte Opposition vor. Der konservative Abgeordnete Eric Ciotti fordert bereits, den Eltern gewalttätiger Schüler das Kindergeld zu entziehen. Eine Idee, die auch schon für die Eltern von radikalisierten Jugendlichen die Runde gemacht hatte. Die Sozialisten kritisieren ihrerseits den Abbau von Stellen, der an den Schulen chaotische Zustände schaffe. „Es gibt zwei Minister, die uns erklären, dass man einen Sicherheitsplan für die Schulen braucht und die gleichzeitig 2650 Stellen in den Mittelstufen streichen“, bemerkt der Chef der Sozialisten, Olivier Faure.