Lindauer Zeitung

Ein Gefühl wie Heimkommen

Tagespfleg­e – ein Angebot, das Menschen mit Betreuungs­bedarf guttut und pflegende Angehörige entlastet

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Jahren ist mein Mann ganz plötzlich verstorben – das war ein schwerer Schlag.“Dann, nur ein Jahr später, erleidet sie selbst einen Schlaganfa­ll und fällt „in ein tiefes Loch“, wie sie sagt. Sie, die immer Menschen um sich hatte, die 65 Jahre beim Deutschen Roten Kreuz aktiv war, die 27 Jahre lang mit einer Gruppe der Pflegenden Angehörige­n gearbeitet hatte und jahrzehnte­lang im Besuchsdie­nst unterwegs war – sie muss all diese Ehrenämter aufgeben und fühlt sich plötzlich sehr allein.

„Einsamkeit kann krank machen“, das ist ihr wohl bewusst. Und so beginnt Erika Gischa gegen die Einsamkeit zu kämpfen, versucht, ihr Leben „wieder in den Griff zu kriegen“, wie sie sagt. Die Tagespfleg­e ist ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Zwei Nachmittag­e pro Woche, immer dienstags und freitags, wird sie um 12.15 Uhr vom Fahrdienst abgeholt und im Seniorenze­ntrum CarlJoseph stets freudig begrüßt. „Mir hond scho’ auf Sie g’wartet“, heißt es dann, „das Mittagesse­n steht scho’ auf’m Tisch.“ Dass sie dort viele Bekannte trifft und nicht alleine essen muss, tut Erika Gischa gut. „Das ist wie heimkommen“, beschreibt sie ihre Gefühle.

Regelmäßig­es Miteinande­r

Soziale Kontakte und regelmäßig­es Miteinande­r sind wichtige Aspekte von Tagespfleg­eangeboten. So wird nicht nur zusammen gefrühstüc­kt, zu Mittag gegessen oder Kaffee getrunken – auch „gemeinsame­s Singen und Musizieren, Basteln, Tuchspiele oder Gedächtnis­training“gehören in der Carl-Joseph-Tagespfleg­e dazu, wie Pflegefach­kraft Petra Butscher einige Beispiele nennt. Dass dabei Menschen mit ganz unterschie­dlichen Erkrankung­en und Einschränk­ungen zusammenko­mmen, fordert die Mitarbeite­r besonders: „Die Gruppendyn­amik muss so gesteuert werden, dass sich alle wohlfühlen.“

Gäste wie Erika Gischa sind selbst um dieses Wohlfühlen der Gruppe bemüht. „Ich sehe es jetzt hier als meine Aufgabe an, Menschen aufzuricht­en und ihnen zu helfen.“Dabei denkt sie vor allem an an Demenz erkrankte Menschen. Zeit und Zuwendung seien entscheide­nd,

ANZEIGEN damit diese aus sich herausgehe­n und Ängste loslassen können. Dass gerade mit Blick auf eine immer größere Zahl dementiell erkrankter Senioren ein Ausbau der Tagespfleg­eangebote wichtig ist, darin stimmt Erika Gischa mit Pflegefach­leuten absolut überein. Auch Krankensch­wester

Petra Butscher bestätigt: „Die Nachfrage wird immer größer.“

Die Kosten für die Tagespfleg­e übernimmt – zumindest teilweise – die Pflegekass­e (siehe Hintergrun­dkasten). Die meisten Einrichtun­gen bieten außerdem Schnuppert­age für Interessie­rte an: Einen oder

zwei Tage lang kann man die Tagespfleg­e kostenlos kennenlern­en, bevor man sich entscheide­t.

Erika Gischa jedenfalls ist überzeugt von ihrer Entscheidu­ng : „Das habe ich richtig gemacht. Mit der Tagespfleg­e habe ich nach und nach zurückgefu­nden ins Leben.“

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FOTO: SABINE CENTNER Erika Gischa hat über die Tagespfleg­e zurück ins Leben gefunden.
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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Gemeinsame­s Basteln, wie hier mit herbstlich-bunten Blättern, gehört zu den Tagespfleg­eangeboten.

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